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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zeitungen, die das Vaterland lieben

genüge, und die Einstimmigkeit sei nicht erforderlich, nicht schon der Anlauf zu
einem solchen Bocksprünge?

Und wie nun gar, wenn sich England nach Empfang jenes ablehnenden
Beschlusses in offnem, zugestcmdnem Rechtsbruch darüber hinweggesetzt Hütte,
recht um vor allem seine Weltmacht und insbesondre die Macht in Ägypten
zu zeigen? Nach den jüngsten englischen Großthaten anderwärts muß mau
das für möglich halten. Was dann? Dann hätte Deutschland, um seine
Würde aufrecht zu erhalten, die Verwendung der Gelder mit Gewalt verhindern
müssen, oder es war gezwungen, den Rückzug anzutreten. Frankreich hat sich
anscheinend, trotz großer Worte, mutig für den Rückzug entschieden. Das ist
seine Sache und für uns kein Vorbild. Wir aber, konnten wir es vernünftiger -
weise wünschen, daß Deutschlands Ehre für eine Sache in die Wagschale ge¬
worfen wurde, bei der wir ganz unbeteiligt waren? Denn die deutschen
Gläubiger blieben unbeschädigt, und die Gewährleistung blieb vor Rückgriffen
geschützt, auch wenn jene Überschüsse, rechtswidrig, wenn man so will, aus
der Kasse gezogen wurden. Diese Fragen möchten wir einmal von den
deutscheu Zeitungen, denen wir diese Strafpredigt halten, beantwortet haben.

Und weiter: nehmen wir an, die Verwendung des Geldes wäre durch den
Widerspruch des Dreibundes thatsächlich verhindert morden; wäre dadurch
auch der Sudanfeldzng verhindert worden? Man mache sich doch klar, wie
geringfügig die Summe war, um die es sich handelte, und gleichzeitig, mit
welchem Überschuß der englische Staatshaushalt abschließt, und wie leicht die
Gelder für diesen Feldzug vom Parlament auch aus englischen Taschen zu
klangen gewesen wären, ohne daß es England mehr als einen Mückenstich
gefühlt hätte! Ja man muß es geradezu als eine unbegreifliche Verblendung
der englischen Staatsmänner, entsprungen aus einer Art von Geiz, ansehen,
daß sie die mangelnde Einstimmigkeit der Kommission nicht in dieser Weise
benutzt haben. Sie konnten, großmütig erscheinend, mit Nachdruck erklären,
daß der Feldzug unvermeidlich sei, und also nun auf englische Rechnung ge¬
führt werden müsse. Das wäre in Wahrheit ein Beweisgrund für ihr längeres
Verweilen in Ägypten gewesen, während sie jetzt in den Augen der Welt nichts
andres sind, als die gehorsamen Beamten Ägyptens. Die Engländer hatten
eine Gelegenheit, sich den Mantel der Uneigennützigkeit umzuhängen, ohne daß
die Heuchelei nachgewiesen werden konnte. Das hätte bei England einen
überraschenden Eindruck gemacht und doch nicht viel gekostet. Aber dies Wenige
war den Krämerseelen zu viel. Sie haben die Gelegenheit vorübergehen lassen.
Die Krämerseelen werden es bereuen. Von Deutschland aber wäre es nicht
klug gewesen, wenn es den Schleier wegziehen half. Denn die Engländer sind
unsre Feinde, und wir haben sie gern so verblendet, als sie nur immer sein
mögen. Auch wäre es von Deutschland nicht klug gewesen, wenn es in einer
nebensächlichen Frage, wo Deutschland nicht wirklich beteiligt war, England


Zeitungen, die das Vaterland lieben

genüge, und die Einstimmigkeit sei nicht erforderlich, nicht schon der Anlauf zu
einem solchen Bocksprünge?

Und wie nun gar, wenn sich England nach Empfang jenes ablehnenden
Beschlusses in offnem, zugestcmdnem Rechtsbruch darüber hinweggesetzt Hütte,
recht um vor allem seine Weltmacht und insbesondre die Macht in Ägypten
zu zeigen? Nach den jüngsten englischen Großthaten anderwärts muß mau
das für möglich halten. Was dann? Dann hätte Deutschland, um seine
Würde aufrecht zu erhalten, die Verwendung der Gelder mit Gewalt verhindern
müssen, oder es war gezwungen, den Rückzug anzutreten. Frankreich hat sich
anscheinend, trotz großer Worte, mutig für den Rückzug entschieden. Das ist
seine Sache und für uns kein Vorbild. Wir aber, konnten wir es vernünftiger -
weise wünschen, daß Deutschlands Ehre für eine Sache in die Wagschale ge¬
worfen wurde, bei der wir ganz unbeteiligt waren? Denn die deutschen
Gläubiger blieben unbeschädigt, und die Gewährleistung blieb vor Rückgriffen
geschützt, auch wenn jene Überschüsse, rechtswidrig, wenn man so will, aus
der Kasse gezogen wurden. Diese Fragen möchten wir einmal von den
deutscheu Zeitungen, denen wir diese Strafpredigt halten, beantwortet haben.

Und weiter: nehmen wir an, die Verwendung des Geldes wäre durch den
Widerspruch des Dreibundes thatsächlich verhindert morden; wäre dadurch
auch der Sudanfeldzng verhindert worden? Man mache sich doch klar, wie
geringfügig die Summe war, um die es sich handelte, und gleichzeitig, mit
welchem Überschuß der englische Staatshaushalt abschließt, und wie leicht die
Gelder für diesen Feldzug vom Parlament auch aus englischen Taschen zu
klangen gewesen wären, ohne daß es England mehr als einen Mückenstich
gefühlt hätte! Ja man muß es geradezu als eine unbegreifliche Verblendung
der englischen Staatsmänner, entsprungen aus einer Art von Geiz, ansehen,
daß sie die mangelnde Einstimmigkeit der Kommission nicht in dieser Weise
benutzt haben. Sie konnten, großmütig erscheinend, mit Nachdruck erklären,
daß der Feldzug unvermeidlich sei, und also nun auf englische Rechnung ge¬
führt werden müsse. Das wäre in Wahrheit ein Beweisgrund für ihr längeres
Verweilen in Ägypten gewesen, während sie jetzt in den Augen der Welt nichts
andres sind, als die gehorsamen Beamten Ägyptens. Die Engländer hatten
eine Gelegenheit, sich den Mantel der Uneigennützigkeit umzuhängen, ohne daß
die Heuchelei nachgewiesen werden konnte. Das hätte bei England einen
überraschenden Eindruck gemacht und doch nicht viel gekostet. Aber dies Wenige
war den Krämerseelen zu viel. Sie haben die Gelegenheit vorübergehen lassen.
Die Krämerseelen werden es bereuen. Von Deutschland aber wäre es nicht
klug gewesen, wenn es den Schleier wegziehen half. Denn die Engländer sind
unsre Feinde, und wir haben sie gern so verblendet, als sie nur immer sein
mögen. Auch wäre es von Deutschland nicht klug gewesen, wenn es in einer
nebensächlichen Frage, wo Deutschland nicht wirklich beteiligt war, England


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[0251] Zeitungen, die das Vaterland lieben genüge, und die Einstimmigkeit sei nicht erforderlich, nicht schon der Anlauf zu einem solchen Bocksprünge? Und wie nun gar, wenn sich England nach Empfang jenes ablehnenden Beschlusses in offnem, zugestcmdnem Rechtsbruch darüber hinweggesetzt Hütte, recht um vor allem seine Weltmacht und insbesondre die Macht in Ägypten zu zeigen? Nach den jüngsten englischen Großthaten anderwärts muß mau das für möglich halten. Was dann? Dann hätte Deutschland, um seine Würde aufrecht zu erhalten, die Verwendung der Gelder mit Gewalt verhindern müssen, oder es war gezwungen, den Rückzug anzutreten. Frankreich hat sich anscheinend, trotz großer Worte, mutig für den Rückzug entschieden. Das ist seine Sache und für uns kein Vorbild. Wir aber, konnten wir es vernünftiger - weise wünschen, daß Deutschlands Ehre für eine Sache in die Wagschale ge¬ worfen wurde, bei der wir ganz unbeteiligt waren? Denn die deutschen Gläubiger blieben unbeschädigt, und die Gewährleistung blieb vor Rückgriffen geschützt, auch wenn jene Überschüsse, rechtswidrig, wenn man so will, aus der Kasse gezogen wurden. Diese Fragen möchten wir einmal von den deutscheu Zeitungen, denen wir diese Strafpredigt halten, beantwortet haben. Und weiter: nehmen wir an, die Verwendung des Geldes wäre durch den Widerspruch des Dreibundes thatsächlich verhindert morden; wäre dadurch auch der Sudanfeldzng verhindert worden? Man mache sich doch klar, wie geringfügig die Summe war, um die es sich handelte, und gleichzeitig, mit welchem Überschuß der englische Staatshaushalt abschließt, und wie leicht die Gelder für diesen Feldzug vom Parlament auch aus englischen Taschen zu klangen gewesen wären, ohne daß es England mehr als einen Mückenstich gefühlt hätte! Ja man muß es geradezu als eine unbegreifliche Verblendung der englischen Staatsmänner, entsprungen aus einer Art von Geiz, ansehen, daß sie die mangelnde Einstimmigkeit der Kommission nicht in dieser Weise benutzt haben. Sie konnten, großmütig erscheinend, mit Nachdruck erklären, daß der Feldzug unvermeidlich sei, und also nun auf englische Rechnung ge¬ führt werden müsse. Das wäre in Wahrheit ein Beweisgrund für ihr längeres Verweilen in Ägypten gewesen, während sie jetzt in den Augen der Welt nichts andres sind, als die gehorsamen Beamten Ägyptens. Die Engländer hatten eine Gelegenheit, sich den Mantel der Uneigennützigkeit umzuhängen, ohne daß die Heuchelei nachgewiesen werden konnte. Das hätte bei England einen überraschenden Eindruck gemacht und doch nicht viel gekostet. Aber dies Wenige war den Krämerseelen zu viel. Sie haben die Gelegenheit vorübergehen lassen. Die Krämerseelen werden es bereuen. Von Deutschland aber wäre es nicht klug gewesen, wenn es den Schleier wegziehen half. Denn die Engländer sind unsre Feinde, und wir haben sie gern so verblendet, als sie nur immer sein mögen. Auch wäre es von Deutschland nicht klug gewesen, wenn es in einer nebensächlichen Frage, wo Deutschland nicht wirklich beteiligt war, England

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/251>, abgerufen am 25.05.2024.