Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Lage des Grundbesitzes

im Jahre 1893 289831439 Gulden in 233394 Posten. Die Schwankungen
in der Zwischenzeit sind unbedeutend. Der Hypothckenkredit ist also alljährlich
in ziemlich gleichem Maß in Anspruch genommen worden, wobei aber er¬
freulicherweise die kleinen Darlehen bis zum Betrage von 500 Gulden "un¬
unterbrochen und zugleich erheblich" abgenommen haben. Diese kleinen Dar¬
lehen schließen den größten Teil der "Notschulden" und namentlich soft alle
durch Exekution eingetragnen Schulden ein, sodaß ihre jeweilige Zu- oder Ab¬
nahme ganz besonders bezeichnend ist für "die Wandlungen in den sozial- und
finanziell-wirtschaftlichen Verhältnissen des kleinen und mittlern Grundbesitzes."
Die Abnahme dieser kleinen Eintragungen belief sich von 1885 bis 1893 auf
17,3 Prozent, und unser Gewährsmann giebt als Hauptursache dafür aus¬
drücklich die "Besserung der finanziell-wirtschaftlichen Verhältnisse des kleinen
Grund- und Nealitätenbesitzes" an. Die in den Löschungen von Hypotheken
zum Ausdruck kommende "Entlastung" des Grundbesitzes belief sich 1889 auf
208977 634 Gulden in 190094 Posten und 1893 auf 208799209 Gulden
in 193946 Posten. Auch hier ist eine gesunde Gleichmäßigkeit zu beobachten,
wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß die wirkliche Entlastung Wohl viel
größer sein wird als die buchmäßige, da sehr zahlreiche Tilgungsraten nicht zur
Löschung angemeldet werden, auch alle Annuitäten- (Amortisations-) Zahlungen
von den Grundbuchbehörden unberücksichtigt bleiben. Auch die Zahl der Zwangs¬
verkäufe, sowohl im allgemeinen wie insbesondre von Grundstücken bis tausend
Gulden, ist in den letzten fünf Jahren, und zwar seit 1890 ununterbrochen, zurück¬
gegangen von 11985 ans 9505 und von 7804 auf 6541. Die Ursachen der
Zwangsverkäufe sind in Osterreich bisher nicht zum Gegenstande besondrer Er¬
hebungen gemacht worden. Juana-Sternegg hält es für mehr als wahrscheinlich,
"daß eine solche Erhebung auch in Österreich nichts andres ergeben hätte, als
daß die Mehrzahl der jahraus jahrein vorkommenden Zwangsverkäufe in letzter
Linie durch das persönliche Verschulden der davon Betroffnen selbst herbei¬
geführt worden ist, und daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zum
mehr oder minder häusigen Vorkommen derartiger Katastrophen nur insofern
beitragen, als sie den Auflösungsprozeß finanziell herabgekommner Wirtschaften
beschleunigen oder verzögern." Über den Stand des Zinsfußes bei Hypothekar-
schulden fehlen Angaben seit 1890. Im allgemeinen ist seit Ende der siebziger
Jahre eine erfreuliche Erleichterung der Zinsenlast eingetreten, doch liegen in
dieser Beziehung die Verhältnisse in Österreich noch immer sehr viel ungünstiger
als in Deutschland. Hoffentlich wird die jetzt ernsthaft ins Auge gefaßte Für¬
sorge für billigen Kredit durch Darlehnskassen, öffentliche Kreditinstitute usw.
namentlich dem österreichischen Bauernstande bald die erwünschte Erleichterung
verschaffen. Ob sich die geplante "berufsgenosfenschaftliche" Organisation der
Landwirte in dieser Frage als praktisch bewähren wird, erscheint vielen in
Österreich selbst noch zweifelhaft. Bei den Verhandlungen des sechsten öster-


Zur Lage des Grundbesitzes

im Jahre 1893 289831439 Gulden in 233394 Posten. Die Schwankungen
in der Zwischenzeit sind unbedeutend. Der Hypothckenkredit ist also alljährlich
in ziemlich gleichem Maß in Anspruch genommen worden, wobei aber er¬
freulicherweise die kleinen Darlehen bis zum Betrage von 500 Gulden „un¬
unterbrochen und zugleich erheblich" abgenommen haben. Diese kleinen Dar¬
lehen schließen den größten Teil der „Notschulden" und namentlich soft alle
durch Exekution eingetragnen Schulden ein, sodaß ihre jeweilige Zu- oder Ab¬
nahme ganz besonders bezeichnend ist für „die Wandlungen in den sozial- und
finanziell-wirtschaftlichen Verhältnissen des kleinen und mittlern Grundbesitzes."
Die Abnahme dieser kleinen Eintragungen belief sich von 1885 bis 1893 auf
17,3 Prozent, und unser Gewährsmann giebt als Hauptursache dafür aus¬
drücklich die „Besserung der finanziell-wirtschaftlichen Verhältnisse des kleinen
Grund- und Nealitätenbesitzes" an. Die in den Löschungen von Hypotheken
zum Ausdruck kommende „Entlastung" des Grundbesitzes belief sich 1889 auf
208977 634 Gulden in 190094 Posten und 1893 auf 208799209 Gulden
in 193946 Posten. Auch hier ist eine gesunde Gleichmäßigkeit zu beobachten,
wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß die wirkliche Entlastung Wohl viel
größer sein wird als die buchmäßige, da sehr zahlreiche Tilgungsraten nicht zur
Löschung angemeldet werden, auch alle Annuitäten- (Amortisations-) Zahlungen
von den Grundbuchbehörden unberücksichtigt bleiben. Auch die Zahl der Zwangs¬
verkäufe, sowohl im allgemeinen wie insbesondre von Grundstücken bis tausend
Gulden, ist in den letzten fünf Jahren, und zwar seit 1890 ununterbrochen, zurück¬
gegangen von 11985 ans 9505 und von 7804 auf 6541. Die Ursachen der
Zwangsverkäufe sind in Osterreich bisher nicht zum Gegenstande besondrer Er¬
hebungen gemacht worden. Juana-Sternegg hält es für mehr als wahrscheinlich,
„daß eine solche Erhebung auch in Österreich nichts andres ergeben hätte, als
daß die Mehrzahl der jahraus jahrein vorkommenden Zwangsverkäufe in letzter
Linie durch das persönliche Verschulden der davon Betroffnen selbst herbei¬
geführt worden ist, und daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zum
mehr oder minder häusigen Vorkommen derartiger Katastrophen nur insofern
beitragen, als sie den Auflösungsprozeß finanziell herabgekommner Wirtschaften
beschleunigen oder verzögern." Über den Stand des Zinsfußes bei Hypothekar-
schulden fehlen Angaben seit 1890. Im allgemeinen ist seit Ende der siebziger
Jahre eine erfreuliche Erleichterung der Zinsenlast eingetreten, doch liegen in
dieser Beziehung die Verhältnisse in Österreich noch immer sehr viel ungünstiger
als in Deutschland. Hoffentlich wird die jetzt ernsthaft ins Auge gefaßte Für¬
sorge für billigen Kredit durch Darlehnskassen, öffentliche Kreditinstitute usw.
namentlich dem österreichischen Bauernstande bald die erwünschte Erleichterung
verschaffen. Ob sich die geplante „berufsgenosfenschaftliche" Organisation der
Landwirte in dieser Frage als praktisch bewähren wird, erscheint vielen in
Österreich selbst noch zweifelhaft. Bei den Verhandlungen des sechsten öster-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222848"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Lage des Grundbesitzes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1566" prev="#ID_1565" next="#ID_1567"> im Jahre 1893 289831439 Gulden in 233394 Posten. Die Schwankungen<lb/>
in der Zwischenzeit sind unbedeutend. Der Hypothckenkredit ist also alljährlich<lb/>
in ziemlich gleichem Maß in Anspruch genommen worden, wobei aber er¬<lb/>
freulicherweise die kleinen Darlehen bis zum Betrage von 500 Gulden &#x201E;un¬<lb/>
unterbrochen und zugleich erheblich" abgenommen haben. Diese kleinen Dar¬<lb/>
lehen schließen den größten Teil der &#x201E;Notschulden" und namentlich soft alle<lb/>
durch Exekution eingetragnen Schulden ein, sodaß ihre jeweilige Zu- oder Ab¬<lb/>
nahme ganz besonders bezeichnend ist für &#x201E;die Wandlungen in den sozial- und<lb/>
finanziell-wirtschaftlichen Verhältnissen des kleinen und mittlern Grundbesitzes."<lb/>
Die Abnahme dieser kleinen Eintragungen belief sich von 1885 bis 1893 auf<lb/>
17,3 Prozent, und unser Gewährsmann giebt als Hauptursache dafür aus¬<lb/>
drücklich die &#x201E;Besserung der finanziell-wirtschaftlichen Verhältnisse des kleinen<lb/>
Grund- und Nealitätenbesitzes" an. Die in den Löschungen von Hypotheken<lb/>
zum Ausdruck kommende &#x201E;Entlastung" des Grundbesitzes belief sich 1889 auf<lb/>
208977 634 Gulden in 190094 Posten und 1893 auf 208799209 Gulden<lb/>
in 193946 Posten. Auch hier ist eine gesunde Gleichmäßigkeit zu beobachten,<lb/>
wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß die wirkliche Entlastung Wohl viel<lb/>
größer sein wird als die buchmäßige, da sehr zahlreiche Tilgungsraten nicht zur<lb/>
Löschung angemeldet werden, auch alle Annuitäten- (Amortisations-) Zahlungen<lb/>
von den Grundbuchbehörden unberücksichtigt bleiben. Auch die Zahl der Zwangs¬<lb/>
verkäufe, sowohl im allgemeinen wie insbesondre von Grundstücken bis tausend<lb/>
Gulden, ist in den letzten fünf Jahren, und zwar seit 1890 ununterbrochen, zurück¬<lb/>
gegangen von 11985 ans 9505 und von 7804 auf 6541. Die Ursachen der<lb/>
Zwangsverkäufe sind in Osterreich bisher nicht zum Gegenstande besondrer Er¬<lb/>
hebungen gemacht worden. Juana-Sternegg hält es für mehr als wahrscheinlich,<lb/>
&#x201E;daß eine solche Erhebung auch in Österreich nichts andres ergeben hätte, als<lb/>
daß die Mehrzahl der jahraus jahrein vorkommenden Zwangsverkäufe in letzter<lb/>
Linie durch das persönliche Verschulden der davon Betroffnen selbst herbei¬<lb/>
geführt worden ist, und daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zum<lb/>
mehr oder minder häusigen Vorkommen derartiger Katastrophen nur insofern<lb/>
beitragen, als sie den Auflösungsprozeß finanziell herabgekommner Wirtschaften<lb/>
beschleunigen oder verzögern." Über den Stand des Zinsfußes bei Hypothekar-<lb/>
schulden fehlen Angaben seit 1890. Im allgemeinen ist seit Ende der siebziger<lb/>
Jahre eine erfreuliche Erleichterung der Zinsenlast eingetreten, doch liegen in<lb/>
dieser Beziehung die Verhältnisse in Österreich noch immer sehr viel ungünstiger<lb/>
als in Deutschland. Hoffentlich wird die jetzt ernsthaft ins Auge gefaßte Für¬<lb/>
sorge für billigen Kredit durch Darlehnskassen, öffentliche Kreditinstitute usw.<lb/>
namentlich dem österreichischen Bauernstande bald die erwünschte Erleichterung<lb/>
verschaffen. Ob sich die geplante &#x201E;berufsgenosfenschaftliche" Organisation der<lb/>
Landwirte in dieser Frage als praktisch bewähren wird, erscheint vielen in<lb/>
Österreich selbst noch zweifelhaft.  Bei den Verhandlungen des sechsten öster-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0544] Zur Lage des Grundbesitzes im Jahre 1893 289831439 Gulden in 233394 Posten. Die Schwankungen in der Zwischenzeit sind unbedeutend. Der Hypothckenkredit ist also alljährlich in ziemlich gleichem Maß in Anspruch genommen worden, wobei aber er¬ freulicherweise die kleinen Darlehen bis zum Betrage von 500 Gulden „un¬ unterbrochen und zugleich erheblich" abgenommen haben. Diese kleinen Dar¬ lehen schließen den größten Teil der „Notschulden" und namentlich soft alle durch Exekution eingetragnen Schulden ein, sodaß ihre jeweilige Zu- oder Ab¬ nahme ganz besonders bezeichnend ist für „die Wandlungen in den sozial- und finanziell-wirtschaftlichen Verhältnissen des kleinen und mittlern Grundbesitzes." Die Abnahme dieser kleinen Eintragungen belief sich von 1885 bis 1893 auf 17,3 Prozent, und unser Gewährsmann giebt als Hauptursache dafür aus¬ drücklich die „Besserung der finanziell-wirtschaftlichen Verhältnisse des kleinen Grund- und Nealitätenbesitzes" an. Die in den Löschungen von Hypotheken zum Ausdruck kommende „Entlastung" des Grundbesitzes belief sich 1889 auf 208977 634 Gulden in 190094 Posten und 1893 auf 208799209 Gulden in 193946 Posten. Auch hier ist eine gesunde Gleichmäßigkeit zu beobachten, wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß die wirkliche Entlastung Wohl viel größer sein wird als die buchmäßige, da sehr zahlreiche Tilgungsraten nicht zur Löschung angemeldet werden, auch alle Annuitäten- (Amortisations-) Zahlungen von den Grundbuchbehörden unberücksichtigt bleiben. Auch die Zahl der Zwangs¬ verkäufe, sowohl im allgemeinen wie insbesondre von Grundstücken bis tausend Gulden, ist in den letzten fünf Jahren, und zwar seit 1890 ununterbrochen, zurück¬ gegangen von 11985 ans 9505 und von 7804 auf 6541. Die Ursachen der Zwangsverkäufe sind in Osterreich bisher nicht zum Gegenstande besondrer Er¬ hebungen gemacht worden. Juana-Sternegg hält es für mehr als wahrscheinlich, „daß eine solche Erhebung auch in Österreich nichts andres ergeben hätte, als daß die Mehrzahl der jahraus jahrein vorkommenden Zwangsverkäufe in letzter Linie durch das persönliche Verschulden der davon Betroffnen selbst herbei¬ geführt worden ist, und daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zum mehr oder minder häusigen Vorkommen derartiger Katastrophen nur insofern beitragen, als sie den Auflösungsprozeß finanziell herabgekommner Wirtschaften beschleunigen oder verzögern." Über den Stand des Zinsfußes bei Hypothekar- schulden fehlen Angaben seit 1890. Im allgemeinen ist seit Ende der siebziger Jahre eine erfreuliche Erleichterung der Zinsenlast eingetreten, doch liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse in Österreich noch immer sehr viel ungünstiger als in Deutschland. Hoffentlich wird die jetzt ernsthaft ins Auge gefaßte Für¬ sorge für billigen Kredit durch Darlehnskassen, öffentliche Kreditinstitute usw. namentlich dem österreichischen Bauernstande bald die erwünschte Erleichterung verschaffen. Ob sich die geplante „berufsgenosfenschaftliche" Organisation der Landwirte in dieser Frage als praktisch bewähren wird, erscheint vielen in Österreich selbst noch zweifelhaft. Bei den Verhandlungen des sechsten öster-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/544
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/544>, abgerufen am 13.05.2024.