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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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und ihn auf den englischen Dichterthron gesetzt. Der neugekrönte Dichter
Alfred Austin war noch im vorigen Jahre den meisten Engländern ein völlig
unbekannter Mann, als Schriftsteller nur von einer kleinen Gruppe der
litterarischen Gemeinde geschätzt. Aber Lord Salisbury wußte, was er that.
Die Litteratur hat für ihn nur soweit Wert, als sie seiner Politik zu Hilfe
kommt; man spricht von seiner äiwAörons iZlioranos ol 1it<zrg.wrs, für ihn hat
augenscheinlich nur die Politik Selbstzweck, alle andern menschlichen Leistungen
in der Wissenschaft, der Kunst, der Litteratur müssen sich in den Dienst der
Staatskunst stellen; je mehr diese von ihnen gefördert wird, desto wertvoller
sind sie. Von diesem Grundsatze ausgehend hat Lord Salisbury ganz folge¬
richtig gehandelt, wenn er die höchste Würde, die einem Schriftsteller zu teil
werden kann, einem "zielbewußter" Journalisten seiner Partei übertragen hat.

Alfred Austin ist für die konservative Partei durch Dick und Dünn ge¬
gangen; er hat eine Menge politischer Streitschriften veröffentlicht, er trat
1876 mit großer Schärfe gegen Gladstones Broschüre auf: LulM'iM Horrors
ann elle ^selon ok tuo Last, erwarb sich hierdurch seine politischen Sporen,
ist seitdem ein gefürchteter Gegner der Liberalen, hat die stramm konservative
Zeitschrift National Rsvisv eine Zeit lang herausgegeben und Lord Salisbury
manche Dienste geleistet, die nicht mit einfachem Hündedruck bezahlt werden
konnten. Vielleicht hätte sich für solche Dienste ein andrer Lohn als der Lor¬
beerkranz eines Dichters finden lassen, aber Alfred Austin ist nicht nur ein
gefürchteter Publizist, er hat auch Novellen. Gedichte. Dramen und Kritiken
geschrieben; was lag also näher, als das Nützliche mit dem Angenehmen zu
verbinden und den verdienten Parteischriftstcller unter der Maske eines bedeu¬
tenden Dichters auf den leeren Sessel Tennysons zu setzen!

Es war nicht anders zu erwarten, als daß sich unter den Parteigenossen
bald Kritiker und Ästhetiker finden würden, die in Alfred Austin mit einem-
male den großen Dichter, den genialen Geist, den würdigen Nachfolger eines
Wordsworth und eines Tennyson erkannten. So schreibt der LtWäg-ick: 1t
not too nruou to 8^ eine tuo sull'i-iiMS ok tuo xost8 tun-msolvos >vou1et Wo6
i'öevMi^ä Ur. ^ustw's ach-zrw ^, on tds role-, tuo liesse. .Und die 'liwss
erklärt: ^ucmx livinA xosts us no1Ä8 uis von ritu tue korsinost, Ur. 3 wirr-
wrne Atome vxeöxtsä. Aber auch der Rückschlag gegen diese ungeschickte Be¬
mäntlung einer von Salisbury ausgeführten litterarischen Donquixoterie konnte
nicht ausbleiben. Man war zuerst starr, dann löste sich der Ingrimm, und
bald goß man die ganze Schale der Wut und der Entrüstung nicht nur auf
das Haupt des Premierministers aus, sondern gab auch dem posta iaursaws
ein gutes Teil davon ab. "Lord Rosebery, sagt die 8-iturä^ Rsvisv, hatte
sich um sein Vaterland sehr verdient gemacht, denn indem er die Ernennung
ablehnte, hatte er auch seinem Nachfolger die Ablehnung leicht gemacht. Lord
Salisbury schritt einfach über die größern Dichter hinweg, wählte den kleinsten


Der englische?c>co I-knire-dens

und ihn auf den englischen Dichterthron gesetzt. Der neugekrönte Dichter
Alfred Austin war noch im vorigen Jahre den meisten Engländern ein völlig
unbekannter Mann, als Schriftsteller nur von einer kleinen Gruppe der
litterarischen Gemeinde geschätzt. Aber Lord Salisbury wußte, was er that.
Die Litteratur hat für ihn nur soweit Wert, als sie seiner Politik zu Hilfe
kommt; man spricht von seiner äiwAörons iZlioranos ol 1it<zrg.wrs, für ihn hat
augenscheinlich nur die Politik Selbstzweck, alle andern menschlichen Leistungen
in der Wissenschaft, der Kunst, der Litteratur müssen sich in den Dienst der
Staatskunst stellen; je mehr diese von ihnen gefördert wird, desto wertvoller
sind sie. Von diesem Grundsatze ausgehend hat Lord Salisbury ganz folge¬
richtig gehandelt, wenn er die höchste Würde, die einem Schriftsteller zu teil
werden kann, einem „zielbewußter" Journalisten seiner Partei übertragen hat.

Alfred Austin ist für die konservative Partei durch Dick und Dünn ge¬
gangen; er hat eine Menge politischer Streitschriften veröffentlicht, er trat
1876 mit großer Schärfe gegen Gladstones Broschüre auf: LulM'iM Horrors
ann elle ^selon ok tuo Last, erwarb sich hierdurch seine politischen Sporen,
ist seitdem ein gefürchteter Gegner der Liberalen, hat die stramm konservative
Zeitschrift National Rsvisv eine Zeit lang herausgegeben und Lord Salisbury
manche Dienste geleistet, die nicht mit einfachem Hündedruck bezahlt werden
konnten. Vielleicht hätte sich für solche Dienste ein andrer Lohn als der Lor¬
beerkranz eines Dichters finden lassen, aber Alfred Austin ist nicht nur ein
gefürchteter Publizist, er hat auch Novellen. Gedichte. Dramen und Kritiken
geschrieben; was lag also näher, als das Nützliche mit dem Angenehmen zu
verbinden und den verdienten Parteischriftstcller unter der Maske eines bedeu¬
tenden Dichters auf den leeren Sessel Tennysons zu setzen!

Es war nicht anders zu erwarten, als daß sich unter den Parteigenossen
bald Kritiker und Ästhetiker finden würden, die in Alfred Austin mit einem-
male den großen Dichter, den genialen Geist, den würdigen Nachfolger eines
Wordsworth und eines Tennyson erkannten. So schreibt der LtWäg-ick: 1t
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wrne Atome vxeöxtsä. Aber auch der Rückschlag gegen diese ungeschickte Be¬
mäntlung einer von Salisbury ausgeführten litterarischen Donquixoterie konnte
nicht ausbleiben. Man war zuerst starr, dann löste sich der Ingrimm, und
bald goß man die ganze Schale der Wut und der Entrüstung nicht nur auf
das Haupt des Premierministers aus, sondern gab auch dem posta iaursaws
ein gutes Teil davon ab. „Lord Rosebery, sagt die 8-iturä^ Rsvisv, hatte
sich um sein Vaterland sehr verdient gemacht, denn indem er die Ernennung
ablehnte, hatte er auch seinem Nachfolger die Ablehnung leicht gemacht. Lord
Salisbury schritt einfach über die größern Dichter hinweg, wählte den kleinsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/79>, abgerufen am 25.05.2024.