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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Die Genossenschaft j)an und die cillermodernste Kunst

Franzosen hin und her. Eine mehrmals wiederholte "Zierleiste," in der die
Leser des "Pan" in drei Tönen, schwarz, grau und weiß dargestellt sind,
macht, wenn man sie uach einiger Anstrengung verstanden hat, den Eindruck
einer Versammlung von Verrückten bei bengalischer Beleuchtung. Auch der
kunstgewerbliche Entwurf einer klotzigen Tapete mit einer geballten Hand und
dem Motto "Ehrlich währt am längsten" wird wenig Bewundrer finden. Eine
schwächlich archaistische bunte Lithographie von Otto Eckmann: "Wenn der
Frühling kommt," zeigt, daß selbst der alte Kranach in seinem Grabe vor
diesen Archaisten keine Ruhe hat.

Eine gesundere Art der Nachahmung spricht sich in den Zierleisten von
Peter Halm aus, die liebenswürdig, aber uicht gerade bedeutend sind, während
wieder Strathmann in seinen Illustrationen zu "Parzivals Ausfahrt" in manie-
rirten und ungesunden Archaismus verfällt. Was hat es für einen Zweck,
sich hineinzudenken, wie etwa ein Holzschneider des sechzehnten Jahrhunderts
ein Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts illustrirt haben würde? Wem ist
mit einer solchen Fiktion irgendwie gedient? Aber so geht es, wenn man den
Künstlern weismacht, auf den Naturalismus, d. h. das unmittelbare Strebe"
nach möglichster Illusion komme es in der Kunst nicht an, der Stil, d. h. die
durch persönlichen Geschmack und änßere Gesetze bestimmte Abänderung der
Natur sei das wesentliche.

Wieder eine andre Art von Anempsindmig und Nachahmung zeigt uns
der betriebsame Th. Th. Heine, der, wie schon erwähnt, seine ans den Flie¬
genden Blättern genugsam bekannten Bocksprünge auch hier aufzuführen für
passend hält. Mögen sich seine Bewundrer ruhig einbilden, daß das Heil
der deutschen Kunst in einer Nachahmung des Japanertums bestehe, mögen sie
jede Mode, die das Ausland aufbringt, getreulich mitmachen, heute die Fran¬
zosen, morgen die Engländer nachahmen, mögen sie meinetwegen wie Heine einen
ungenießbaren Brei von Japanismus, Franzosentum und Engländertum zu-
snmmenrühren. Ernsthafte Zeitschriften sollten doch derartige Witzchen als
das nehmen, was sie sind: alberne Modethorheiten, die der nächste Windhauch
wegfegt.

Den Vogel abgeschossen hat aber diesmal W. Leistikow mit seinen Vi¬
gnetten zu Rudhard Kiplings Seelenwanderungsgeschichte (S. 71 und 82). Wenn
man solche kindische Schmierereien sieht, sollte man glauben, daß die ganze
Zeitschrift eine Mhstifikntion sei, oder daß die Redaktion einmal hätte ver¬
suchen wollen, was sich das dumme Publikum wohl in Bezug ans gewalt¬
sames Zurückschrauben aller Knnstanschcmungeu auf eine roh-primitive Stufe
bieten läßt. Ich hatte Leistikow bisher für einen ernsthaften Künstler
gehalten.

Wir stehen am Ende einer langen Musterung, in der wir allerdings mir
die künstlerischen und poetischen Leistungen der neuen Zeitschrift besprochen


Die Genossenschaft j)an und die cillermodernste Kunst

Franzosen hin und her. Eine mehrmals wiederholte „Zierleiste," in der die
Leser des „Pan" in drei Tönen, schwarz, grau und weiß dargestellt sind,
macht, wenn man sie uach einiger Anstrengung verstanden hat, den Eindruck
einer Versammlung von Verrückten bei bengalischer Beleuchtung. Auch der
kunstgewerbliche Entwurf einer klotzigen Tapete mit einer geballten Hand und
dem Motto „Ehrlich währt am längsten" wird wenig Bewundrer finden. Eine
schwächlich archaistische bunte Lithographie von Otto Eckmann: „Wenn der
Frühling kommt," zeigt, daß selbst der alte Kranach in seinem Grabe vor
diesen Archaisten keine Ruhe hat.

Eine gesundere Art der Nachahmung spricht sich in den Zierleisten von
Peter Halm aus, die liebenswürdig, aber uicht gerade bedeutend sind, während
wieder Strathmann in seinen Illustrationen zu „Parzivals Ausfahrt" in manie-
rirten und ungesunden Archaismus verfällt. Was hat es für einen Zweck,
sich hineinzudenken, wie etwa ein Holzschneider des sechzehnten Jahrhunderts
ein Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts illustrirt haben würde? Wem ist
mit einer solchen Fiktion irgendwie gedient? Aber so geht es, wenn man den
Künstlern weismacht, auf den Naturalismus, d. h. das unmittelbare Strebe»
nach möglichster Illusion komme es in der Kunst nicht an, der Stil, d. h. die
durch persönlichen Geschmack und änßere Gesetze bestimmte Abänderung der
Natur sei das wesentliche.

Wieder eine andre Art von Anempsindmig und Nachahmung zeigt uns
der betriebsame Th. Th. Heine, der, wie schon erwähnt, seine ans den Flie¬
genden Blättern genugsam bekannten Bocksprünge auch hier aufzuführen für
passend hält. Mögen sich seine Bewundrer ruhig einbilden, daß das Heil
der deutschen Kunst in einer Nachahmung des Japanertums bestehe, mögen sie
jede Mode, die das Ausland aufbringt, getreulich mitmachen, heute die Fran¬
zosen, morgen die Engländer nachahmen, mögen sie meinetwegen wie Heine einen
ungenießbaren Brei von Japanismus, Franzosentum und Engländertum zu-
snmmenrühren. Ernsthafte Zeitschriften sollten doch derartige Witzchen als
das nehmen, was sie sind: alberne Modethorheiten, die der nächste Windhauch
wegfegt.

Den Vogel abgeschossen hat aber diesmal W. Leistikow mit seinen Vi¬
gnetten zu Rudhard Kiplings Seelenwanderungsgeschichte (S. 71 und 82). Wenn
man solche kindische Schmierereien sieht, sollte man glauben, daß die ganze
Zeitschrift eine Mhstifikntion sei, oder daß die Redaktion einmal hätte ver¬
suchen wollen, was sich das dumme Publikum wohl in Bezug ans gewalt¬
sames Zurückschrauben aller Knnstanschcmungeu auf eine roh-primitive Stufe
bieten läßt. Ich hatte Leistikow bisher für einen ernsthaften Künstler
gehalten.

Wir stehen am Ende einer langen Musterung, in der wir allerdings mir
die künstlerischen und poetischen Leistungen der neuen Zeitschrift besprochen


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[0236] Die Genossenschaft j)an und die cillermodernste Kunst Franzosen hin und her. Eine mehrmals wiederholte „Zierleiste," in der die Leser des „Pan" in drei Tönen, schwarz, grau und weiß dargestellt sind, macht, wenn man sie uach einiger Anstrengung verstanden hat, den Eindruck einer Versammlung von Verrückten bei bengalischer Beleuchtung. Auch der kunstgewerbliche Entwurf einer klotzigen Tapete mit einer geballten Hand und dem Motto „Ehrlich währt am längsten" wird wenig Bewundrer finden. Eine schwächlich archaistische bunte Lithographie von Otto Eckmann: „Wenn der Frühling kommt," zeigt, daß selbst der alte Kranach in seinem Grabe vor diesen Archaisten keine Ruhe hat. Eine gesundere Art der Nachahmung spricht sich in den Zierleisten von Peter Halm aus, die liebenswürdig, aber uicht gerade bedeutend sind, während wieder Strathmann in seinen Illustrationen zu „Parzivals Ausfahrt" in manie- rirten und ungesunden Archaismus verfällt. Was hat es für einen Zweck, sich hineinzudenken, wie etwa ein Holzschneider des sechzehnten Jahrhunderts ein Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts illustrirt haben würde? Wem ist mit einer solchen Fiktion irgendwie gedient? Aber so geht es, wenn man den Künstlern weismacht, auf den Naturalismus, d. h. das unmittelbare Strebe» nach möglichster Illusion komme es in der Kunst nicht an, der Stil, d. h. die durch persönlichen Geschmack und änßere Gesetze bestimmte Abänderung der Natur sei das wesentliche. Wieder eine andre Art von Anempsindmig und Nachahmung zeigt uns der betriebsame Th. Th. Heine, der, wie schon erwähnt, seine ans den Flie¬ genden Blättern genugsam bekannten Bocksprünge auch hier aufzuführen für passend hält. Mögen sich seine Bewundrer ruhig einbilden, daß das Heil der deutschen Kunst in einer Nachahmung des Japanertums bestehe, mögen sie jede Mode, die das Ausland aufbringt, getreulich mitmachen, heute die Fran¬ zosen, morgen die Engländer nachahmen, mögen sie meinetwegen wie Heine einen ungenießbaren Brei von Japanismus, Franzosentum und Engländertum zu- snmmenrühren. Ernsthafte Zeitschriften sollten doch derartige Witzchen als das nehmen, was sie sind: alberne Modethorheiten, die der nächste Windhauch wegfegt. Den Vogel abgeschossen hat aber diesmal W. Leistikow mit seinen Vi¬ gnetten zu Rudhard Kiplings Seelenwanderungsgeschichte (S. 71 und 82). Wenn man solche kindische Schmierereien sieht, sollte man glauben, daß die ganze Zeitschrift eine Mhstifikntion sei, oder daß die Redaktion einmal hätte ver¬ suchen wollen, was sich das dumme Publikum wohl in Bezug ans gewalt¬ sames Zurückschrauben aller Knnstanschcmungeu auf eine roh-primitive Stufe bieten läßt. Ich hatte Leistikow bisher für einen ernsthaften Künstler gehalten. Wir stehen am Ende einer langen Musterung, in der wir allerdings mir die künstlerischen und poetischen Leistungen der neuen Zeitschrift besprochen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/236>, abgerufen am 23.05.2024.