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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der erste Beste

daraus werden? Da ging ja wohl die Welt unter. Mamselling schien aber
nichts dergleichen zu befürchten. Mit dem heitersten Gleichmut, als ob das
schon seit zehn Jahren so ihm Gange wäre, plauderte und hantirte sie da
mit der Herrin zusammen. Nu, da konnte es die Stine ja auch beim Achsel¬
zucken bewenden lassen. --

Kurz vor zwölf kam Fritz heim.

Auf dein Flur traf er mit Haus und den Jünglingen zusammen, die
gerade hinaufgingen, um sich zu Tische "menschlich" zu machen.

Die Begrüßung zwischen den Brüdern war weniger harmlos als sonst.
Eine fremde, strenge Falte zog Fritzens Augenbrauen zusammen.

Tag, Alter, sagte Hans etwas beklommen und kam die eben erstiegenen
Stufen wieder hinunter. Der gestrige böse Abend lag ihm noch in den
Gliedern. Er schüttelte des Bruders Hand länger und kräftiger als gewöhn¬
lich. - Na? Alles nach Wunsch?

Hin, machte Fritz. -- Hast du -- er deutete mit dem Kopf nach Mar¬
garetens Zimmer.

Gewiß, versicherte der andre halblaut, eifrig. Er horchte einen Augen¬
blick nach oben, wo sich die Tritte der beiden jungen Leute über die Stiege
hin verloren. -- Sie war sehr lieb, fuhr er dann eben so leise fort. Es ist
alles in Ordnung. Mach nur du nun auch wieder dein altes Gesicht.

Wilts versuchen, brummte Fritz.

In der geöffneten Küchenthür erschien jetzt Margarete. Sie hatte eilig
hinausgewollt, sich umzuziehen, und stand nun unerwarteterweise den Brüdern
gegenüber, die sie nicht hatte kommen hören. Ihr heißes Gesichtchen wurde
noch röter, und völlig verwirrt blieb sie auf der Schwelle stehen. Aber gleich
hatte sie sich gefaßt. Nichts merken lassen, dachte sie schnell, gar nicht so
thun, als wenn irgend ein Abschnitt oder so --

Guten Tag. Fritz, guten Tag, Hans, sagte sie ruhig und freundlich und
gab beiden die Hand.

Fritz betrachtete sie erstaunt.

Du siehst ja so heiß aus. Kind -- er strich ihr leicht über die Wange.
Du glühst förmlich. Was hast du gemacht?

Margarete lächelte verlegen.

Nichts besondres. Ich habe nur gerade mit Mamselling -- aber wie
lst es denn mit deinem Pferdelaus geworden? Hast du sie bekommen? Sind
W schön? Sind sie schon da?

Ja, sie sind schön, antwortete Fritz mechanisch, indem er sie unverwandt
betrachtete. Sie kommen heute Nachmittag -- sag mir nur --

Margarete legte ihm schnell eine Hand auf den Arm; eine leichte, zag¬
hafte Hand, aber sie unterbrach ihn damit doch.

Wollt ihr euch aber nicht beide erst ein bischen schön machen? fragte sie
und schüchternem, sehr lieblichem Lächeln. Nach deinen Stiefeln zu urteilen,
Hans, kommst du geradenwegs aus der Lehmkuhle.

Komm ich auch. Wetter nochmal, ja -- er betrachtete lachend die ge¬
trocknete Kruste, die seine hohen Schmierstiefel verzierte. Ich wollte ja auch
gerade -- also hopp!

In langen Sätzen sprang er die Stufen hinauf.

Fritz folgte ihm, langsam, zögernd. Er hatte noch etwas fragen wollen,
aber vor Margaretens scheu bittendem Blick doch wieder die Lippen geschlossen.


Der erste Beste

daraus werden? Da ging ja wohl die Welt unter. Mamselling schien aber
nichts dergleichen zu befürchten. Mit dem heitersten Gleichmut, als ob das
schon seit zehn Jahren so ihm Gange wäre, plauderte und hantirte sie da
mit der Herrin zusammen. Nu, da konnte es die Stine ja auch beim Achsel¬
zucken bewenden lassen. —

Kurz vor zwölf kam Fritz heim.

Auf dein Flur traf er mit Haus und den Jünglingen zusammen, die
gerade hinaufgingen, um sich zu Tische „menschlich" zu machen.

Die Begrüßung zwischen den Brüdern war weniger harmlos als sonst.
Eine fremde, strenge Falte zog Fritzens Augenbrauen zusammen.

Tag, Alter, sagte Hans etwas beklommen und kam die eben erstiegenen
Stufen wieder hinunter. Der gestrige böse Abend lag ihm noch in den
Gliedern. Er schüttelte des Bruders Hand länger und kräftiger als gewöhn¬
lich. - Na? Alles nach Wunsch?

Hin, machte Fritz. — Hast du — er deutete mit dem Kopf nach Mar¬
garetens Zimmer.

Gewiß, versicherte der andre halblaut, eifrig. Er horchte einen Augen¬
blick nach oben, wo sich die Tritte der beiden jungen Leute über die Stiege
hin verloren. — Sie war sehr lieb, fuhr er dann eben so leise fort. Es ist
alles in Ordnung. Mach nur du nun auch wieder dein altes Gesicht.

Wilts versuchen, brummte Fritz.

In der geöffneten Küchenthür erschien jetzt Margarete. Sie hatte eilig
hinausgewollt, sich umzuziehen, und stand nun unerwarteterweise den Brüdern
gegenüber, die sie nicht hatte kommen hören. Ihr heißes Gesichtchen wurde
noch röter, und völlig verwirrt blieb sie auf der Schwelle stehen. Aber gleich
hatte sie sich gefaßt. Nichts merken lassen, dachte sie schnell, gar nicht so
thun, als wenn irgend ein Abschnitt oder so —

Guten Tag. Fritz, guten Tag, Hans, sagte sie ruhig und freundlich und
gab beiden die Hand.

Fritz betrachtete sie erstaunt.

Du siehst ja so heiß aus. Kind — er strich ihr leicht über die Wange.
Du glühst förmlich. Was hast du gemacht?

Margarete lächelte verlegen.

Nichts besondres. Ich habe nur gerade mit Mamselling — aber wie
lst es denn mit deinem Pferdelaus geworden? Hast du sie bekommen? Sind
W schön? Sind sie schon da?

Ja, sie sind schön, antwortete Fritz mechanisch, indem er sie unverwandt
betrachtete. Sie kommen heute Nachmittag — sag mir nur —

Margarete legte ihm schnell eine Hand auf den Arm; eine leichte, zag¬
hafte Hand, aber sie unterbrach ihn damit doch.

Wollt ihr euch aber nicht beide erst ein bischen schön machen? fragte sie
und schüchternem, sehr lieblichem Lächeln. Nach deinen Stiefeln zu urteilen,
Hans, kommst du geradenwegs aus der Lehmkuhle.

Komm ich auch. Wetter nochmal, ja — er betrachtete lachend die ge¬
trocknete Kruste, die seine hohen Schmierstiefel verzierte. Ich wollte ja auch
gerade — also hopp!

In langen Sätzen sprang er die Stufen hinauf.

Fritz folgte ihm, langsam, zögernd. Er hatte noch etwas fragen wollen,
aber vor Margaretens scheu bittendem Blick doch wieder die Lippen geschlossen.


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[0055] Der erste Beste daraus werden? Da ging ja wohl die Welt unter. Mamselling schien aber nichts dergleichen zu befürchten. Mit dem heitersten Gleichmut, als ob das schon seit zehn Jahren so ihm Gange wäre, plauderte und hantirte sie da mit der Herrin zusammen. Nu, da konnte es die Stine ja auch beim Achsel¬ zucken bewenden lassen. — Kurz vor zwölf kam Fritz heim. Auf dein Flur traf er mit Haus und den Jünglingen zusammen, die gerade hinaufgingen, um sich zu Tische „menschlich" zu machen. Die Begrüßung zwischen den Brüdern war weniger harmlos als sonst. Eine fremde, strenge Falte zog Fritzens Augenbrauen zusammen. Tag, Alter, sagte Hans etwas beklommen und kam die eben erstiegenen Stufen wieder hinunter. Der gestrige böse Abend lag ihm noch in den Gliedern. Er schüttelte des Bruders Hand länger und kräftiger als gewöhn¬ lich. - Na? Alles nach Wunsch? Hin, machte Fritz. — Hast du — er deutete mit dem Kopf nach Mar¬ garetens Zimmer. Gewiß, versicherte der andre halblaut, eifrig. Er horchte einen Augen¬ blick nach oben, wo sich die Tritte der beiden jungen Leute über die Stiege hin verloren. — Sie war sehr lieb, fuhr er dann eben so leise fort. Es ist alles in Ordnung. Mach nur du nun auch wieder dein altes Gesicht. Wilts versuchen, brummte Fritz. In der geöffneten Küchenthür erschien jetzt Margarete. Sie hatte eilig hinausgewollt, sich umzuziehen, und stand nun unerwarteterweise den Brüdern gegenüber, die sie nicht hatte kommen hören. Ihr heißes Gesichtchen wurde noch röter, und völlig verwirrt blieb sie auf der Schwelle stehen. Aber gleich hatte sie sich gefaßt. Nichts merken lassen, dachte sie schnell, gar nicht so thun, als wenn irgend ein Abschnitt oder so — Guten Tag. Fritz, guten Tag, Hans, sagte sie ruhig und freundlich und gab beiden die Hand. Fritz betrachtete sie erstaunt. Du siehst ja so heiß aus. Kind — er strich ihr leicht über die Wange. Du glühst förmlich. Was hast du gemacht? Margarete lächelte verlegen. Nichts besondres. Ich habe nur gerade mit Mamselling — aber wie lst es denn mit deinem Pferdelaus geworden? Hast du sie bekommen? Sind W schön? Sind sie schon da? Ja, sie sind schön, antwortete Fritz mechanisch, indem er sie unverwandt betrachtete. Sie kommen heute Nachmittag — sag mir nur — Margarete legte ihm schnell eine Hand auf den Arm; eine leichte, zag¬ hafte Hand, aber sie unterbrach ihn damit doch. Wollt ihr euch aber nicht beide erst ein bischen schön machen? fragte sie und schüchternem, sehr lieblichem Lächeln. Nach deinen Stiefeln zu urteilen, Hans, kommst du geradenwegs aus der Lehmkuhle. Komm ich auch. Wetter nochmal, ja — er betrachtete lachend die ge¬ trocknete Kruste, die seine hohen Schmierstiefel verzierte. Ich wollte ja auch gerade — also hopp! In langen Sätzen sprang er die Stufen hinauf. Fritz folgte ihm, langsam, zögernd. Er hatte noch etwas fragen wollen, aber vor Margaretens scheu bittendem Blick doch wieder die Lippen geschlossen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/55>, abgerufen am 12.05.2024.