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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Allgemeine zweijährige Dienstzeit

Reserveoffizier verfehlt hat (häufig genug gar nicht darauf rechnet), mit der
zweijährigen Einrichtung wohl bald verschwinden würde. Denn wenn der
"Schein" nicht mehr gilt, die Beförderung aber ganz in militärischen Händen
liegt, so ist nicht abzusehen, wie man in einem besondern Falle von getäuschter
Erwartung sprechen will. Mit dem Schein wird auch die Sehnsucht nach der
gelehrten Schule verschwinden, und da der Regimeutskvmmandcur nur Sol¬
daten einer Gattung, nicht aber wie bisher "gebildete" und "ungebildete" vor
sich hätte, so würde sich ihm das, was sich zum Offizier eignet, bald genug von
selber bieten. Vom bürgerlichen Staudpunkte aus erscheint also der Schluß
gerechtfertigt, daß die allgemeine zweijährige Dienstzeit auf die verschiedensten
Lebensverhültuisse mir vorteilhaft wirken würde.

So bleibt die "militärische" Seite der Frage. Nun würde es als ein
uubescheidner Eingriff in ein von uns nicht fachmäuuich erforschtes Gebiet er¬
scheinen, wenn wir uns hier über rein militärische Einzelheiten ein Urteil an¬
maßen wollten. Wir werden daher vermeide", etwa Ansichten darüber zu
äußern, wie eine zweijährige Dienstzeit für den Reserveoffizier militär-technisch
zu verwerten wäre, obgleich es auch hier deu Kreis unsrer Erfahrungen nicht
überschreiten heißt, wenn wir sür deu Berufsoffizier eine ausschließlich auf
das Feldmäßige gerichtete Ausbildung für das Richtige halten. Indem wir
uns vielmehr sozusagen in dem Grenzgebiete des bürgerlichen und des mili¬
tärischen Lebens -- da, wo sich beider Interessen berühren -- bewegen, dürften
uns Erfahrungen zur Seite steheu, die in der Art, wie sie erworben sind, dem
Berufsoffizier meist ebenso verschlossen bleiben wie dem bürgerlichen die Ge¬
heimnisse der militärischen Technik.

Wenn wir von der anfänglich durchaus ablehnenden Haltung, die uns
in Besprechungen mit ausgezeichneten Offizieren in höherer Stellung der all¬
gemeinen zweijährigen Dienstzeit gegenüber entgegentrat, ans die Anschauung
weiterer militärischer Kreise schließen dürfen, so wird es ihr dort nicht viel
besser gehen. Freilich trat in jenen Unterhaltungen nach längerer Überlegung
bald ein merklicher Umschwung ein; aber abgesehen von einem Konservatismus,
der alles beim alten läßt, weil es alt ist, und der im militärischen Leben
ebenso schädlich ist wie auf andern Gebieten, liegt es in der Natur des
Soldaten, Neuerungen, namentlich organisatorischen, mit Mißtrauen zu be¬
gegne", insbesondre, wenn sie von "Zivilisten" kommen, die sich bekanntlich
in den Kreisen der Berufssoldaten als geschäftige Dilettanten, als "Zivil-
Klausewitze" keiner sonderlichen Anerkennung erfreuen. Dieses Mißtrauen
hat gewiß seine gute Berechtigung; es erscheint aber nicht am Platze, wenn
von Dingen die Rede ist, die ebenso sehr das bürgerliche Leben wie das mili¬
tärische angehen. Ein derartiges Ding ist aber das Einjährigen- und Reserve¬
offizierwesen in hervorragendem Maße, und nicht selten haben wir die Er¬
fahrung machen können, daß sich militärische Urteile über bürgerliche Verhält-


Allgemeine zweijährige Dienstzeit

Reserveoffizier verfehlt hat (häufig genug gar nicht darauf rechnet), mit der
zweijährigen Einrichtung wohl bald verschwinden würde. Denn wenn der
„Schein" nicht mehr gilt, die Beförderung aber ganz in militärischen Händen
liegt, so ist nicht abzusehen, wie man in einem besondern Falle von getäuschter
Erwartung sprechen will. Mit dem Schein wird auch die Sehnsucht nach der
gelehrten Schule verschwinden, und da der Regimeutskvmmandcur nur Sol¬
daten einer Gattung, nicht aber wie bisher „gebildete" und „ungebildete" vor
sich hätte, so würde sich ihm das, was sich zum Offizier eignet, bald genug von
selber bieten. Vom bürgerlichen Staudpunkte aus erscheint also der Schluß
gerechtfertigt, daß die allgemeine zweijährige Dienstzeit auf die verschiedensten
Lebensverhültuisse mir vorteilhaft wirken würde.

So bleibt die „militärische" Seite der Frage. Nun würde es als ein
uubescheidner Eingriff in ein von uns nicht fachmäuuich erforschtes Gebiet er¬
scheinen, wenn wir uns hier über rein militärische Einzelheiten ein Urteil an¬
maßen wollten. Wir werden daher vermeide», etwa Ansichten darüber zu
äußern, wie eine zweijährige Dienstzeit für den Reserveoffizier militär-technisch
zu verwerten wäre, obgleich es auch hier deu Kreis unsrer Erfahrungen nicht
überschreiten heißt, wenn wir sür deu Berufsoffizier eine ausschließlich auf
das Feldmäßige gerichtete Ausbildung für das Richtige halten. Indem wir
uns vielmehr sozusagen in dem Grenzgebiete des bürgerlichen und des mili¬
tärischen Lebens — da, wo sich beider Interessen berühren — bewegen, dürften
uns Erfahrungen zur Seite steheu, die in der Art, wie sie erworben sind, dem
Berufsoffizier meist ebenso verschlossen bleiben wie dem bürgerlichen die Ge¬
heimnisse der militärischen Technik.

Wenn wir von der anfänglich durchaus ablehnenden Haltung, die uns
in Besprechungen mit ausgezeichneten Offizieren in höherer Stellung der all¬
gemeinen zweijährigen Dienstzeit gegenüber entgegentrat, ans die Anschauung
weiterer militärischer Kreise schließen dürfen, so wird es ihr dort nicht viel
besser gehen. Freilich trat in jenen Unterhaltungen nach längerer Überlegung
bald ein merklicher Umschwung ein; aber abgesehen von einem Konservatismus,
der alles beim alten läßt, weil es alt ist, und der im militärischen Leben
ebenso schädlich ist wie auf andern Gebieten, liegt es in der Natur des
Soldaten, Neuerungen, namentlich organisatorischen, mit Mißtrauen zu be¬
gegne», insbesondre, wenn sie von „Zivilisten" kommen, die sich bekanntlich
in den Kreisen der Berufssoldaten als geschäftige Dilettanten, als „Zivil-
Klausewitze" keiner sonderlichen Anerkennung erfreuen. Dieses Mißtrauen
hat gewiß seine gute Berechtigung; es erscheint aber nicht am Platze, wenn
von Dingen die Rede ist, die ebenso sehr das bürgerliche Leben wie das mili¬
tärische angehen. Ein derartiges Ding ist aber das Einjährigen- und Reserve¬
offizierwesen in hervorragendem Maße, und nicht selten haben wir die Er¬
fahrung machen können, daß sich militärische Urteile über bürgerliche Verhält-


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[0220] Allgemeine zweijährige Dienstzeit Reserveoffizier verfehlt hat (häufig genug gar nicht darauf rechnet), mit der zweijährigen Einrichtung wohl bald verschwinden würde. Denn wenn der „Schein" nicht mehr gilt, die Beförderung aber ganz in militärischen Händen liegt, so ist nicht abzusehen, wie man in einem besondern Falle von getäuschter Erwartung sprechen will. Mit dem Schein wird auch die Sehnsucht nach der gelehrten Schule verschwinden, und da der Regimeutskvmmandcur nur Sol¬ daten einer Gattung, nicht aber wie bisher „gebildete" und „ungebildete" vor sich hätte, so würde sich ihm das, was sich zum Offizier eignet, bald genug von selber bieten. Vom bürgerlichen Staudpunkte aus erscheint also der Schluß gerechtfertigt, daß die allgemeine zweijährige Dienstzeit auf die verschiedensten Lebensverhültuisse mir vorteilhaft wirken würde. So bleibt die „militärische" Seite der Frage. Nun würde es als ein uubescheidner Eingriff in ein von uns nicht fachmäuuich erforschtes Gebiet er¬ scheinen, wenn wir uns hier über rein militärische Einzelheiten ein Urteil an¬ maßen wollten. Wir werden daher vermeide», etwa Ansichten darüber zu äußern, wie eine zweijährige Dienstzeit für den Reserveoffizier militär-technisch zu verwerten wäre, obgleich es auch hier deu Kreis unsrer Erfahrungen nicht überschreiten heißt, wenn wir sür deu Berufsoffizier eine ausschließlich auf das Feldmäßige gerichtete Ausbildung für das Richtige halten. Indem wir uns vielmehr sozusagen in dem Grenzgebiete des bürgerlichen und des mili¬ tärischen Lebens — da, wo sich beider Interessen berühren — bewegen, dürften uns Erfahrungen zur Seite steheu, die in der Art, wie sie erworben sind, dem Berufsoffizier meist ebenso verschlossen bleiben wie dem bürgerlichen die Ge¬ heimnisse der militärischen Technik. Wenn wir von der anfänglich durchaus ablehnenden Haltung, die uns in Besprechungen mit ausgezeichneten Offizieren in höherer Stellung der all¬ gemeinen zweijährigen Dienstzeit gegenüber entgegentrat, ans die Anschauung weiterer militärischer Kreise schließen dürfen, so wird es ihr dort nicht viel besser gehen. Freilich trat in jenen Unterhaltungen nach längerer Überlegung bald ein merklicher Umschwung ein; aber abgesehen von einem Konservatismus, der alles beim alten läßt, weil es alt ist, und der im militärischen Leben ebenso schädlich ist wie auf andern Gebieten, liegt es in der Natur des Soldaten, Neuerungen, namentlich organisatorischen, mit Mißtrauen zu be¬ gegne», insbesondre, wenn sie von „Zivilisten" kommen, die sich bekanntlich in den Kreisen der Berufssoldaten als geschäftige Dilettanten, als „Zivil- Klausewitze" keiner sonderlichen Anerkennung erfreuen. Dieses Mißtrauen hat gewiß seine gute Berechtigung; es erscheint aber nicht am Platze, wenn von Dingen die Rede ist, die ebenso sehr das bürgerliche Leben wie das mili¬ tärische angehen. Ein derartiges Ding ist aber das Einjährigen- und Reserve¬ offizierwesen in hervorragendem Maße, und nicht selten haben wir die Er¬ fahrung machen können, daß sich militärische Urteile über bürgerliche Verhält-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/220>, abgerufen am 23.05.2024.