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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der ewige Jude und der Teufel

anfänglich auch wahrend seines diesmaligen Erdengaugs nicht darnach, daß er
die Erlösung verdiente. Aber der moderne Dichter geht davon aus, daß der
Gedanke der ewigen Verdammnis, der Unmöglichkeit, sich in einer oder der
andern Weise vom Fluch zu befreien, für ein wohlgeschaffnes Gemüt schlechthin
unerträglich sei. Rohrscheidt müßte an der Güte Gottes zweifeln, wenn sie zu
ewger Nacht verdammen kann, was einst im Licht gewandelt ist, und hat dann
die Vision, daß sich Satan, tückischer und trotziger denn je, zu einem neuen An¬
lauf rüstet, um der Erde, deren Menschen neuerdings so trefflich eingeteufelt
sind, vollends Herr zu werden. Da erscheint aber dem alten bösen Feind ein
Engel Gottes und verkündet ihm, daß er vom Throne des Vaters und der
Herrlichkeit des Lichts verbannt bleiben werde.

dann werde Satan wieder wie vordem Gottes Kind sein. Begreiflich, daß
dem Höllenfürsten zu Mute ist wie einem entarteten Prinzen, dem soeben
die Aussicht eröffnet worden ist, daß er als Riemer- oder Wagnerlehrling mit
der Zeit noch ein ganz braver Geselle werden könne. Wie aber ein prinzlicher
Galgenstrick dabei immer noch die zunächst winkende Liebschaft mit der Meisters¬
tochter ganz annehmbar finden wird, so macht sich auch der Teufel auf den
Weg, um vorerst einmal ein gutes und schönes Menschenkind zu verführen.
Das gelingt ihm auch in kurzer Zeit; Schön Elfe füllt dem Unwiderstehlichen
in die Arme, und Satan fährt lachend ab, hinterläßt Elfe ein Töchterlein und
den Stachel der Sorge und des bekümmerten Argwohns im Herzen, der sich
mit den ablaufenden Tagen und Jahren immer tiefer bohrt. Während Elfe
sich härmt, ihr Kind heranwächst und mit der Kraft seines Gebets dem Ahn¬
herrn, der durch frevlerischen Trotz eine Art Ahasver geworden ist, zur Selig¬
keit des längst ersehnten Todes verhilft, stürmt Satan weiter in die Welt
hinaus und in der Welt umher und facht all das höllische Feuer an, von
dem wir umlodert und bedroht sind. Je hoffnungsloser die Erfüllung des


Der ewige Jude und der Teufel

anfänglich auch wahrend seines diesmaligen Erdengaugs nicht darnach, daß er
die Erlösung verdiente. Aber der moderne Dichter geht davon aus, daß der
Gedanke der ewigen Verdammnis, der Unmöglichkeit, sich in einer oder der
andern Weise vom Fluch zu befreien, für ein wohlgeschaffnes Gemüt schlechthin
unerträglich sei. Rohrscheidt müßte an der Güte Gottes zweifeln, wenn sie zu
ewger Nacht verdammen kann, was einst im Licht gewandelt ist, und hat dann
die Vision, daß sich Satan, tückischer und trotziger denn je, zu einem neuen An¬
lauf rüstet, um der Erde, deren Menschen neuerdings so trefflich eingeteufelt
sind, vollends Herr zu werden. Da erscheint aber dem alten bösen Feind ein
Engel Gottes und verkündet ihm, daß er vom Throne des Vaters und der
Herrlichkeit des Lichts verbannt bleiben werde.

dann werde Satan wieder wie vordem Gottes Kind sein. Begreiflich, daß
dem Höllenfürsten zu Mute ist wie einem entarteten Prinzen, dem soeben
die Aussicht eröffnet worden ist, daß er als Riemer- oder Wagnerlehrling mit
der Zeit noch ein ganz braver Geselle werden könne. Wie aber ein prinzlicher
Galgenstrick dabei immer noch die zunächst winkende Liebschaft mit der Meisters¬
tochter ganz annehmbar finden wird, so macht sich auch der Teufel auf den
Weg, um vorerst einmal ein gutes und schönes Menschenkind zu verführen.
Das gelingt ihm auch in kurzer Zeit; Schön Elfe füllt dem Unwiderstehlichen
in die Arme, und Satan fährt lachend ab, hinterläßt Elfe ein Töchterlein und
den Stachel der Sorge und des bekümmerten Argwohns im Herzen, der sich
mit den ablaufenden Tagen und Jahren immer tiefer bohrt. Während Elfe
sich härmt, ihr Kind heranwächst und mit der Kraft seines Gebets dem Ahn¬
herrn, der durch frevlerischen Trotz eine Art Ahasver geworden ist, zur Selig¬
keit des längst ersehnten Todes verhilft, stürmt Satan weiter in die Welt
hinaus und in der Welt umher und facht all das höllische Feuer an, von
dem wir umlodert und bedroht sind. Je hoffnungsloser die Erfüllung des


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[0083] Der ewige Jude und der Teufel anfänglich auch wahrend seines diesmaligen Erdengaugs nicht darnach, daß er die Erlösung verdiente. Aber der moderne Dichter geht davon aus, daß der Gedanke der ewigen Verdammnis, der Unmöglichkeit, sich in einer oder der andern Weise vom Fluch zu befreien, für ein wohlgeschaffnes Gemüt schlechthin unerträglich sei. Rohrscheidt müßte an der Güte Gottes zweifeln, wenn sie zu ewger Nacht verdammen kann, was einst im Licht gewandelt ist, und hat dann die Vision, daß sich Satan, tückischer und trotziger denn je, zu einem neuen An¬ lauf rüstet, um der Erde, deren Menschen neuerdings so trefflich eingeteufelt sind, vollends Herr zu werden. Da erscheint aber dem alten bösen Feind ein Engel Gottes und verkündet ihm, daß er vom Throne des Vaters und der Herrlichkeit des Lichts verbannt bleiben werde. dann werde Satan wieder wie vordem Gottes Kind sein. Begreiflich, daß dem Höllenfürsten zu Mute ist wie einem entarteten Prinzen, dem soeben die Aussicht eröffnet worden ist, daß er als Riemer- oder Wagnerlehrling mit der Zeit noch ein ganz braver Geselle werden könne. Wie aber ein prinzlicher Galgenstrick dabei immer noch die zunächst winkende Liebschaft mit der Meisters¬ tochter ganz annehmbar finden wird, so macht sich auch der Teufel auf den Weg, um vorerst einmal ein gutes und schönes Menschenkind zu verführen. Das gelingt ihm auch in kurzer Zeit; Schön Elfe füllt dem Unwiderstehlichen in die Arme, und Satan fährt lachend ab, hinterläßt Elfe ein Töchterlein und den Stachel der Sorge und des bekümmerten Argwohns im Herzen, der sich mit den ablaufenden Tagen und Jahren immer tiefer bohrt. Während Elfe sich härmt, ihr Kind heranwächst und mit der Kraft seines Gebets dem Ahn¬ herrn, der durch frevlerischen Trotz eine Art Ahasver geworden ist, zur Selig¬ keit des längst ersehnten Todes verhilft, stürmt Satan weiter in die Welt hinaus und in der Welt umher und facht all das höllische Feuer an, von dem wir umlodert und bedroht sind. Je hoffnungsloser die Erfüllung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/83>, abgerufen am 06.06.2024.