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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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T>er englische ?oeta L^ursÄtus

scheint nach Tennysons Tode im Jahre 1392 große Lust gehabt zu haben,
das Hofamt eines gekrönten Dichters ganz eingehen zu lassen, und man kann
nicht sagen, daß die englische Kritik darüber unzufrieden gewesen wäre. Wußte
man doch, daß Tennyson dieses Amt nur mit Widerwillen übernommen, und
daß es ihm stets schwere innere Kämpfe gekostet hatte, wenn er um den hohen
Geburtstagen die Rolle des ^vor>1g.lor rs^is oder rsging-s spielen sollte. Hie
und da wurden aber doch in der Gesellschaft und in den konservativen Klubs
Stimmen laut, die der Meinung waren, man dürfe eine so ehrwürdige Ein¬
richtung nicht aufgeben, deren Spuren, wie das alte vouuzsäs,^ Loolc verrate,
bis in die Zeiten Wilhelms des Eroberers zurückreichten. Es ist richtig, in
diesem alten englischen Grundbuch, dem Über Mäieig.rin8 ^nAwö, finden wir
zuerst einen Hofdichter erwähnt. Auch wissen wir, daß König Richard auf
der Fahrt nach Palästina den Dichter William the Foreigner mitnahm mit
dem Auftrage, die Heldenthaten seines Herrn zu besingen. Aber von einem
besoldeten Hofamte ist erst bei Edmund Spenser zur Zeit der Königin Elisabeth
die Rede. Und die lange Liste seiner lorbeergekrönten Nachfolger macht keinen
erhebenden Eindruck; die meisten sind ganz untergeordnete Versifexe gewesen
und haben gewöhnlich als Zielscheibe für den Witz wirklicher Dichter gedient,
z. B. sür Pope in seiner Satire 'Ib.s vuneiack. Ausnahmen bilden nur der
unerschöpfliche Hofdramatiker Ben Jonson und der vielseitige Dichter und
Kritiker John Dryden. Mit der geschichtlichen Bedeutung des xost-ig-ureatöskip
hat es also nicht viel auf sich. Ja die Stellung des gekrönten Dichters galt
noch in unserm Jahrhundert für so zweifelhaft, daß es Walter Scott für eine
Beleidigung hielt, als ihm nach dem Tode des Dichterlings James Pye die
Würde angeboten wurde. Erst durch Robert Southey, William Wordsworth
und Alfred Tennhson hat der Titel eines englischen xostu, Ig-urgatus einen
bessern Klang erhalten. Man gewöhnte sich allmählich an die Auffassung, daß
dieses Hofamt immer dem bedeutendsten Dichter der Zeit zufallen müsse,
weniger wegen der hundert Pfund jährlichen Gehalts als wegen der königlichen
Ehren (von den 42 Gallonen Wein, die sich der durstige Ben Jonson als
xostg, 1g.ur>zg,t>u8 von Karl I. jährlich zuerteilen ließ, hat man bei Tennyson
nichts gehört).

Ein Dichter, der Lord Tennyson als durchaus ebenbürtig hätte gelten
können, war auf dem englischen Parnaß der Gegenwart angeblich nicht zu
finden; die Ansichten über seinen Nachfolger gingen weit auseinander. Nose-
bery mochte also wohl mit Recht gefürchtet haben, den falschen zu treffen und
sich dadurch einen ganzen Schwarm von Widersachern auf den Hals zu laden.
Lord Salisbury ist weniger ängstlich gewesen. Die Stelle eines xost, iMresto
mußte besetzt werden, aus Gründen des Hofceremoniells, und da hat denn
der energische Minister, ohne durch Sachkenntnis in seinem Urteil und seinen
Maßnahmen beengt zu sein, frisch und froh einen Journalisten herausgegriffen


T>er englische ?oeta L^ursÄtus

scheint nach Tennysons Tode im Jahre 1392 große Lust gehabt zu haben,
das Hofamt eines gekrönten Dichters ganz eingehen zu lassen, und man kann
nicht sagen, daß die englische Kritik darüber unzufrieden gewesen wäre. Wußte
man doch, daß Tennyson dieses Amt nur mit Widerwillen übernommen, und
daß es ihm stets schwere innere Kämpfe gekostet hatte, wenn er um den hohen
Geburtstagen die Rolle des ^vor>1g.lor rs^is oder rsging-s spielen sollte. Hie
und da wurden aber doch in der Gesellschaft und in den konservativen Klubs
Stimmen laut, die der Meinung waren, man dürfe eine so ehrwürdige Ein¬
richtung nicht aufgeben, deren Spuren, wie das alte vouuzsäs,^ Loolc verrate,
bis in die Zeiten Wilhelms des Eroberers zurückreichten. Es ist richtig, in
diesem alten englischen Grundbuch, dem Über Mäieig.rin8 ^nAwö, finden wir
zuerst einen Hofdichter erwähnt. Auch wissen wir, daß König Richard auf
der Fahrt nach Palästina den Dichter William the Foreigner mitnahm mit
dem Auftrage, die Heldenthaten seines Herrn zu besingen. Aber von einem
besoldeten Hofamte ist erst bei Edmund Spenser zur Zeit der Königin Elisabeth
die Rede. Und die lange Liste seiner lorbeergekrönten Nachfolger macht keinen
erhebenden Eindruck; die meisten sind ganz untergeordnete Versifexe gewesen
und haben gewöhnlich als Zielscheibe für den Witz wirklicher Dichter gedient,
z. B. sür Pope in seiner Satire 'Ib.s vuneiack. Ausnahmen bilden nur der
unerschöpfliche Hofdramatiker Ben Jonson und der vielseitige Dichter und
Kritiker John Dryden. Mit der geschichtlichen Bedeutung des xost-ig-ureatöskip
hat es also nicht viel auf sich. Ja die Stellung des gekrönten Dichters galt
noch in unserm Jahrhundert für so zweifelhaft, daß es Walter Scott für eine
Beleidigung hielt, als ihm nach dem Tode des Dichterlings James Pye die
Würde angeboten wurde. Erst durch Robert Southey, William Wordsworth
und Alfred Tennhson hat der Titel eines englischen xostu, Ig-urgatus einen
bessern Klang erhalten. Man gewöhnte sich allmählich an die Auffassung, daß
dieses Hofamt immer dem bedeutendsten Dichter der Zeit zufallen müsse,
weniger wegen der hundert Pfund jährlichen Gehalts als wegen der königlichen
Ehren (von den 42 Gallonen Wein, die sich der durstige Ben Jonson als
xostg, 1g.ur>zg,t>u8 von Karl I. jährlich zuerteilen ließ, hat man bei Tennyson
nichts gehört).

Ein Dichter, der Lord Tennyson als durchaus ebenbürtig hätte gelten
können, war auf dem englischen Parnaß der Gegenwart angeblich nicht zu
finden; die Ansichten über seinen Nachfolger gingen weit auseinander. Nose-
bery mochte also wohl mit Recht gefürchtet haben, den falschen zu treffen und
sich dadurch einen ganzen Schwarm von Widersachern auf den Hals zu laden.
Lord Salisbury ist weniger ängstlich gewesen. Die Stelle eines xost, iMresto
mußte besetzt werden, aus Gründen des Hofceremoniells, und da hat denn
der energische Minister, ohne durch Sachkenntnis in seinem Urteil und seinen
Maßnahmen beengt zu sein, frisch und froh einen Journalisten herausgegriffen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/78>, abgerufen am 12.05.2024.