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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Der rechtliche Schutz der Baukunst

gebers durch die Umstünde und das Bedürfnis innerlich und durch das Gesetz
selbst äußerlich gerechtfertigt ist. Namentlich wird daran dadurch nichts ge¬
ändert, dasz dieser Gedanke nicht als fertiger Grundsatz, sondern nach und
nach zu Tage getreten ist, und ein Erschrecken vor der Formel: der Nachdruck usw.
ist verboten, weil er verboten ist, würde, wie Gerber sagt, nur einen bedauer¬
lichen Mangel von Verständnis zeigen.

Wer annehmen wollte, daß eine triftige Veranlassung vorgelegen hätte
oder noch vorläge, die Baukunst nicht von diesem deutschrechtlicheu Gesichts¬
punkte aus zu behandeln, sondern durch Z 3 des Gesetzes über das Urheber¬
recht an Werken der bildenden Künste vom 3. Januar 1876 anzuordnen: "Auf
die Baukunst findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung," würde sehr
enttäuscht werden. Was die Motive des Entwurfs zu der erwähnten Bestim¬
mung angeht, in denen man über die Beweggründe des Verfassers in erster
Linie Aufschluß zu suchen hat, so begnügen sich diese mit der Versicherung,
es würde zu weit gehen, wenn das Gesetz verbieten wollte, daß ein fertiges
Bauwerk nicht abgezeichnet oder gar von einem Architekten nicht ein gleiches
Bauwerk aufgeführt werden dürfe. In der (mit der Vorberatung der Regie¬
rungsvorlage befaßten damaligen zehnten) Kommission des Reichstags ist die
Dürftigkeit dieser Rechtfertigung nicht verkannt worden. Die Aufnahme des
8 3 in das Gesetz hat nach dem Bericht "einigen Widerspruch" erfahren. Es
ist beantragt worden, die Worte "in der Regel" einzuschieben, doch ist dieses
Verlangen wegen seiner Ungenauigkeit mit Recht abgelehnt worden. Man hat
sodann hervorgehoben, bei dein Bau einer Kirche, eines Palastes, einer Villa usw.
wären die Ausgaben für den Architekten nur ein verhältnismäßig geringer Teil
der Gesamtausgaben; mithin werde der Unternehmer so kostspieliger Bauten
sich lieber an den Erfinder schöner Pläne, als an die Nachahmer wenden.
Und schließlich ist, nachdem der Regierungsvertreter noch mitgeteilt hatte, es wären
1570 Sachverständige, unter denen sich auch Architekten befunden hätten, be¬
fragt worden, und diese hätten keinen Wert auf den Schutz der Baukunst ge¬
legt, Z 3 von der Kommission und ihrem Berichte gemäß vom Reichstage an¬
genommen worden.

Aber die Begründung, die die Kommisstvu ihrer Entschließung gegeben
hat, hat nichts überzeugendes. Erstens ist es durchaus nicht immer wahr,
daß das Honorar des Künstlers im Vergleich zu den Kosten des Baues uicht
in Betracht komme; man denke z, B. an einen Brunnen, ein Grabmonument
und ähnliches. Sodann aber wird auch der Besteller einer Kirche oder einer
Villa, deren Errichtung mit großen Unkosten verknüpft ist, möglichst nach Er¬
sparnis streben, also ein Königsberger Bauherr dem Münchner Urheber eines
Planes gewiß den Nachbildncr vorziehen, der an Ort und Stelle zu erlangen
ist. Vollständig verfehlt ist es. wenn sich der Gesetzgeber auf ein gewisses
Anstandsgefühl verläßt und der Achtung und Geneigtheit, die seiner Ansicht


Der rechtliche Schutz der Baukunst

gebers durch die Umstünde und das Bedürfnis innerlich und durch das Gesetz
selbst äußerlich gerechtfertigt ist. Namentlich wird daran dadurch nichts ge¬
ändert, dasz dieser Gedanke nicht als fertiger Grundsatz, sondern nach und
nach zu Tage getreten ist, und ein Erschrecken vor der Formel: der Nachdruck usw.
ist verboten, weil er verboten ist, würde, wie Gerber sagt, nur einen bedauer¬
lichen Mangel von Verständnis zeigen.

Wer annehmen wollte, daß eine triftige Veranlassung vorgelegen hätte
oder noch vorläge, die Baukunst nicht von diesem deutschrechtlicheu Gesichts¬
punkte aus zu behandeln, sondern durch Z 3 des Gesetzes über das Urheber¬
recht an Werken der bildenden Künste vom 3. Januar 1876 anzuordnen: „Auf
die Baukunst findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung," würde sehr
enttäuscht werden. Was die Motive des Entwurfs zu der erwähnten Bestim¬
mung angeht, in denen man über die Beweggründe des Verfassers in erster
Linie Aufschluß zu suchen hat, so begnügen sich diese mit der Versicherung,
es würde zu weit gehen, wenn das Gesetz verbieten wollte, daß ein fertiges
Bauwerk nicht abgezeichnet oder gar von einem Architekten nicht ein gleiches
Bauwerk aufgeführt werden dürfe. In der (mit der Vorberatung der Regie¬
rungsvorlage befaßten damaligen zehnten) Kommission des Reichstags ist die
Dürftigkeit dieser Rechtfertigung nicht verkannt worden. Die Aufnahme des
8 3 in das Gesetz hat nach dem Bericht „einigen Widerspruch" erfahren. Es
ist beantragt worden, die Worte „in der Regel" einzuschieben, doch ist dieses
Verlangen wegen seiner Ungenauigkeit mit Recht abgelehnt worden. Man hat
sodann hervorgehoben, bei dein Bau einer Kirche, eines Palastes, einer Villa usw.
wären die Ausgaben für den Architekten nur ein verhältnismäßig geringer Teil
der Gesamtausgaben; mithin werde der Unternehmer so kostspieliger Bauten
sich lieber an den Erfinder schöner Pläne, als an die Nachahmer wenden.
Und schließlich ist, nachdem der Regierungsvertreter noch mitgeteilt hatte, es wären
1570 Sachverständige, unter denen sich auch Architekten befunden hätten, be¬
fragt worden, und diese hätten keinen Wert auf den Schutz der Baukunst ge¬
legt, Z 3 von der Kommission und ihrem Berichte gemäß vom Reichstage an¬
genommen worden.

Aber die Begründung, die die Kommisstvu ihrer Entschließung gegeben
hat, hat nichts überzeugendes. Erstens ist es durchaus nicht immer wahr,
daß das Honorar des Künstlers im Vergleich zu den Kosten des Baues uicht
in Betracht komme; man denke z, B. an einen Brunnen, ein Grabmonument
und ähnliches. Sodann aber wird auch der Besteller einer Kirche oder einer
Villa, deren Errichtung mit großen Unkosten verknüpft ist, möglichst nach Er¬
sparnis streben, also ein Königsberger Bauherr dem Münchner Urheber eines
Planes gewiß den Nachbildncr vorziehen, der an Ort und Stelle zu erlangen
ist. Vollständig verfehlt ist es. wenn sich der Gesetzgeber auf ein gewisses
Anstandsgefühl verläßt und der Achtung und Geneigtheit, die seiner Ansicht


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[0038] Der rechtliche Schutz der Baukunst gebers durch die Umstünde und das Bedürfnis innerlich und durch das Gesetz selbst äußerlich gerechtfertigt ist. Namentlich wird daran dadurch nichts ge¬ ändert, dasz dieser Gedanke nicht als fertiger Grundsatz, sondern nach und nach zu Tage getreten ist, und ein Erschrecken vor der Formel: der Nachdruck usw. ist verboten, weil er verboten ist, würde, wie Gerber sagt, nur einen bedauer¬ lichen Mangel von Verständnis zeigen. Wer annehmen wollte, daß eine triftige Veranlassung vorgelegen hätte oder noch vorläge, die Baukunst nicht von diesem deutschrechtlicheu Gesichts¬ punkte aus zu behandeln, sondern durch Z 3 des Gesetzes über das Urheber¬ recht an Werken der bildenden Künste vom 3. Januar 1876 anzuordnen: „Auf die Baukunst findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung," würde sehr enttäuscht werden. Was die Motive des Entwurfs zu der erwähnten Bestim¬ mung angeht, in denen man über die Beweggründe des Verfassers in erster Linie Aufschluß zu suchen hat, so begnügen sich diese mit der Versicherung, es würde zu weit gehen, wenn das Gesetz verbieten wollte, daß ein fertiges Bauwerk nicht abgezeichnet oder gar von einem Architekten nicht ein gleiches Bauwerk aufgeführt werden dürfe. In der (mit der Vorberatung der Regie¬ rungsvorlage befaßten damaligen zehnten) Kommission des Reichstags ist die Dürftigkeit dieser Rechtfertigung nicht verkannt worden. Die Aufnahme des 8 3 in das Gesetz hat nach dem Bericht „einigen Widerspruch" erfahren. Es ist beantragt worden, die Worte „in der Regel" einzuschieben, doch ist dieses Verlangen wegen seiner Ungenauigkeit mit Recht abgelehnt worden. Man hat sodann hervorgehoben, bei dein Bau einer Kirche, eines Palastes, einer Villa usw. wären die Ausgaben für den Architekten nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Gesamtausgaben; mithin werde der Unternehmer so kostspieliger Bauten sich lieber an den Erfinder schöner Pläne, als an die Nachahmer wenden. Und schließlich ist, nachdem der Regierungsvertreter noch mitgeteilt hatte, es wären 1570 Sachverständige, unter denen sich auch Architekten befunden hätten, be¬ fragt worden, und diese hätten keinen Wert auf den Schutz der Baukunst ge¬ legt, Z 3 von der Kommission und ihrem Berichte gemäß vom Reichstage an¬ genommen worden. Aber die Begründung, die die Kommisstvu ihrer Entschließung gegeben hat, hat nichts überzeugendes. Erstens ist es durchaus nicht immer wahr, daß das Honorar des Künstlers im Vergleich zu den Kosten des Baues uicht in Betracht komme; man denke z, B. an einen Brunnen, ein Grabmonument und ähnliches. Sodann aber wird auch der Besteller einer Kirche oder einer Villa, deren Errichtung mit großen Unkosten verknüpft ist, möglichst nach Er¬ sparnis streben, also ein Königsberger Bauherr dem Münchner Urheber eines Planes gewiß den Nachbildncr vorziehen, der an Ort und Stelle zu erlangen ist. Vollständig verfehlt ist es. wenn sich der Gesetzgeber auf ein gewisses Anstandsgefühl verläßt und der Achtung und Geneigtheit, die seiner Ansicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/38>, abgerufen am 12.05.2024.