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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Jur Aenntnis der englischen Weltpolitik

missioner für Südafrika ernannt worden, der 1884 das Übereinkommen mit
Transvaal fertig gebracht und seitdem eine große Rolle als Teilnehmer in allen
möglichen südafrikanischen Finanzgeschäften gespielt hat. Es ist die Besieglung
des gegenwärtigen Zustandes, wo Rhodes mit den Geldmännern der über¬
mächtigen of lZgsrs LomMMis und der Britisch-südafrikanischen Gesellschaft
die innere und äußere Politik Südafrikas macht, die, wie selbst die ?loss
gesteht, aus sicherer Entfernung etwas Großartiges hat, in der Nähe aber
sehr gefährlich aussieht. Sie öffnet der Korruption alle Pforten und opfert
das angeblich heiß ersehnte Wohlergehen der Eingebornen der skrupelloser Geld-
macherei.

Wir wollen uns nicht verhehlen, daß auch für die beiden südafrikanischen
Freistaaten darin eine große Gefahr liegt; ihre Stärke war einst die purita¬
nische Einfachheit. Heute liefert Südafrika ein Fünftel der Goldausbeute der
Erde, seine Goldgewinnung hat sich in den letzten sieben Jahren versiebenfacht.
Über die Häfen der südafrikanischen Zollvereinigung wurden 1894 für 140 Mil¬
lionen Mark Gold, 63 Millionen Diamanten und 63 Millionen andrer Pro¬
dukte ausgeführt. Transvaal ist das gvldreichste unter den jetzt bearbeiteten
Gebieten. Die Minen von Witwatersrand, die noch nicht neun Jahre auf¬
geschlossen sind, haben bereits für eine halbe Milliarde Mark Gold geliefert.
Neun Zchnteile der gegenwärtig auf 150 Millionen Mark im Jahre geschätzten
südafrikanischen Goldproduktion stammen von dort. Hoffentlich wird dieser
Goldsegen vor allem die wirtschaftliche Selbständigkeit der beiden Freistaaten
immer mehr stärken. Es ist um so dringender zu wünschen, als auch hier das
Gold schon zersetzend zu wirken und den Segen der alten Einfachheit des
Kolonistenlebens zu vereiteln beginnt. Es ist nicht sehr hoffnungsvoll, daß
sich der Präsident, die Vertreter und die Beamten der Republik Gehalte außer
Verhältnis zu der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und den alten Lebens¬
gewohnheiten zugelegt haben. Die überwiegende Menge des Kapitals und der
geschulten Arbeitskräfte ans den Transvaalgoldfeldern ist aber englisch.

Das englische System, durch eine große, Weitschauende Verkehrspolitik die
Fäden politischer Netze in aller Stille zu spinnen und zu knüpfen, ist von den
Buren unter der vorsichtigen Leitung Krügers früh erkannt und bekämpft
worden. Sie haben sich bis aufs äußerste gegen die Hereinführung der Linien
vom Kap und besonders von Natal her gewehrt, die Transvaal dem eng¬
lischen System anschließen sollten, dagegen den Bau der Delagoabahn mit
allen Mitteln gefördert, da hier ein über den schmalen portugiesischen Streifen
führender, dem englischen Einfluß entzogner Weg zum Meere gegeben war.
Erst als diese Linie gesichert war, die durch die einst chronische, übrigens wieder
echt bauernhafte Geldnot im Burenland leider sehr verzögert worden war, deren
portugiesischen Anteil sie aber jetzt mit ihrem neuen Golde kaufen wollen,
durften auch die Engländer ihre längst bis zur Transvaalgrenze gebaute Linie


Jur Aenntnis der englischen Weltpolitik

missioner für Südafrika ernannt worden, der 1884 das Übereinkommen mit
Transvaal fertig gebracht und seitdem eine große Rolle als Teilnehmer in allen
möglichen südafrikanischen Finanzgeschäften gespielt hat. Es ist die Besieglung
des gegenwärtigen Zustandes, wo Rhodes mit den Geldmännern der über¬
mächtigen of lZgsrs LomMMis und der Britisch-südafrikanischen Gesellschaft
die innere und äußere Politik Südafrikas macht, die, wie selbst die ?loss
gesteht, aus sicherer Entfernung etwas Großartiges hat, in der Nähe aber
sehr gefährlich aussieht. Sie öffnet der Korruption alle Pforten und opfert
das angeblich heiß ersehnte Wohlergehen der Eingebornen der skrupelloser Geld-
macherei.

Wir wollen uns nicht verhehlen, daß auch für die beiden südafrikanischen
Freistaaten darin eine große Gefahr liegt; ihre Stärke war einst die purita¬
nische Einfachheit. Heute liefert Südafrika ein Fünftel der Goldausbeute der
Erde, seine Goldgewinnung hat sich in den letzten sieben Jahren versiebenfacht.
Über die Häfen der südafrikanischen Zollvereinigung wurden 1894 für 140 Mil¬
lionen Mark Gold, 63 Millionen Diamanten und 63 Millionen andrer Pro¬
dukte ausgeführt. Transvaal ist das gvldreichste unter den jetzt bearbeiteten
Gebieten. Die Minen von Witwatersrand, die noch nicht neun Jahre auf¬
geschlossen sind, haben bereits für eine halbe Milliarde Mark Gold geliefert.
Neun Zchnteile der gegenwärtig auf 150 Millionen Mark im Jahre geschätzten
südafrikanischen Goldproduktion stammen von dort. Hoffentlich wird dieser
Goldsegen vor allem die wirtschaftliche Selbständigkeit der beiden Freistaaten
immer mehr stärken. Es ist um so dringender zu wünschen, als auch hier das
Gold schon zersetzend zu wirken und den Segen der alten Einfachheit des
Kolonistenlebens zu vereiteln beginnt. Es ist nicht sehr hoffnungsvoll, daß
sich der Präsident, die Vertreter und die Beamten der Republik Gehalte außer
Verhältnis zu der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und den alten Lebens¬
gewohnheiten zugelegt haben. Die überwiegende Menge des Kapitals und der
geschulten Arbeitskräfte ans den Transvaalgoldfeldern ist aber englisch.

Das englische System, durch eine große, Weitschauende Verkehrspolitik die
Fäden politischer Netze in aller Stille zu spinnen und zu knüpfen, ist von den
Buren unter der vorsichtigen Leitung Krügers früh erkannt und bekämpft
worden. Sie haben sich bis aufs äußerste gegen die Hereinführung der Linien
vom Kap und besonders von Natal her gewehrt, die Transvaal dem eng¬
lischen System anschließen sollten, dagegen den Bau der Delagoabahn mit
allen Mitteln gefördert, da hier ein über den schmalen portugiesischen Streifen
führender, dem englischen Einfluß entzogner Weg zum Meere gegeben war.
Erst als diese Linie gesichert war, die durch die einst chronische, übrigens wieder
echt bauernhafte Geldnot im Burenland leider sehr verzögert worden war, deren
portugiesischen Anteil sie aber jetzt mit ihrem neuen Golde kaufen wollen,
durften auch die Engländer ihre längst bis zur Transvaalgrenze gebaute Linie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/24>, abgerufen am 12.05.2024.