Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Allgemeine zweijährige Dienstzeit

manchem wird der Offiziersrang ein besonders kräftiger Antrieb dazu sein!),
während bei dem Eintritt zum Dienst nach beendigter Studienzeit dieses Be¬
denken selbst in der Theorie hinfällig erscheint. Wenn sich unsre akademische
Jugend jetzt die Freiheit nimmt, die Studienzeit größtenteils weit über das
Trienninm hinaus nuszndehnen, so führen wir das nicht so sehr auf eine
Frende am Nichtsthun und studentischen Unwesen als vielmehr ans das Be¬
dürfnis zurück, von einer neunjährige" auf der Schulbank verbrachten An¬
spannung Geist und Körper ausruhen zu lassen. Eine Schule, die für die
körperliche Erziehung ebenso viel Zeit aufwendet wie für die geistige,
braucht aber keine Ruhepause, und es dürfte sich herausstellen, daß auch in
Zukunft die für Erwerbung des Lebeusbcrufs verbrachte Zeit einschließlich
zweier Svldatenjcchre nicht länger ist als das. was der Durchschnittsstudent
von heute darauf verwendet. Rechnen wir hinzu, daß für die Dienstleistung
als Unteroffizier und Offizier der Staat auszukommen hätte, so würde sich
voraussichtlich ergeben, daß die Kosten der zukünftigen Einrichtung hinter denen
der jetzigen zurückbleiben. Wir glauben daher zu dem Schlüsse berechtigt zu
sein, daß die Kreise, aus denen sich wie bisher anch in Zukunft die Reserve¬
offiziere ergänzen würden, keinen Schaden erleiden würden.

Anders verhält es sich mit den Einjährigen, die nicht Reserveoffiziere
werden. Bisher war es mit einem Jahre gethan; das wurde verschmerzt,
wenn es auch tuller genug war, mit der schönsten Berechtigung in der Tasche
oft genug nur deshalb nicht befördert zu werde", weil es die "gesellschaftliche"
Stellung nicht erlaubte. Die Schnüre, die kein Gefreitenknopf, keine Unter-
vffizierstressen ergänzten, wurden dann oft zur bittern Qual und sehnsüchtig
der Tag herbeigewünscht, wo des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr zum letzten-
male schlug. Der nicht beförderte Einjährige wäre anch bei der zweijährigen
Dienstzeit das Schmerzenskind, obgleich sich hier die Sache wesentlich anders
stellen würde. Zunächst unterscheidet er sich in nichts von jedem andern Ka¬
meraden: er hat keinen "Berechtigungsschein," keine besondern Schnüre, keine
besondern Erwartungen, also auch keine besondern Enttäuschungen. Er dient
schlecht und recht seine zwei Jahre wie jeder andre waffenfähige Deutsche, und
da es mehr als unwahrscheinlich ist, daß sein Licht mit Gewalt unterdrückt
werden würde, wenn es nur zu scheinen imstande ist, so dürfte die Praxis
anch seine militärische Tüchtigkeit mit entsprechender Beförderung lohnen. Im
übrige": Imbsar "ibi! Denn auf ihn bezieht sich in vollstem Maße, was wir
über die ausgleichende Gerechtigkeit gesagt haben: soll denn, was wir als
den bedeutendsten Vorzug der allgemeinen zweijährigen Dienstzeit hinstellen
durften, eine gerechte, gleiche Dienstpflicht für alle, nur der Bequemlichkeit einer
verhältinsmäßig geringe" Zahl willen, die es vorziehe", dem Vater nicht un-
nötig lange auf der Tasche zu liegen, nicht ausgeführt werden dürfen ? Man
vergesse anch nicht, daß diese Art von "Einjährigen," die ihren Beruf zum


Allgemeine zweijährige Dienstzeit

manchem wird der Offiziersrang ein besonders kräftiger Antrieb dazu sein!),
während bei dem Eintritt zum Dienst nach beendigter Studienzeit dieses Be¬
denken selbst in der Theorie hinfällig erscheint. Wenn sich unsre akademische
Jugend jetzt die Freiheit nimmt, die Studienzeit größtenteils weit über das
Trienninm hinaus nuszndehnen, so führen wir das nicht so sehr auf eine
Frende am Nichtsthun und studentischen Unwesen als vielmehr ans das Be¬
dürfnis zurück, von einer neunjährige» auf der Schulbank verbrachten An¬
spannung Geist und Körper ausruhen zu lassen. Eine Schule, die für die
körperliche Erziehung ebenso viel Zeit aufwendet wie für die geistige,
braucht aber keine Ruhepause, und es dürfte sich herausstellen, daß auch in
Zukunft die für Erwerbung des Lebeusbcrufs verbrachte Zeit einschließlich
zweier Svldatenjcchre nicht länger ist als das. was der Durchschnittsstudent
von heute darauf verwendet. Rechnen wir hinzu, daß für die Dienstleistung
als Unteroffizier und Offizier der Staat auszukommen hätte, so würde sich
voraussichtlich ergeben, daß die Kosten der zukünftigen Einrichtung hinter denen
der jetzigen zurückbleiben. Wir glauben daher zu dem Schlüsse berechtigt zu
sein, daß die Kreise, aus denen sich wie bisher anch in Zukunft die Reserve¬
offiziere ergänzen würden, keinen Schaden erleiden würden.

Anders verhält es sich mit den Einjährigen, die nicht Reserveoffiziere
werden. Bisher war es mit einem Jahre gethan; das wurde verschmerzt,
wenn es auch tuller genug war, mit der schönsten Berechtigung in der Tasche
oft genug nur deshalb nicht befördert zu werde», weil es die „gesellschaftliche"
Stellung nicht erlaubte. Die Schnüre, die kein Gefreitenknopf, keine Unter-
vffizierstressen ergänzten, wurden dann oft zur bittern Qual und sehnsüchtig
der Tag herbeigewünscht, wo des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr zum letzten-
male schlug. Der nicht beförderte Einjährige wäre anch bei der zweijährigen
Dienstzeit das Schmerzenskind, obgleich sich hier die Sache wesentlich anders
stellen würde. Zunächst unterscheidet er sich in nichts von jedem andern Ka¬
meraden: er hat keinen „Berechtigungsschein," keine besondern Schnüre, keine
besondern Erwartungen, also auch keine besondern Enttäuschungen. Er dient
schlecht und recht seine zwei Jahre wie jeder andre waffenfähige Deutsche, und
da es mehr als unwahrscheinlich ist, daß sein Licht mit Gewalt unterdrückt
werden würde, wenn es nur zu scheinen imstande ist, so dürfte die Praxis
anch seine militärische Tüchtigkeit mit entsprechender Beförderung lohnen. Im
übrige»: Imbsar »ibi! Denn auf ihn bezieht sich in vollstem Maße, was wir
über die ausgleichende Gerechtigkeit gesagt haben: soll denn, was wir als
den bedeutendsten Vorzug der allgemeinen zweijährigen Dienstzeit hinstellen
durften, eine gerechte, gleiche Dienstpflicht für alle, nur der Bequemlichkeit einer
verhältinsmäßig geringe» Zahl willen, die es vorziehe», dem Vater nicht un-
nötig lange auf der Tasche zu liegen, nicht ausgeführt werden dürfen ? Man
vergesse anch nicht, daß diese Art von „Einjährigen," die ihren Beruf zum


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220545"/>
          <fw type="header" place="top"> Allgemeine zweijährige Dienstzeit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_923" prev="#ID_922"> manchem wird der Offiziersrang ein besonders kräftiger Antrieb dazu sein!),<lb/>
während bei dem Eintritt zum Dienst nach beendigter Studienzeit dieses Be¬<lb/>
denken selbst in der Theorie hinfällig erscheint. Wenn sich unsre akademische<lb/>
Jugend jetzt die Freiheit nimmt, die Studienzeit größtenteils weit über das<lb/>
Trienninm hinaus nuszndehnen, so führen wir das nicht so sehr auf eine<lb/>
Frende am Nichtsthun und studentischen Unwesen als vielmehr ans das Be¬<lb/>
dürfnis zurück, von einer neunjährige» auf der Schulbank verbrachten An¬<lb/>
spannung Geist und Körper ausruhen zu lassen. Eine Schule, die für die<lb/>
körperliche Erziehung ebenso viel Zeit aufwendet wie für die geistige,<lb/>
braucht aber keine Ruhepause, und es dürfte sich herausstellen, daß auch in<lb/>
Zukunft die für Erwerbung des Lebeusbcrufs verbrachte Zeit einschließlich<lb/>
zweier Svldatenjcchre nicht länger ist als das. was der Durchschnittsstudent<lb/>
von heute darauf verwendet. Rechnen wir hinzu, daß für die Dienstleistung<lb/>
als Unteroffizier und Offizier der Staat auszukommen hätte, so würde sich<lb/>
voraussichtlich ergeben, daß die Kosten der zukünftigen Einrichtung hinter denen<lb/>
der jetzigen zurückbleiben. Wir glauben daher zu dem Schlüsse berechtigt zu<lb/>
sein, daß die Kreise, aus denen sich wie bisher anch in Zukunft die Reserve¬<lb/>
offiziere ergänzen würden, keinen Schaden erleiden würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_924" next="#ID_925"> Anders verhält es sich mit den Einjährigen, die nicht Reserveoffiziere<lb/>
werden. Bisher war es mit einem Jahre gethan; das wurde verschmerzt,<lb/>
wenn es auch tuller genug war, mit der schönsten Berechtigung in der Tasche<lb/>
oft genug nur deshalb nicht befördert zu werde», weil es die &#x201E;gesellschaftliche"<lb/>
Stellung nicht erlaubte. Die Schnüre, die kein Gefreitenknopf, keine Unter-<lb/>
vffizierstressen ergänzten, wurden dann oft zur bittern Qual und sehnsüchtig<lb/>
der Tag herbeigewünscht, wo des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr zum letzten-<lb/>
male schlug. Der nicht beförderte Einjährige wäre anch bei der zweijährigen<lb/>
Dienstzeit das Schmerzenskind, obgleich sich hier die Sache wesentlich anders<lb/>
stellen würde. Zunächst unterscheidet er sich in nichts von jedem andern Ka¬<lb/>
meraden: er hat keinen &#x201E;Berechtigungsschein," keine besondern Schnüre, keine<lb/>
besondern Erwartungen, also auch keine besondern Enttäuschungen. Er dient<lb/>
schlecht und recht seine zwei Jahre wie jeder andre waffenfähige Deutsche, und<lb/>
da es mehr als unwahrscheinlich ist, daß sein Licht mit Gewalt unterdrückt<lb/>
werden würde, wenn es nur zu scheinen imstande ist, so dürfte die Praxis<lb/>
anch seine militärische Tüchtigkeit mit entsprechender Beförderung lohnen. Im<lb/>
übrige»: Imbsar »ibi! Denn auf ihn bezieht sich in vollstem Maße, was wir<lb/>
über die ausgleichende Gerechtigkeit gesagt haben: soll denn, was wir als<lb/>
den bedeutendsten Vorzug der allgemeinen zweijährigen Dienstzeit hinstellen<lb/>
durften, eine gerechte, gleiche Dienstpflicht für alle, nur der Bequemlichkeit einer<lb/>
verhältinsmäßig geringe» Zahl willen, die es vorziehe», dem Vater nicht un-<lb/>
nötig lange auf der Tasche zu liegen, nicht ausgeführt werden dürfen ? Man<lb/>
vergesse anch nicht, daß diese Art von &#x201E;Einjährigen," die ihren Beruf zum</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0219] Allgemeine zweijährige Dienstzeit manchem wird der Offiziersrang ein besonders kräftiger Antrieb dazu sein!), während bei dem Eintritt zum Dienst nach beendigter Studienzeit dieses Be¬ denken selbst in der Theorie hinfällig erscheint. Wenn sich unsre akademische Jugend jetzt die Freiheit nimmt, die Studienzeit größtenteils weit über das Trienninm hinaus nuszndehnen, so führen wir das nicht so sehr auf eine Frende am Nichtsthun und studentischen Unwesen als vielmehr ans das Be¬ dürfnis zurück, von einer neunjährige» auf der Schulbank verbrachten An¬ spannung Geist und Körper ausruhen zu lassen. Eine Schule, die für die körperliche Erziehung ebenso viel Zeit aufwendet wie für die geistige, braucht aber keine Ruhepause, und es dürfte sich herausstellen, daß auch in Zukunft die für Erwerbung des Lebeusbcrufs verbrachte Zeit einschließlich zweier Svldatenjcchre nicht länger ist als das. was der Durchschnittsstudent von heute darauf verwendet. Rechnen wir hinzu, daß für die Dienstleistung als Unteroffizier und Offizier der Staat auszukommen hätte, so würde sich voraussichtlich ergeben, daß die Kosten der zukünftigen Einrichtung hinter denen der jetzigen zurückbleiben. Wir glauben daher zu dem Schlüsse berechtigt zu sein, daß die Kreise, aus denen sich wie bisher anch in Zukunft die Reserve¬ offiziere ergänzen würden, keinen Schaden erleiden würden. Anders verhält es sich mit den Einjährigen, die nicht Reserveoffiziere werden. Bisher war es mit einem Jahre gethan; das wurde verschmerzt, wenn es auch tuller genug war, mit der schönsten Berechtigung in der Tasche oft genug nur deshalb nicht befördert zu werde», weil es die „gesellschaftliche" Stellung nicht erlaubte. Die Schnüre, die kein Gefreitenknopf, keine Unter- vffizierstressen ergänzten, wurden dann oft zur bittern Qual und sehnsüchtig der Tag herbeigewünscht, wo des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr zum letzten- male schlug. Der nicht beförderte Einjährige wäre anch bei der zweijährigen Dienstzeit das Schmerzenskind, obgleich sich hier die Sache wesentlich anders stellen würde. Zunächst unterscheidet er sich in nichts von jedem andern Ka¬ meraden: er hat keinen „Berechtigungsschein," keine besondern Schnüre, keine besondern Erwartungen, also auch keine besondern Enttäuschungen. Er dient schlecht und recht seine zwei Jahre wie jeder andre waffenfähige Deutsche, und da es mehr als unwahrscheinlich ist, daß sein Licht mit Gewalt unterdrückt werden würde, wenn es nur zu scheinen imstande ist, so dürfte die Praxis anch seine militärische Tüchtigkeit mit entsprechender Beförderung lohnen. Im übrige»: Imbsar »ibi! Denn auf ihn bezieht sich in vollstem Maße, was wir über die ausgleichende Gerechtigkeit gesagt haben: soll denn, was wir als den bedeutendsten Vorzug der allgemeinen zweijährigen Dienstzeit hinstellen durften, eine gerechte, gleiche Dienstpflicht für alle, nur der Bequemlichkeit einer verhältinsmäßig geringe» Zahl willen, die es vorziehe», dem Vater nicht un- nötig lange auf der Tasche zu liegen, nicht ausgeführt werden dürfen ? Man vergesse anch nicht, daß diese Art von „Einjährigen," die ihren Beruf zum

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/219
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/219>, abgerufen am 23.05.2024.