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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zum Börsengesetzentwurf

Ein besonders heftiger Kampf entbrannte, wie vorauszusehen war, über
den Börsenterminhcmdel. Der Entwurf legt mit Recht den Hauptnachdruck
darauf, die Bedingungen und Voraussetzungen für den Terminhandel sach¬
gemäßer zu regeln, als es bisher zum Teil der Fall war, und giebt in dieser
Beziehung dem Bundesrat weitgehende Befugnisse. Daneben soll das Börsen¬
register für Fernhaltung ungeeigneter Leute sorgen. Die Reichstagskommission
ging in der ersten Lesung einen ganz andern Weg, indem sie geradezu eine
Reihe von Verboten in das Gesetz aufnahm. Untersagt werden sollte der
Terminhandel in Kammzug und andern Halb- und Ganzfabrikaten der Textil¬
industrie, in Getreide und Getreidefabrikaten, endlich in Bergwerks- und Jn-
dustriepapieren. In der zweiten Lesung ist davon nur das Verbot des Termin¬
handels "in Anteilen von Bergwerks- und Fabrikunternehmungen" übrig ge¬
blieben. Es wäre zu wünschen, daß der Reichstag auch dies Verbot beseitigte.
Es ist gar nicht einzusehen, weshalb man nicht zu dem Bundesrat das Ver¬
trauen haben will, daß er von seinen Befugnissen den richtigen Gebrauch machen
werde. Die Fragen, um die sichs hier handelt, sind noch keineswegs hin¬
reichend geklärt. Selbst über den seit Jahren heftig bekämpften Kammzug¬
terminhandel gehen in den Interessentenkreisen selbst die Meinungen noch weit
auseinander, wie die vor einigen Monaten im Neichsamt des Innern ver¬
anstaltete Enanetc beweist. Für das Verbot des Getreideterminhcmdcls legen
sich neuerdings besonders die Agrarier ins Zeug. Dabei wird immer wieder
die thörichte Behauptung wiederholt, daß der Terminhandel als solcher die
Getreidepreise künstlich drücke. Das könnte aber nur dann geschehe", wenn
das im Termin lieferbare Getreide besonders schlecht wäre, daher geringern
Wert hätte, und so der Preis des Getreides überhaupt auf das Niveau des
-- schlechtem -- Termingetreides herabgezogen würde. Nun sind aber die
Anforderungen an das im Termin lieferbare Getreide in Berlin keineswegs
zu niedrig bemessen, und jedenfalls wird in Zukunft der Bnndesrat dafür
sorgen, daß das Termingetreide einen angemessenen stMäarä hat. Das Termin¬
geschäft als solches hat durchaus nicht notwendig die Neigung zur Baisse.
Jedem Verkäufer muß ja ein Käufer, also ein Haussier, gegenüberstehen, und
der Baissier muß, um eine Differenz zu erzielen, später selbst zum Käufer
werden. Allmählich scheint man aber mit dem Worte "Blautoverkauf" den
Begriff zu verbinden, als wenn jemand immerzu verkaufen, dadurch die Preise
drücken und damit eine Menge Geld verdienen könnte, ohne sonst noch etwas
thun zu müssen. Anders läßt sich wenigstens der klassische Ausspruch (im
Kommissionsbericht) nicht erklären, daß "der Importeur jetzt naturgemäß
Baissier geworden sei, da er durch den mehrfachen Blankoverkauf das Viel¬
fache von dem zu gewinnen die Aussicht habe, was er an der effektiven Ware
verliere"! Dieser merkwürdige Importeur, der auf die Entwertung seiner eignen
Ware hinarbeitet, muß später doch alles das zurückkaufen, was er in bltmoo


Zum Börsengesetzentwurf

Ein besonders heftiger Kampf entbrannte, wie vorauszusehen war, über
den Börsenterminhcmdel. Der Entwurf legt mit Recht den Hauptnachdruck
darauf, die Bedingungen und Voraussetzungen für den Terminhandel sach¬
gemäßer zu regeln, als es bisher zum Teil der Fall war, und giebt in dieser
Beziehung dem Bundesrat weitgehende Befugnisse. Daneben soll das Börsen¬
register für Fernhaltung ungeeigneter Leute sorgen. Die Reichstagskommission
ging in der ersten Lesung einen ganz andern Weg, indem sie geradezu eine
Reihe von Verboten in das Gesetz aufnahm. Untersagt werden sollte der
Terminhandel in Kammzug und andern Halb- und Ganzfabrikaten der Textil¬
industrie, in Getreide und Getreidefabrikaten, endlich in Bergwerks- und Jn-
dustriepapieren. In der zweiten Lesung ist davon nur das Verbot des Termin¬
handels „in Anteilen von Bergwerks- und Fabrikunternehmungen" übrig ge¬
blieben. Es wäre zu wünschen, daß der Reichstag auch dies Verbot beseitigte.
Es ist gar nicht einzusehen, weshalb man nicht zu dem Bundesrat das Ver¬
trauen haben will, daß er von seinen Befugnissen den richtigen Gebrauch machen
werde. Die Fragen, um die sichs hier handelt, sind noch keineswegs hin¬
reichend geklärt. Selbst über den seit Jahren heftig bekämpften Kammzug¬
terminhandel gehen in den Interessentenkreisen selbst die Meinungen noch weit
auseinander, wie die vor einigen Monaten im Neichsamt des Innern ver¬
anstaltete Enanetc beweist. Für das Verbot des Getreideterminhcmdcls legen
sich neuerdings besonders die Agrarier ins Zeug. Dabei wird immer wieder
die thörichte Behauptung wiederholt, daß der Terminhandel als solcher die
Getreidepreise künstlich drücke. Das könnte aber nur dann geschehe», wenn
das im Termin lieferbare Getreide besonders schlecht wäre, daher geringern
Wert hätte, und so der Preis des Getreides überhaupt auf das Niveau des
— schlechtem — Termingetreides herabgezogen würde. Nun sind aber die
Anforderungen an das im Termin lieferbare Getreide in Berlin keineswegs
zu niedrig bemessen, und jedenfalls wird in Zukunft der Bnndesrat dafür
sorgen, daß das Termingetreide einen angemessenen stMäarä hat. Das Termin¬
geschäft als solches hat durchaus nicht notwendig die Neigung zur Baisse.
Jedem Verkäufer muß ja ein Käufer, also ein Haussier, gegenüberstehen, und
der Baissier muß, um eine Differenz zu erzielen, später selbst zum Käufer
werden. Allmählich scheint man aber mit dem Worte „Blautoverkauf" den
Begriff zu verbinden, als wenn jemand immerzu verkaufen, dadurch die Preise
drücken und damit eine Menge Geld verdienen könnte, ohne sonst noch etwas
thun zu müssen. Anders läßt sich wenigstens der klassische Ausspruch (im
Kommissionsbericht) nicht erklären, daß „der Importeur jetzt naturgemäß
Baissier geworden sei, da er durch den mehrfachen Blankoverkauf das Viel¬
fache von dem zu gewinnen die Aussicht habe, was er an der effektiven Ware
verliere"! Dieser merkwürdige Importeur, der auf die Entwertung seiner eignen
Ware hinarbeitet, muß später doch alles das zurückkaufen, was er in bltmoo


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[0205] Zum Börsengesetzentwurf Ein besonders heftiger Kampf entbrannte, wie vorauszusehen war, über den Börsenterminhcmdel. Der Entwurf legt mit Recht den Hauptnachdruck darauf, die Bedingungen und Voraussetzungen für den Terminhandel sach¬ gemäßer zu regeln, als es bisher zum Teil der Fall war, und giebt in dieser Beziehung dem Bundesrat weitgehende Befugnisse. Daneben soll das Börsen¬ register für Fernhaltung ungeeigneter Leute sorgen. Die Reichstagskommission ging in der ersten Lesung einen ganz andern Weg, indem sie geradezu eine Reihe von Verboten in das Gesetz aufnahm. Untersagt werden sollte der Terminhandel in Kammzug und andern Halb- und Ganzfabrikaten der Textil¬ industrie, in Getreide und Getreidefabrikaten, endlich in Bergwerks- und Jn- dustriepapieren. In der zweiten Lesung ist davon nur das Verbot des Termin¬ handels „in Anteilen von Bergwerks- und Fabrikunternehmungen" übrig ge¬ blieben. Es wäre zu wünschen, daß der Reichstag auch dies Verbot beseitigte. Es ist gar nicht einzusehen, weshalb man nicht zu dem Bundesrat das Ver¬ trauen haben will, daß er von seinen Befugnissen den richtigen Gebrauch machen werde. Die Fragen, um die sichs hier handelt, sind noch keineswegs hin¬ reichend geklärt. Selbst über den seit Jahren heftig bekämpften Kammzug¬ terminhandel gehen in den Interessentenkreisen selbst die Meinungen noch weit auseinander, wie die vor einigen Monaten im Neichsamt des Innern ver¬ anstaltete Enanetc beweist. Für das Verbot des Getreideterminhcmdcls legen sich neuerdings besonders die Agrarier ins Zeug. Dabei wird immer wieder die thörichte Behauptung wiederholt, daß der Terminhandel als solcher die Getreidepreise künstlich drücke. Das könnte aber nur dann geschehe», wenn das im Termin lieferbare Getreide besonders schlecht wäre, daher geringern Wert hätte, und so der Preis des Getreides überhaupt auf das Niveau des — schlechtem — Termingetreides herabgezogen würde. Nun sind aber die Anforderungen an das im Termin lieferbare Getreide in Berlin keineswegs zu niedrig bemessen, und jedenfalls wird in Zukunft der Bnndesrat dafür sorgen, daß das Termingetreide einen angemessenen stMäarä hat. Das Termin¬ geschäft als solches hat durchaus nicht notwendig die Neigung zur Baisse. Jedem Verkäufer muß ja ein Käufer, also ein Haussier, gegenüberstehen, und der Baissier muß, um eine Differenz zu erzielen, später selbst zum Käufer werden. Allmählich scheint man aber mit dem Worte „Blautoverkauf" den Begriff zu verbinden, als wenn jemand immerzu verkaufen, dadurch die Preise drücken und damit eine Menge Geld verdienen könnte, ohne sonst noch etwas thun zu müssen. Anders läßt sich wenigstens der klassische Ausspruch (im Kommissionsbericht) nicht erklären, daß „der Importeur jetzt naturgemäß Baissier geworden sei, da er durch den mehrfachen Blankoverkauf das Viel¬ fache von dem zu gewinnen die Aussicht habe, was er an der effektiven Ware verliere"! Dieser merkwürdige Importeur, der auf die Entwertung seiner eignen Ware hinarbeitet, muß später doch alles das zurückkaufen, was er in bltmoo

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/205>, abgerufen am 26.05.2024.