Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das deutsche Reich und die Kurie

lichen Leitung, die Zerbrechung der Gewalt der Bischöfe, eine straffe Disziplin,
geeignet, das ganze römische Heer in den Orden und in der Seelsorge jedem
Winke aus Rom unmittelbar unterzuordnen. Die Niederlage der altgläubigen
Bischöfe im Konzil hat das Ansehen des Episkopats bei der unterstellten Geist¬
lichkeit schwer geschädigt, aber nicht minder das Verhalten der Bischöfe der
Minderheit nach der Fassung der Beschlüsse. War es die Furcht vor einem
Schisma, war es die Aussichtslosigkeit des Unternehmens, war es das Grauen
vor der Verantwortung, die diese Haltung bestimmt haben? Mannesmut und
Uberzeugungstrcue wurden bald allenthalben gebrochen. Die Schwankenden
nahm man einzeln vor, ab und zu, hie und da, og-rptiin sin^nu -- ganz
nach dem Muster der Cäsaren, die durch solches Vorgehen stets Verschwörungen
im Keime erstickt haben. Es war ein klägliches Schauspiel. Wenn aber jetzt
die deutschen Bischöfe, die doch während des Kulturkampfes an der Spitze
ihrer Geistlichkeit gegen den weltlichen Staat zu Felde zogen, in vertrautem
Kreise darüber klagen, daß ihre Untergebnen nur noch nach Rom horchen, so
sind solche Klagen so unerträglich wie die der Granden, die sich über die
Unbotmäßigkeit ihres Anhangs beschwerten.

Diese deutschen Bischöfe sind die Leute, mit denen näher Fühlung zu
suchen der deutschen Negierung zugemutet wird. Die deutschen Bischöfe sind
aber weder Herren ihrer Geistlichkeit, noch genießen sie in Rom das zur Über¬
nahme von Verhandlungen erforderliche Ansehen. Rom hat ja in jüngster
Zeit auch die Bischöfe Österreichs, als sie sich Weisung wegen des Verhaltens
in Sachen der antisemitischen Bewegung, die Bischöfe Frankreichs, als sie wegen
des sogenannten Abonnementgesetzes, die Bischöfe Belgiens, als sie sich wegen
der Stellung der Union "MwIiWö zur Union ämnoe,rg.tiqns ein-ötisnno eine
Entscheidung des päpstlichen Stuhls erbaten, in schnöder Weise auf die eigne
Weisheit verwiesen. Die Bischöfe sind längst nicht mehr die örtlichen Ver¬
treter Roms; sie eignen sich nicht mehr zur Führung von Verhandlungen
zwischen Staat und Kurie. Schon vor mehr als hundert Jahren hat der
französische Minister de Malherbe dem König den Rat erteilt, sich im Verkehr
mit den Bischöfen niemals su nvA-vont-lors einzulassen, da es der Würde des
Staats nicht entspreche, mit Bischöfen, die doch Unterthanen des Staats seien,
in Unterhandlungen zu treten, die überdies keine Zugeständnisse machen könnten,
weil sie willenlose Werkzeuge Roms seien. Es hat eine Zeit gegeben, wo man
in Deutschland glaubte, die Beziehungen zu Rom würden sich bessern, wenn
sich die Kurie entschlösse, mehr deutsche Kardinäle zu ernennen. So hatte man
früher auch in Frankreich gedacht; aber der Erfolg ist ausgeblieben. Ungefähr
zur Zeit Malherbes urteilte Chamfort über französische Kardinäle so: "Ein
Kardinal ist ein ganz in Not gekleideter Mann, dem der König jährlich fünfzig¬
tausend Livres dafür zahlt, daß er dem König im Namen des Papstes
Schnippchen schlägt." Der Zeitpunkt ist vielleicht nicht fern, wo das deutsche


Das deutsche Reich und die Kurie

lichen Leitung, die Zerbrechung der Gewalt der Bischöfe, eine straffe Disziplin,
geeignet, das ganze römische Heer in den Orden und in der Seelsorge jedem
Winke aus Rom unmittelbar unterzuordnen. Die Niederlage der altgläubigen
Bischöfe im Konzil hat das Ansehen des Episkopats bei der unterstellten Geist¬
lichkeit schwer geschädigt, aber nicht minder das Verhalten der Bischöfe der
Minderheit nach der Fassung der Beschlüsse. War es die Furcht vor einem
Schisma, war es die Aussichtslosigkeit des Unternehmens, war es das Grauen
vor der Verantwortung, die diese Haltung bestimmt haben? Mannesmut und
Uberzeugungstrcue wurden bald allenthalben gebrochen. Die Schwankenden
nahm man einzeln vor, ab und zu, hie und da, og-rptiin sin^nu — ganz
nach dem Muster der Cäsaren, die durch solches Vorgehen stets Verschwörungen
im Keime erstickt haben. Es war ein klägliches Schauspiel. Wenn aber jetzt
die deutschen Bischöfe, die doch während des Kulturkampfes an der Spitze
ihrer Geistlichkeit gegen den weltlichen Staat zu Felde zogen, in vertrautem
Kreise darüber klagen, daß ihre Untergebnen nur noch nach Rom horchen, so
sind solche Klagen so unerträglich wie die der Granden, die sich über die
Unbotmäßigkeit ihres Anhangs beschwerten.

Diese deutschen Bischöfe sind die Leute, mit denen näher Fühlung zu
suchen der deutschen Negierung zugemutet wird. Die deutschen Bischöfe sind
aber weder Herren ihrer Geistlichkeit, noch genießen sie in Rom das zur Über¬
nahme von Verhandlungen erforderliche Ansehen. Rom hat ja in jüngster
Zeit auch die Bischöfe Österreichs, als sie sich Weisung wegen des Verhaltens
in Sachen der antisemitischen Bewegung, die Bischöfe Frankreichs, als sie wegen
des sogenannten Abonnementgesetzes, die Bischöfe Belgiens, als sie sich wegen
der Stellung der Union «MwIiWö zur Union ämnoe,rg.tiqns ein-ötisnno eine
Entscheidung des päpstlichen Stuhls erbaten, in schnöder Weise auf die eigne
Weisheit verwiesen. Die Bischöfe sind längst nicht mehr die örtlichen Ver¬
treter Roms; sie eignen sich nicht mehr zur Führung von Verhandlungen
zwischen Staat und Kurie. Schon vor mehr als hundert Jahren hat der
französische Minister de Malherbe dem König den Rat erteilt, sich im Verkehr
mit den Bischöfen niemals su nvA-vont-lors einzulassen, da es der Würde des
Staats nicht entspreche, mit Bischöfen, die doch Unterthanen des Staats seien,
in Unterhandlungen zu treten, die überdies keine Zugeständnisse machen könnten,
weil sie willenlose Werkzeuge Roms seien. Es hat eine Zeit gegeben, wo man
in Deutschland glaubte, die Beziehungen zu Rom würden sich bessern, wenn
sich die Kurie entschlösse, mehr deutsche Kardinäle zu ernennen. So hatte man
früher auch in Frankreich gedacht; aber der Erfolg ist ausgeblieben. Ungefähr
zur Zeit Malherbes urteilte Chamfort über französische Kardinäle so: „Ein
Kardinal ist ein ganz in Not gekleideter Mann, dem der König jährlich fünfzig¬
tausend Livres dafür zahlt, daß er dem König im Namen des Papstes
Schnippchen schlägt." Der Zeitpunkt ist vielleicht nicht fern, wo das deutsche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222655"/>
          <fw type="header" place="top"> Das deutsche Reich und die Kurie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1033" prev="#ID_1032"> lichen Leitung, die Zerbrechung der Gewalt der Bischöfe, eine straffe Disziplin,<lb/>
geeignet, das ganze römische Heer in den Orden und in der Seelsorge jedem<lb/>
Winke aus Rom unmittelbar unterzuordnen. Die Niederlage der altgläubigen<lb/>
Bischöfe im Konzil hat das Ansehen des Episkopats bei der unterstellten Geist¬<lb/>
lichkeit schwer geschädigt, aber nicht minder das Verhalten der Bischöfe der<lb/>
Minderheit nach der Fassung der Beschlüsse. War es die Furcht vor einem<lb/>
Schisma, war es die Aussichtslosigkeit des Unternehmens, war es das Grauen<lb/>
vor der Verantwortung, die diese Haltung bestimmt haben? Mannesmut und<lb/>
Uberzeugungstrcue wurden bald allenthalben gebrochen. Die Schwankenden<lb/>
nahm man einzeln vor, ab und zu, hie und da, og-rptiin sin^nu &#x2014; ganz<lb/>
nach dem Muster der Cäsaren, die durch solches Vorgehen stets Verschwörungen<lb/>
im Keime erstickt haben. Es war ein klägliches Schauspiel. Wenn aber jetzt<lb/>
die deutschen Bischöfe, die doch während des Kulturkampfes an der Spitze<lb/>
ihrer Geistlichkeit gegen den weltlichen Staat zu Felde zogen, in vertrautem<lb/>
Kreise darüber klagen, daß ihre Untergebnen nur noch nach Rom horchen, so<lb/>
sind solche Klagen so unerträglich wie die der Granden, die sich über die<lb/>
Unbotmäßigkeit ihres Anhangs beschwerten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1034" next="#ID_1035"> Diese deutschen Bischöfe sind die Leute, mit denen näher Fühlung zu<lb/>
suchen der deutschen Negierung zugemutet wird. Die deutschen Bischöfe sind<lb/>
aber weder Herren ihrer Geistlichkeit, noch genießen sie in Rom das zur Über¬<lb/>
nahme von Verhandlungen erforderliche Ansehen. Rom hat ja in jüngster<lb/>
Zeit auch die Bischöfe Österreichs, als sie sich Weisung wegen des Verhaltens<lb/>
in Sachen der antisemitischen Bewegung, die Bischöfe Frankreichs, als sie wegen<lb/>
des sogenannten Abonnementgesetzes, die Bischöfe Belgiens, als sie sich wegen<lb/>
der Stellung der Union «MwIiWö zur Union ämnoe,rg.tiqns ein-ötisnno eine<lb/>
Entscheidung des päpstlichen Stuhls erbaten, in schnöder Weise auf die eigne<lb/>
Weisheit verwiesen. Die Bischöfe sind längst nicht mehr die örtlichen Ver¬<lb/>
treter Roms; sie eignen sich nicht mehr zur Führung von Verhandlungen<lb/>
zwischen Staat und Kurie. Schon vor mehr als hundert Jahren hat der<lb/>
französische Minister de Malherbe dem König den Rat erteilt, sich im Verkehr<lb/>
mit den Bischöfen niemals su nvA-vont-lors einzulassen, da es der Würde des<lb/>
Staats nicht entspreche, mit Bischöfen, die doch Unterthanen des Staats seien,<lb/>
in Unterhandlungen zu treten, die überdies keine Zugeständnisse machen könnten,<lb/>
weil sie willenlose Werkzeuge Roms seien. Es hat eine Zeit gegeben, wo man<lb/>
in Deutschland glaubte, die Beziehungen zu Rom würden sich bessern, wenn<lb/>
sich die Kurie entschlösse, mehr deutsche Kardinäle zu ernennen. So hatte man<lb/>
früher auch in Frankreich gedacht; aber der Erfolg ist ausgeblieben. Ungefähr<lb/>
zur Zeit Malherbes urteilte Chamfort über französische Kardinäle so: &#x201E;Ein<lb/>
Kardinal ist ein ganz in Not gekleideter Mann, dem der König jährlich fünfzig¬<lb/>
tausend Livres dafür zahlt, daß er dem König im Namen des Papstes<lb/>
Schnippchen schlägt."  Der Zeitpunkt ist vielleicht nicht fern, wo das deutsche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] Das deutsche Reich und die Kurie lichen Leitung, die Zerbrechung der Gewalt der Bischöfe, eine straffe Disziplin, geeignet, das ganze römische Heer in den Orden und in der Seelsorge jedem Winke aus Rom unmittelbar unterzuordnen. Die Niederlage der altgläubigen Bischöfe im Konzil hat das Ansehen des Episkopats bei der unterstellten Geist¬ lichkeit schwer geschädigt, aber nicht minder das Verhalten der Bischöfe der Minderheit nach der Fassung der Beschlüsse. War es die Furcht vor einem Schisma, war es die Aussichtslosigkeit des Unternehmens, war es das Grauen vor der Verantwortung, die diese Haltung bestimmt haben? Mannesmut und Uberzeugungstrcue wurden bald allenthalben gebrochen. Die Schwankenden nahm man einzeln vor, ab und zu, hie und da, og-rptiin sin^nu — ganz nach dem Muster der Cäsaren, die durch solches Vorgehen stets Verschwörungen im Keime erstickt haben. Es war ein klägliches Schauspiel. Wenn aber jetzt die deutschen Bischöfe, die doch während des Kulturkampfes an der Spitze ihrer Geistlichkeit gegen den weltlichen Staat zu Felde zogen, in vertrautem Kreise darüber klagen, daß ihre Untergebnen nur noch nach Rom horchen, so sind solche Klagen so unerträglich wie die der Granden, die sich über die Unbotmäßigkeit ihres Anhangs beschwerten. Diese deutschen Bischöfe sind die Leute, mit denen näher Fühlung zu suchen der deutschen Negierung zugemutet wird. Die deutschen Bischöfe sind aber weder Herren ihrer Geistlichkeit, noch genießen sie in Rom das zur Über¬ nahme von Verhandlungen erforderliche Ansehen. Rom hat ja in jüngster Zeit auch die Bischöfe Österreichs, als sie sich Weisung wegen des Verhaltens in Sachen der antisemitischen Bewegung, die Bischöfe Frankreichs, als sie wegen des sogenannten Abonnementgesetzes, die Bischöfe Belgiens, als sie sich wegen der Stellung der Union «MwIiWö zur Union ämnoe,rg.tiqns ein-ötisnno eine Entscheidung des päpstlichen Stuhls erbaten, in schnöder Weise auf die eigne Weisheit verwiesen. Die Bischöfe sind längst nicht mehr die örtlichen Ver¬ treter Roms; sie eignen sich nicht mehr zur Führung von Verhandlungen zwischen Staat und Kurie. Schon vor mehr als hundert Jahren hat der französische Minister de Malherbe dem König den Rat erteilt, sich im Verkehr mit den Bischöfen niemals su nvA-vont-lors einzulassen, da es der Würde des Staats nicht entspreche, mit Bischöfen, die doch Unterthanen des Staats seien, in Unterhandlungen zu treten, die überdies keine Zugeständnisse machen könnten, weil sie willenlose Werkzeuge Roms seien. Es hat eine Zeit gegeben, wo man in Deutschland glaubte, die Beziehungen zu Rom würden sich bessern, wenn sich die Kurie entschlösse, mehr deutsche Kardinäle zu ernennen. So hatte man früher auch in Frankreich gedacht; aber der Erfolg ist ausgeblieben. Ungefähr zur Zeit Malherbes urteilte Chamfort über französische Kardinäle so: „Ein Kardinal ist ein ganz in Not gekleideter Mann, dem der König jährlich fünfzig¬ tausend Livres dafür zahlt, daß er dem König im Namen des Papstes Schnippchen schlägt." Der Zeitpunkt ist vielleicht nicht fern, wo das deutsche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/351>, abgerufen am 17.06.2024.