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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Innere Politik oder äußere?

eine Anschauung zu gewinnen. Aus diesem Zahlenverhältnis kann man denn
auch schließen auf die Masse des Mehrwertes, die durch die Hände der Herren
an ihre Diener kommt, und die die Größe des Reichtums der Reichen zu¬
verlässig angiebt.

Luxussteuern sind von jeher nur wenig ergiebig gewesen. Es will uns
darum scheinen, als ob der Luxus nur einen kleinen Teil der nationalen Arbeit
in Anspruch nehmen könnte, und als ob sür die Armen nicht viel gewonnen
werden würde, wenn ihre Herren in der Versenkung verschwänden. Wir sür
unsre Person sind außerdem altmodisch genug, noch an den alten Malthus zu
glauben, der behauptet, daß jede Erleichterung ihres Loses von den untern
Klassen mit einer Vermehrung des Kindersegens beantwortet wird -- denn das
ist der Luxus, auf den sie Wert legen --, es sei denn, daß jene langsame
Steigerung der Bedürfnisse, in der sich die fortschreitende Kultur der untern
Klassen anzeigt, wirksam entgegenarbeitet.

Eins nur würde mit Sicherheit bei solcher Ausschaltung der Herren er¬
reicht werden: es würde vieles von dem erfrieren, was wir bisher als die
Blüten unsrer Kultur geliebt haben. "Keine Kultur, sagt Friedrich Nietzsche
irgendwo, ohne Sklaverei, und wo eine feinere Kultur gegründet werden soll, da
handelt es sich immer uur um eine feinere, verstecktere Art von Sklaverei." Der
antike Herr ließ einen Teil seiner Sklaven das Notwendige hervorbringen, andre
dienten seinem Wohlleben. Ebenso ist es noch heute. Hier sind die Lohn¬
arbeiter, die das Notwendige hervorbringen, dort die, die die Lnxusgüter
schaffen, und zwar für die, die uach dem Ausdruck der Engländer das Loilurmnä
ok labour haben, für die Herren der Arbeit. Wer dem Volle vorredet, es
könnte seine Herren loswerden, verspricht ihm zu viel. Ja, diese Herren Wohl,
aber es bekommt andre dafür, und zwar rohere, rücksichtslosere, Leute, die noch
nicht ganz das Gewissen von Herren haben, Leute seinesgleichen. negiert muß
werden. Darum wird auch im sozialistischen Staate die Menge ihre Herren
finden: Herren, die im Besitze der Arbeitsgelegenheit sind, die das Kommando
über die Arbeit haben, Arbeitgeber, die die Macht haben und dementsprechend
angesehen werden wollen. Einen Unterschied nur wird es geben. Es kaun
jeder bei Gelegenheit einmal Herr werden, aber leider nicht alle, nur jeder.
Nun, geht denn das heute nicht auch schon?

Aber wenn auch nicht die Herren, den Luxus der Herren wird man dann
doch los sein? Vielleicht. Aber ist denn der Luxus heute so groß? Wo sind
denn die Reichen, die wochenlang offne Tafel halten können, wie die Fürsten
des Mittelalters? Oder steht die heutige Verschwendung zur Lebenshaltung
des Volkes in dem Gegensatze, wie die Pracht des sächsischen Hofes im vorigen
Jahrhundert zur Armut des Landvolkes? Wieviel Herren sind denn heute
noch in der Lage, sich einen persönlichen Diener halten zu können, was doch
vor hundert Jahren allgemein war? Der Stolz der Herren dieses Zeitalters


Innere Politik oder äußere?

eine Anschauung zu gewinnen. Aus diesem Zahlenverhältnis kann man denn
auch schließen auf die Masse des Mehrwertes, die durch die Hände der Herren
an ihre Diener kommt, und die die Größe des Reichtums der Reichen zu¬
verlässig angiebt.

Luxussteuern sind von jeher nur wenig ergiebig gewesen. Es will uns
darum scheinen, als ob der Luxus nur einen kleinen Teil der nationalen Arbeit
in Anspruch nehmen könnte, und als ob sür die Armen nicht viel gewonnen
werden würde, wenn ihre Herren in der Versenkung verschwänden. Wir sür
unsre Person sind außerdem altmodisch genug, noch an den alten Malthus zu
glauben, der behauptet, daß jede Erleichterung ihres Loses von den untern
Klassen mit einer Vermehrung des Kindersegens beantwortet wird — denn das
ist der Luxus, auf den sie Wert legen —, es sei denn, daß jene langsame
Steigerung der Bedürfnisse, in der sich die fortschreitende Kultur der untern
Klassen anzeigt, wirksam entgegenarbeitet.

Eins nur würde mit Sicherheit bei solcher Ausschaltung der Herren er¬
reicht werden: es würde vieles von dem erfrieren, was wir bisher als die
Blüten unsrer Kultur geliebt haben. „Keine Kultur, sagt Friedrich Nietzsche
irgendwo, ohne Sklaverei, und wo eine feinere Kultur gegründet werden soll, da
handelt es sich immer uur um eine feinere, verstecktere Art von Sklaverei." Der
antike Herr ließ einen Teil seiner Sklaven das Notwendige hervorbringen, andre
dienten seinem Wohlleben. Ebenso ist es noch heute. Hier sind die Lohn¬
arbeiter, die das Notwendige hervorbringen, dort die, die die Lnxusgüter
schaffen, und zwar für die, die uach dem Ausdruck der Engländer das Loilurmnä
ok labour haben, für die Herren der Arbeit. Wer dem Volle vorredet, es
könnte seine Herren loswerden, verspricht ihm zu viel. Ja, diese Herren Wohl,
aber es bekommt andre dafür, und zwar rohere, rücksichtslosere, Leute, die noch
nicht ganz das Gewissen von Herren haben, Leute seinesgleichen. negiert muß
werden. Darum wird auch im sozialistischen Staate die Menge ihre Herren
finden: Herren, die im Besitze der Arbeitsgelegenheit sind, die das Kommando
über die Arbeit haben, Arbeitgeber, die die Macht haben und dementsprechend
angesehen werden wollen. Einen Unterschied nur wird es geben. Es kaun
jeder bei Gelegenheit einmal Herr werden, aber leider nicht alle, nur jeder.
Nun, geht denn das heute nicht auch schon?

Aber wenn auch nicht die Herren, den Luxus der Herren wird man dann
doch los sein? Vielleicht. Aber ist denn der Luxus heute so groß? Wo sind
denn die Reichen, die wochenlang offne Tafel halten können, wie die Fürsten
des Mittelalters? Oder steht die heutige Verschwendung zur Lebenshaltung
des Volkes in dem Gegensatze, wie die Pracht des sächsischen Hofes im vorigen
Jahrhundert zur Armut des Landvolkes? Wieviel Herren sind denn heute
noch in der Lage, sich einen persönlichen Diener halten zu können, was doch
vor hundert Jahren allgemein war? Der Stolz der Herren dieses Zeitalters


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[0015] Innere Politik oder äußere? eine Anschauung zu gewinnen. Aus diesem Zahlenverhältnis kann man denn auch schließen auf die Masse des Mehrwertes, die durch die Hände der Herren an ihre Diener kommt, und die die Größe des Reichtums der Reichen zu¬ verlässig angiebt. Luxussteuern sind von jeher nur wenig ergiebig gewesen. Es will uns darum scheinen, als ob der Luxus nur einen kleinen Teil der nationalen Arbeit in Anspruch nehmen könnte, und als ob sür die Armen nicht viel gewonnen werden würde, wenn ihre Herren in der Versenkung verschwänden. Wir sür unsre Person sind außerdem altmodisch genug, noch an den alten Malthus zu glauben, der behauptet, daß jede Erleichterung ihres Loses von den untern Klassen mit einer Vermehrung des Kindersegens beantwortet wird — denn das ist der Luxus, auf den sie Wert legen —, es sei denn, daß jene langsame Steigerung der Bedürfnisse, in der sich die fortschreitende Kultur der untern Klassen anzeigt, wirksam entgegenarbeitet. Eins nur würde mit Sicherheit bei solcher Ausschaltung der Herren er¬ reicht werden: es würde vieles von dem erfrieren, was wir bisher als die Blüten unsrer Kultur geliebt haben. „Keine Kultur, sagt Friedrich Nietzsche irgendwo, ohne Sklaverei, und wo eine feinere Kultur gegründet werden soll, da handelt es sich immer uur um eine feinere, verstecktere Art von Sklaverei." Der antike Herr ließ einen Teil seiner Sklaven das Notwendige hervorbringen, andre dienten seinem Wohlleben. Ebenso ist es noch heute. Hier sind die Lohn¬ arbeiter, die das Notwendige hervorbringen, dort die, die die Lnxusgüter schaffen, und zwar für die, die uach dem Ausdruck der Engländer das Loilurmnä ok labour haben, für die Herren der Arbeit. Wer dem Volle vorredet, es könnte seine Herren loswerden, verspricht ihm zu viel. Ja, diese Herren Wohl, aber es bekommt andre dafür, und zwar rohere, rücksichtslosere, Leute, die noch nicht ganz das Gewissen von Herren haben, Leute seinesgleichen. negiert muß werden. Darum wird auch im sozialistischen Staate die Menge ihre Herren finden: Herren, die im Besitze der Arbeitsgelegenheit sind, die das Kommando über die Arbeit haben, Arbeitgeber, die die Macht haben und dementsprechend angesehen werden wollen. Einen Unterschied nur wird es geben. Es kaun jeder bei Gelegenheit einmal Herr werden, aber leider nicht alle, nur jeder. Nun, geht denn das heute nicht auch schon? Aber wenn auch nicht die Herren, den Luxus der Herren wird man dann doch los sein? Vielleicht. Aber ist denn der Luxus heute so groß? Wo sind denn die Reichen, die wochenlang offne Tafel halten können, wie die Fürsten des Mittelalters? Oder steht die heutige Verschwendung zur Lebenshaltung des Volkes in dem Gegensatze, wie die Pracht des sächsischen Hofes im vorigen Jahrhundert zur Armut des Landvolkes? Wieviel Herren sind denn heute noch in der Lage, sich einen persönlichen Diener halten zu können, was doch vor hundert Jahren allgemein war? Der Stolz der Herren dieses Zeitalters

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/15>, abgerufen am 21.05.2024.