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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zum Börsengesetzentwurf

zulcissungsstelle errichten, bestehend aus zwanzig vom Bundesrat gewählten
Mitgliedern, die über die Zulassung ausländischer Wertpapiere zum Börsen-
Handel beschließen soll. Diese Zentralisirung soll die Erledigung erleichtern
und eine bessere Bürgschaft dafür bieten, daß schlechte ausländische Effekten
uicht zugelassen werden. Glücklicherweise ist dieser Antrag, der das deutsche
Börsengeschüft in ausländischen Werten einfach lahm legen würde, von den
verbündeten Regierungen wie aus der Mitte der Kommission entschieden zurück¬
gewiesen worden. Es wurde auf die Erschwerung hingewiesen, die entsteht,
wenn die Zulassung für ein Papier, das z. B. nur an die Hamburger Börse
kommen soll, in Berlin nachgesucht werden muß. Ferner wurde betont, daß
die Art der Zusammensetzung jener Zentralstelle den Bundesrat mit einer
unerträglichen Verantwortung belaste, und daß die Annahme des Antrags zu
einer durchaus unerwünschten Vermehrung des Übergewichts der Berliner Börse
sichren würde. Vor allem aber kann kein Zweifel darüber sein, daß der Vor¬
schlag praktisch gar nicht durchführbar ist, ohne die deutsche Emissionsthätig¬
keit in ausländischen Effekten zu vernichten. Hoffentlich macht Graf Kanitz,
der in der Kommission den Antrag zurückzog, von dem Vorbehalt, ihn im
Plenum wieder einzubringen, keinen Gebrauch. Daß der Reichstag diesem
Antrag zustimmen sollte, ist wohl ausgeschlossen.

Die wichtige Frage der Haftung der Emissionshäuser hat im Laufe der
Entstehung des Börsengesetzes eigentümliche Wandlungen durchgemacht. Die
Börsenenquetekommission gründete die Haftung auf höfliches Verhalten der
Emittenten, der Börsengesetzentwurf auf grobes Verschulden, und die Neichs-
tagskommission in der ersten Lesung gar auf die Verletzung der Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns. Daß diese Ausdehnung der Haftung zu weit geht, ist
in dem Bericht der Börsenenquete und besonders in den Motiven des Entwurfs
schlagend nachgewiesen. Wie soll der Richter nach vier bis fünf Jahren zuverlässig
feststellen, ob bei Erlaß eines Prospekts das Emissionshaus bei der Prüfung der
Angaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Verfahren sei? Auch
der Richter ist von subjektiven Erwägungen abhängig und wird unter dem Ein¬
druck einer inzwischen eingetretnen Katastrophe leicht geneigt sein, einen falschen
Maßstab an die von dem Emittenten zu verlangende Sorgfalt zu legen, Diese
Gefahr ist bei den oft sehr hohen Beträgen von Emissionen ausländischer
Wertpapiere so groß, daß sich gerade die angesehensten Emissionsfirmen von
der Emissivnsthütigkeit an deutschen Börsen zurückhalten würden. Was würde
aber dann die Folge sein? Die Emission geschähe in London, Paris oder
Brüssel, die Papiere kämen mit Umgebung der deutschen Börsen ins Publikum,
und eine Haftung im Sinne des § 41 wäre überhaupt nicht vorhanden, dn die
Grundlage, der Prospekt, fehlt. Man darf also Wohl annehmen, daß der
Reichstag den von seiner Kommission in der zweiten Lesung gefaßten Beschluß,
der die Vorlage wiederherstellt, gutheißen wird.


Zum Börsengesetzentwurf

zulcissungsstelle errichten, bestehend aus zwanzig vom Bundesrat gewählten
Mitgliedern, die über die Zulassung ausländischer Wertpapiere zum Börsen-
Handel beschließen soll. Diese Zentralisirung soll die Erledigung erleichtern
und eine bessere Bürgschaft dafür bieten, daß schlechte ausländische Effekten
uicht zugelassen werden. Glücklicherweise ist dieser Antrag, der das deutsche
Börsengeschüft in ausländischen Werten einfach lahm legen würde, von den
verbündeten Regierungen wie aus der Mitte der Kommission entschieden zurück¬
gewiesen worden. Es wurde auf die Erschwerung hingewiesen, die entsteht,
wenn die Zulassung für ein Papier, das z. B. nur an die Hamburger Börse
kommen soll, in Berlin nachgesucht werden muß. Ferner wurde betont, daß
die Art der Zusammensetzung jener Zentralstelle den Bundesrat mit einer
unerträglichen Verantwortung belaste, und daß die Annahme des Antrags zu
einer durchaus unerwünschten Vermehrung des Übergewichts der Berliner Börse
sichren würde. Vor allem aber kann kein Zweifel darüber sein, daß der Vor¬
schlag praktisch gar nicht durchführbar ist, ohne die deutsche Emissionsthätig¬
keit in ausländischen Effekten zu vernichten. Hoffentlich macht Graf Kanitz,
der in der Kommission den Antrag zurückzog, von dem Vorbehalt, ihn im
Plenum wieder einzubringen, keinen Gebrauch. Daß der Reichstag diesem
Antrag zustimmen sollte, ist wohl ausgeschlossen.

Die wichtige Frage der Haftung der Emissionshäuser hat im Laufe der
Entstehung des Börsengesetzes eigentümliche Wandlungen durchgemacht. Die
Börsenenquetekommission gründete die Haftung auf höfliches Verhalten der
Emittenten, der Börsengesetzentwurf auf grobes Verschulden, und die Neichs-
tagskommission in der ersten Lesung gar auf die Verletzung der Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns. Daß diese Ausdehnung der Haftung zu weit geht, ist
in dem Bericht der Börsenenquete und besonders in den Motiven des Entwurfs
schlagend nachgewiesen. Wie soll der Richter nach vier bis fünf Jahren zuverlässig
feststellen, ob bei Erlaß eines Prospekts das Emissionshaus bei der Prüfung der
Angaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Verfahren sei? Auch
der Richter ist von subjektiven Erwägungen abhängig und wird unter dem Ein¬
druck einer inzwischen eingetretnen Katastrophe leicht geneigt sein, einen falschen
Maßstab an die von dem Emittenten zu verlangende Sorgfalt zu legen, Diese
Gefahr ist bei den oft sehr hohen Beträgen von Emissionen ausländischer
Wertpapiere so groß, daß sich gerade die angesehensten Emissionsfirmen von
der Emissivnsthütigkeit an deutschen Börsen zurückhalten würden. Was würde
aber dann die Folge sein? Die Emission geschähe in London, Paris oder
Brüssel, die Papiere kämen mit Umgebung der deutschen Börsen ins Publikum,
und eine Haftung im Sinne des § 41 wäre überhaupt nicht vorhanden, dn die
Grundlage, der Prospekt, fehlt. Man darf also Wohl annehmen, daß der
Reichstag den von seiner Kommission in der zweiten Lesung gefaßten Beschluß,
der die Vorlage wiederherstellt, gutheißen wird.


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[0204] Zum Börsengesetzentwurf zulcissungsstelle errichten, bestehend aus zwanzig vom Bundesrat gewählten Mitgliedern, die über die Zulassung ausländischer Wertpapiere zum Börsen- Handel beschließen soll. Diese Zentralisirung soll die Erledigung erleichtern und eine bessere Bürgschaft dafür bieten, daß schlechte ausländische Effekten uicht zugelassen werden. Glücklicherweise ist dieser Antrag, der das deutsche Börsengeschüft in ausländischen Werten einfach lahm legen würde, von den verbündeten Regierungen wie aus der Mitte der Kommission entschieden zurück¬ gewiesen worden. Es wurde auf die Erschwerung hingewiesen, die entsteht, wenn die Zulassung für ein Papier, das z. B. nur an die Hamburger Börse kommen soll, in Berlin nachgesucht werden muß. Ferner wurde betont, daß die Art der Zusammensetzung jener Zentralstelle den Bundesrat mit einer unerträglichen Verantwortung belaste, und daß die Annahme des Antrags zu einer durchaus unerwünschten Vermehrung des Übergewichts der Berliner Börse sichren würde. Vor allem aber kann kein Zweifel darüber sein, daß der Vor¬ schlag praktisch gar nicht durchführbar ist, ohne die deutsche Emissionsthätig¬ keit in ausländischen Effekten zu vernichten. Hoffentlich macht Graf Kanitz, der in der Kommission den Antrag zurückzog, von dem Vorbehalt, ihn im Plenum wieder einzubringen, keinen Gebrauch. Daß der Reichstag diesem Antrag zustimmen sollte, ist wohl ausgeschlossen. Die wichtige Frage der Haftung der Emissionshäuser hat im Laufe der Entstehung des Börsengesetzes eigentümliche Wandlungen durchgemacht. Die Börsenenquetekommission gründete die Haftung auf höfliches Verhalten der Emittenten, der Börsengesetzentwurf auf grobes Verschulden, und die Neichs- tagskommission in der ersten Lesung gar auf die Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Daß diese Ausdehnung der Haftung zu weit geht, ist in dem Bericht der Börsenenquete und besonders in den Motiven des Entwurfs schlagend nachgewiesen. Wie soll der Richter nach vier bis fünf Jahren zuverlässig feststellen, ob bei Erlaß eines Prospekts das Emissionshaus bei der Prüfung der Angaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Verfahren sei? Auch der Richter ist von subjektiven Erwägungen abhängig und wird unter dem Ein¬ druck einer inzwischen eingetretnen Katastrophe leicht geneigt sein, einen falschen Maßstab an die von dem Emittenten zu verlangende Sorgfalt zu legen, Diese Gefahr ist bei den oft sehr hohen Beträgen von Emissionen ausländischer Wertpapiere so groß, daß sich gerade die angesehensten Emissionsfirmen von der Emissivnsthütigkeit an deutschen Börsen zurückhalten würden. Was würde aber dann die Folge sein? Die Emission geschähe in London, Paris oder Brüssel, die Papiere kämen mit Umgebung der deutschen Börsen ins Publikum, und eine Haftung im Sinne des § 41 wäre überhaupt nicht vorhanden, dn die Grundlage, der Prospekt, fehlt. Man darf also Wohl annehmen, daß der Reichstag den von seiner Kommission in der zweiten Lesung gefaßten Beschluß, der die Vorlage wiederherstellt, gutheißen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/204>, abgerufen am 26.05.2024.