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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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deutung, und daraus wird dann bekanntlich ein Teil unsrer "Frauenfrage."
Wenn irgend etwas verfahren ist, so ist es die. Es wird zuletzt dahin kommen,
daß kein Frauenzimmer mehr waschen und putzen will, sondern jedes nur ver¬
kaufen und im feinern Kleide irgend eine Art von Repräsentationsdasein führen
will, nur um sich einreden zu können, daß sie "etwas besseres" sei.

Doch wir wollen hier nicht Frauenfrage treiben. Wir wollten ja nur
vom Aufsteigen der Männer aus ihrem Stande reden; denn die Männer
machen die Familie. Es wiederholen sich da gewisse Erscheinungen, Typen,
wie man das zu nennen pflegt. Wir bemerken noch etwas, wie jene Niehlschen
Stufen. Aber die Art der Bewegung hat sich geändert.

Handwerker und Kleinbauern suchen ihre Söhne jetzt mehr als früher in
den subalternen Dienst zu bringen. In Gegenden, wo der Landmann noch
etwas bedeutet, sieht es dieser freilich nicht für eine Standeserhöhung an, wenn
sein Sohn Postschreiber werden muß, und auch der gutgestellte Handwerks¬
meister der Stadt wird für seine Person mit dem kleinen Beamten nicht täusche:?
wollen. Aber die Vornehmheit ist hier weniger das Ziel der Wünsche, als der
feste Gehalt und die Sicherheit einer wenn auch bescheidnen Stellung. Die
wirtschaftliche Lage zwingt oder bewegt oft dazu. Handwerker, die etwas ganz
ordentliches gelernt haben, treten für ihre Person noch in spätern Jahren
manchmal in höchst langweilige Posten von Aufsehern, Verwaltern, Jnstituts-
dienern über, nur um "versorgt" zu sein.

Weniger begehrt ist jetzt der Volksschullehrerstand, dem sich früher Söhne
von Handwerkern, namentlich auf dem Lande, aber auch Söhne wohlhabender
Bauern zuwendeten. Sie sahen in dieser Laufbahn eine Standeserhöhung
mittels der größern Bildung, die sie voraussetzte, und dieser tüchtige, brauch¬
bare Lehrerstand hat, gerade so wie das nicht beschreibt, zahlreiche tüchtige
Söhne in höhere Berufe und Stellungen geliefert. Ich selbst bin noch mit
Söhnen von Handwerksmeistern ins Gymnasium gegangen, die von vornherein
nichts andres werden wollten als Volksschullehrer, und die dies nicht etwa
später nur geworden sind, weil ihnen etwas höheres mißglückt wäre. Diese
Art "Ersatz" ist jetzt seltener. Der Stand der Volksschullehrer, der sich ja
selbst jetzt recht vornehm dünkt, und der auf seine stramme Organisation stolz
sein kann, imponirt nach meinen Wahrnehmungen doch dem Volke als Lauf¬
bahn viel weniger als der Stand des kleinen Beamten. Viele von denen, die
früher Volksschullehrer geworden wären, ziehen es darum heute vor, in den
subalternen Dienst zu gehen, oder sie überspringen eine Stufe und werden
gleich Pfarrer oder Gymnasiallehrer. Der "Ersatz" aus dem Volke erfolgt
also nicht mehr so reichlich zum Stande der Volksschullehrer. Der Stand
wird darum heute, wenn man zählen wollte und könnte, auch nicht mehr die
Bedeutung für den weitern Zug nach oben haben, die ihm nicht noch zu¬
schreiben konnte.


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deutung, und daraus wird dann bekanntlich ein Teil unsrer „Frauenfrage."
Wenn irgend etwas verfahren ist, so ist es die. Es wird zuletzt dahin kommen,
daß kein Frauenzimmer mehr waschen und putzen will, sondern jedes nur ver¬
kaufen und im feinern Kleide irgend eine Art von Repräsentationsdasein führen
will, nur um sich einreden zu können, daß sie „etwas besseres" sei.

Doch wir wollen hier nicht Frauenfrage treiben. Wir wollten ja nur
vom Aufsteigen der Männer aus ihrem Stande reden; denn die Männer
machen die Familie. Es wiederholen sich da gewisse Erscheinungen, Typen,
wie man das zu nennen pflegt. Wir bemerken noch etwas, wie jene Niehlschen
Stufen. Aber die Art der Bewegung hat sich geändert.

Handwerker und Kleinbauern suchen ihre Söhne jetzt mehr als früher in
den subalternen Dienst zu bringen. In Gegenden, wo der Landmann noch
etwas bedeutet, sieht es dieser freilich nicht für eine Standeserhöhung an, wenn
sein Sohn Postschreiber werden muß, und auch der gutgestellte Handwerks¬
meister der Stadt wird für seine Person mit dem kleinen Beamten nicht täusche:?
wollen. Aber die Vornehmheit ist hier weniger das Ziel der Wünsche, als der
feste Gehalt und die Sicherheit einer wenn auch bescheidnen Stellung. Die
wirtschaftliche Lage zwingt oder bewegt oft dazu. Handwerker, die etwas ganz
ordentliches gelernt haben, treten für ihre Person noch in spätern Jahren
manchmal in höchst langweilige Posten von Aufsehern, Verwaltern, Jnstituts-
dienern über, nur um „versorgt" zu sein.

Weniger begehrt ist jetzt der Volksschullehrerstand, dem sich früher Söhne
von Handwerkern, namentlich auf dem Lande, aber auch Söhne wohlhabender
Bauern zuwendeten. Sie sahen in dieser Laufbahn eine Standeserhöhung
mittels der größern Bildung, die sie voraussetzte, und dieser tüchtige, brauch¬
bare Lehrerstand hat, gerade so wie das nicht beschreibt, zahlreiche tüchtige
Söhne in höhere Berufe und Stellungen geliefert. Ich selbst bin noch mit
Söhnen von Handwerksmeistern ins Gymnasium gegangen, die von vornherein
nichts andres werden wollten als Volksschullehrer, und die dies nicht etwa
später nur geworden sind, weil ihnen etwas höheres mißglückt wäre. Diese
Art „Ersatz" ist jetzt seltener. Der Stand der Volksschullehrer, der sich ja
selbst jetzt recht vornehm dünkt, und der auf seine stramme Organisation stolz
sein kann, imponirt nach meinen Wahrnehmungen doch dem Volke als Lauf¬
bahn viel weniger als der Stand des kleinen Beamten. Viele von denen, die
früher Volksschullehrer geworden wären, ziehen es darum heute vor, in den
subalternen Dienst zu gehen, oder sie überspringen eine Stufe und werden
gleich Pfarrer oder Gymnasiallehrer. Der „Ersatz" aus dem Volke erfolgt
also nicht mehr so reichlich zum Stande der Volksschullehrer. Der Stand
wird darum heute, wenn man zählen wollte und könnte, auch nicht mehr die
Bedeutung für den weitern Zug nach oben haben, die ihm nicht noch zu¬
schreiben konnte.


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[0509] von unten mich oben deutung, und daraus wird dann bekanntlich ein Teil unsrer „Frauenfrage." Wenn irgend etwas verfahren ist, so ist es die. Es wird zuletzt dahin kommen, daß kein Frauenzimmer mehr waschen und putzen will, sondern jedes nur ver¬ kaufen und im feinern Kleide irgend eine Art von Repräsentationsdasein führen will, nur um sich einreden zu können, daß sie „etwas besseres" sei. Doch wir wollen hier nicht Frauenfrage treiben. Wir wollten ja nur vom Aufsteigen der Männer aus ihrem Stande reden; denn die Männer machen die Familie. Es wiederholen sich da gewisse Erscheinungen, Typen, wie man das zu nennen pflegt. Wir bemerken noch etwas, wie jene Niehlschen Stufen. Aber die Art der Bewegung hat sich geändert. Handwerker und Kleinbauern suchen ihre Söhne jetzt mehr als früher in den subalternen Dienst zu bringen. In Gegenden, wo der Landmann noch etwas bedeutet, sieht es dieser freilich nicht für eine Standeserhöhung an, wenn sein Sohn Postschreiber werden muß, und auch der gutgestellte Handwerks¬ meister der Stadt wird für seine Person mit dem kleinen Beamten nicht täusche:? wollen. Aber die Vornehmheit ist hier weniger das Ziel der Wünsche, als der feste Gehalt und die Sicherheit einer wenn auch bescheidnen Stellung. Die wirtschaftliche Lage zwingt oder bewegt oft dazu. Handwerker, die etwas ganz ordentliches gelernt haben, treten für ihre Person noch in spätern Jahren manchmal in höchst langweilige Posten von Aufsehern, Verwaltern, Jnstituts- dienern über, nur um „versorgt" zu sein. Weniger begehrt ist jetzt der Volksschullehrerstand, dem sich früher Söhne von Handwerkern, namentlich auf dem Lande, aber auch Söhne wohlhabender Bauern zuwendeten. Sie sahen in dieser Laufbahn eine Standeserhöhung mittels der größern Bildung, die sie voraussetzte, und dieser tüchtige, brauch¬ bare Lehrerstand hat, gerade so wie das nicht beschreibt, zahlreiche tüchtige Söhne in höhere Berufe und Stellungen geliefert. Ich selbst bin noch mit Söhnen von Handwerksmeistern ins Gymnasium gegangen, die von vornherein nichts andres werden wollten als Volksschullehrer, und die dies nicht etwa später nur geworden sind, weil ihnen etwas höheres mißglückt wäre. Diese Art „Ersatz" ist jetzt seltener. Der Stand der Volksschullehrer, der sich ja selbst jetzt recht vornehm dünkt, und der auf seine stramme Organisation stolz sein kann, imponirt nach meinen Wahrnehmungen doch dem Volke als Lauf¬ bahn viel weniger als der Stand des kleinen Beamten. Viele von denen, die früher Volksschullehrer geworden wären, ziehen es darum heute vor, in den subalternen Dienst zu gehen, oder sie überspringen eine Stufe und werden gleich Pfarrer oder Gymnasiallehrer. Der „Ersatz" aus dem Volke erfolgt also nicht mehr so reichlich zum Stande der Volksschullehrer. Der Stand wird darum heute, wenn man zählen wollte und könnte, auch nicht mehr die Bedeutung für den weitern Zug nach oben haben, die ihm nicht noch zu¬ schreiben konnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/509>, abgerufen am 16.06.2024.