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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der Gouverneurwechsel in der Kapkolonie

nicht geeignet war, das Beschauende der anfangs erlittenen Niederlagen wett¬
zumachen. Die Unterwerfung des mächtigen Stammes war fo unbefriedigend,
daß bald darauf neue Unruhen im Zululande ausbrachen, die zur Gründung
der später mit Transvaal vereinigten "Neuen Republik" führten. An den
Zulukrieg hatte sich der denkwürdige Befreiungskampf der Transvaalburcn
angeschlossen, der alsbald zu der erneuten staatlichen Selbständigkeit der süd¬
afrikanischen Republik führte. Es war ein schwerer Schlag, den das Ansehen
Englands dnrch den Verlauf dieses Krieges erlitt, er kann jedoch als wohl¬
verdiente Vergeltung dafür angesehen werden, daß Großbritannien das Land
seinerzeit in einer jedem Rechtsgefühle hohnsprechenden Weise besetzt hatte.
Die Anbahnung neuer freundschaftlicher Beziehungen zu Transvaal war die
erste Probe, die Sir Hercules Staatskunst in Südafrika zu bestehen hatte, und
daß ihm das in gewisser Weise gelungen war, zeigt die Anhänglichkeit, die
man ihm bis vor kurzem dort bewahrt hatte. Während sich diese Ereignisse
im Norden abspielten, führte im Süden die Kapkolonie einen nicht minder
heftigen und ebenso wenig erfolgreichen Krieg gegen die aufrührerischen Ba-
sutos, in den schließlich das Mutterland eingreifen mußte, um den Eingebornen-
staat unter eigne Verwaltung zu nehmen. Weitere Mißgeschicke ließen nicht
lange auf sich warten. Man hatte bisher die ganze Südwestküste vom Oranje-
fluß bis an die portugiesischen Besitzungen als unter britischen Einfluß stehend
betrachtet, ohne doch, mit Ausnahme der Walfischbai, die nötigen Hoheitsrechte
dort auszuüben. Durch die Besitzergreifung von Groß-Namaqualand und
Damaralcmd dnrch das deutsche Reich wurde ein Strich dnrch diese Rechnung
gemacht. Ein neuer, für England höchst unbequemer Mitwirkender war damit
in den südafrikanischen Staatenaufbau eingetreten.

Sicherlich kann Sir Hercules Robinson das Verdienst beanspruchen, den
durch diese fortlaufenden Unglttcksfälle herbeigeführten Niedergang des britischen
Ansehens nach Möglichkeit aufgehalten und den englischen Besitz in den fol¬
genden Jahren nicht unwesentlich erweitert zu haben. Zwar Südwestafrika
war verloren, doch wurde wenigstens noch die Walfischbai gerettet dadurch,
daß sie das Mutterland schnell an die Kapkolonie abtrat. War somit die
Westküste größtenteils und auch anscheinend dauernd in den Besitz einer fremden
Macht übergegangen, so war das Bestreben Großbritanniens in der Folgezeit
namentlich darauf gerichtet, die mittlern Landesteile und den Osten um so
fester unter englischen Einfluß zu bringen. Deutschland wurde deshalb ver¬
anlaßt, seine Besitzergreifung der Lnciabai an der Zuluküste rückgängig zu
macheu. Ferner wurde die englische Schutzherrschaft über das weite Bechnaua-
laud ausgedehnt, das im Norden des Orcmjeflnsses zwischen dem deutschen
Gebiet und den beiden holländischen Freistaaten liegt und sich somit gleich
einem Keil zwischen die neue Kolonialmacht und die noch unabhängigen Buren
entschiede.


Der Gouverneurwechsel in der Kapkolonie

nicht geeignet war, das Beschauende der anfangs erlittenen Niederlagen wett¬
zumachen. Die Unterwerfung des mächtigen Stammes war fo unbefriedigend,
daß bald darauf neue Unruhen im Zululande ausbrachen, die zur Gründung
der später mit Transvaal vereinigten „Neuen Republik" führten. An den
Zulukrieg hatte sich der denkwürdige Befreiungskampf der Transvaalburcn
angeschlossen, der alsbald zu der erneuten staatlichen Selbständigkeit der süd¬
afrikanischen Republik führte. Es war ein schwerer Schlag, den das Ansehen
Englands dnrch den Verlauf dieses Krieges erlitt, er kann jedoch als wohl¬
verdiente Vergeltung dafür angesehen werden, daß Großbritannien das Land
seinerzeit in einer jedem Rechtsgefühle hohnsprechenden Weise besetzt hatte.
Die Anbahnung neuer freundschaftlicher Beziehungen zu Transvaal war die
erste Probe, die Sir Hercules Staatskunst in Südafrika zu bestehen hatte, und
daß ihm das in gewisser Weise gelungen war, zeigt die Anhänglichkeit, die
man ihm bis vor kurzem dort bewahrt hatte. Während sich diese Ereignisse
im Norden abspielten, führte im Süden die Kapkolonie einen nicht minder
heftigen und ebenso wenig erfolgreichen Krieg gegen die aufrührerischen Ba-
sutos, in den schließlich das Mutterland eingreifen mußte, um den Eingebornen-
staat unter eigne Verwaltung zu nehmen. Weitere Mißgeschicke ließen nicht
lange auf sich warten. Man hatte bisher die ganze Südwestküste vom Oranje-
fluß bis an die portugiesischen Besitzungen als unter britischen Einfluß stehend
betrachtet, ohne doch, mit Ausnahme der Walfischbai, die nötigen Hoheitsrechte
dort auszuüben. Durch die Besitzergreifung von Groß-Namaqualand und
Damaralcmd dnrch das deutsche Reich wurde ein Strich dnrch diese Rechnung
gemacht. Ein neuer, für England höchst unbequemer Mitwirkender war damit
in den südafrikanischen Staatenaufbau eingetreten.

Sicherlich kann Sir Hercules Robinson das Verdienst beanspruchen, den
durch diese fortlaufenden Unglttcksfälle herbeigeführten Niedergang des britischen
Ansehens nach Möglichkeit aufgehalten und den englischen Besitz in den fol¬
genden Jahren nicht unwesentlich erweitert zu haben. Zwar Südwestafrika
war verloren, doch wurde wenigstens noch die Walfischbai gerettet dadurch,
daß sie das Mutterland schnell an die Kapkolonie abtrat. War somit die
Westküste größtenteils und auch anscheinend dauernd in den Besitz einer fremden
Macht übergegangen, so war das Bestreben Großbritanniens in der Folgezeit
namentlich darauf gerichtet, die mittlern Landesteile und den Osten um so
fester unter englischen Einfluß zu bringen. Deutschland wurde deshalb ver¬
anlaßt, seine Besitzergreifung der Lnciabai an der Zuluküste rückgängig zu
macheu. Ferner wurde die englische Schutzherrschaft über das weite Bechnaua-
laud ausgedehnt, das im Norden des Orcmjeflnsses zwischen dem deutschen
Gebiet und den beiden holländischen Freistaaten liegt und sich somit gleich
einem Keil zwischen die neue Kolonialmacht und die noch unabhängigen Buren
entschiede.


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[0165] Der Gouverneurwechsel in der Kapkolonie nicht geeignet war, das Beschauende der anfangs erlittenen Niederlagen wett¬ zumachen. Die Unterwerfung des mächtigen Stammes war fo unbefriedigend, daß bald darauf neue Unruhen im Zululande ausbrachen, die zur Gründung der später mit Transvaal vereinigten „Neuen Republik" führten. An den Zulukrieg hatte sich der denkwürdige Befreiungskampf der Transvaalburcn angeschlossen, der alsbald zu der erneuten staatlichen Selbständigkeit der süd¬ afrikanischen Republik führte. Es war ein schwerer Schlag, den das Ansehen Englands dnrch den Verlauf dieses Krieges erlitt, er kann jedoch als wohl¬ verdiente Vergeltung dafür angesehen werden, daß Großbritannien das Land seinerzeit in einer jedem Rechtsgefühle hohnsprechenden Weise besetzt hatte. Die Anbahnung neuer freundschaftlicher Beziehungen zu Transvaal war die erste Probe, die Sir Hercules Staatskunst in Südafrika zu bestehen hatte, und daß ihm das in gewisser Weise gelungen war, zeigt die Anhänglichkeit, die man ihm bis vor kurzem dort bewahrt hatte. Während sich diese Ereignisse im Norden abspielten, führte im Süden die Kapkolonie einen nicht minder heftigen und ebenso wenig erfolgreichen Krieg gegen die aufrührerischen Ba- sutos, in den schließlich das Mutterland eingreifen mußte, um den Eingebornen- staat unter eigne Verwaltung zu nehmen. Weitere Mißgeschicke ließen nicht lange auf sich warten. Man hatte bisher die ganze Südwestküste vom Oranje- fluß bis an die portugiesischen Besitzungen als unter britischen Einfluß stehend betrachtet, ohne doch, mit Ausnahme der Walfischbai, die nötigen Hoheitsrechte dort auszuüben. Durch die Besitzergreifung von Groß-Namaqualand und Damaralcmd dnrch das deutsche Reich wurde ein Strich dnrch diese Rechnung gemacht. Ein neuer, für England höchst unbequemer Mitwirkender war damit in den südafrikanischen Staatenaufbau eingetreten. Sicherlich kann Sir Hercules Robinson das Verdienst beanspruchen, den durch diese fortlaufenden Unglttcksfälle herbeigeführten Niedergang des britischen Ansehens nach Möglichkeit aufgehalten und den englischen Besitz in den fol¬ genden Jahren nicht unwesentlich erweitert zu haben. Zwar Südwestafrika war verloren, doch wurde wenigstens noch die Walfischbai gerettet dadurch, daß sie das Mutterland schnell an die Kapkolonie abtrat. War somit die Westküste größtenteils und auch anscheinend dauernd in den Besitz einer fremden Macht übergegangen, so war das Bestreben Großbritanniens in der Folgezeit namentlich darauf gerichtet, die mittlern Landesteile und den Osten um so fester unter englischen Einfluß zu bringen. Deutschland wurde deshalb ver¬ anlaßt, seine Besitzergreifung der Lnciabai an der Zuluküste rückgängig zu macheu. Ferner wurde die englische Schutzherrschaft über das weite Bechnaua- laud ausgedehnt, das im Norden des Orcmjeflnsses zwischen dem deutschen Gebiet und den beiden holländischen Freistaaten liegt und sich somit gleich einem Keil zwischen die neue Kolonialmacht und die noch unabhängigen Buren entschiede.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/165>, abgerufen am 23.05.2024.