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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Der Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes

den akademisch gebildeten Lehrern herrschen möchten. Denn von einer größern
oder geringern Wichtigkeit der der Gesamtheit geleisteten Dienste sollte man
doch nicht reden. Bei billiger Beurteilung wird man zugeben müssen, daß sie
auf den verschiednen, einander entsprechenden Stufen gleichwertig sind, nur
Berufshochmut kann das leugnen wollen. Oder wer möchte sich getrauen, den
Unterschied in dem Werte der Leistungen anzugeben, wenn in einer beliebigen
Mittelstadt der Superintendent den Gottesdienst der Gemeinde leitet, der
Gymnasialdirektor die studirende Jugend bis zur Universität bringt, und der
Oberamtsrichter oder Landgerichtsdirektor die mittlere Rechtspflege versieht?
Ferner: alle drei haben gleiche akademische Vorbildung, haben etwa gleiche
geistige Befähigung und haben auch fast gleiche Opfer für ihre Ausbildung
bringen müssen. Gewöhnlich werden sie auch zu einander in einem angenehmen
Persönlichen Verhältnis stehn, das auf der Anerkennung gesellschaftlicher Gleich¬
berechtigung beruht. Es liegt also kein Grund vor, den einen Stand vor dem
andern zu bevorzugen. Was aber für die leitenden Personen gilt, wird wohl
auch für die Pastoren, Amtsrichter und Oberlehrer recht und billig sein.

Aber der höhere Lehrerstand giebt sich selbst nicht der Hoffnung hin, daß
sich diese ,,Utopie" schnell verwirklichen werde. Ja die Pessimisten in seinen
Reihen leugnen überhaupt die Möglichkeit. Nicht als ob der Lehrerstand
davon überzeugt wäre, daß ihm mit dieser Zurücksetzung nnr sein Recht geschehe,
und daß er weiter nichts als den letzten Platz zu verlangen habe. Nein,
aber das Vergleichen der einzelnen Stände ist zur Zeit unbeliebt, und wenn
man davon redet oder darnach strebt, die Oberlehrer und die Juristen ein¬
ander finanziell gleich zu stellen, so ist das eben ein Vergleich, ein in neuester
Zeit immer mehr und mehr abgelehnter, oder nach dem schönen Kunstausdruck
>,inopportuner" Vergleich.

Ferner, wenn man sich überhaupt auf das Vergleichen einlassen will, so
kommt es bekanntlich dabei nicht so sehr auf die Gerechtigkeit der Sache an
(denn jeder Vergleich hinkt), sondern auf die mehr oder minder vorhandne
Sympathie, die man den Vergleichsobjekten entgegenbringt. Will man z. B.
dem höhern Lehrerstande wohl, so wird man mehr das Verbindende zwischen
den einzelnen Ständen hervorheben; ist man entgegengesetzter Ansicht, so wird
natürlich das Trennende hervorgekehrt. Wir dürfen uns aber nicht verhehlen:
der höhere Lehrerstand genießt aus mancherlei Gründen in unserm Vaterlande
nur ein geringes Maß von Beliebtheit, und darin liegt eine der Hauptursachen,
daß man ihm etwas versagt, wozu er die volle Berechtigung hat: die innere
und äußere Gleichstellung mit den andern "studirten" Ständen. Es ist hier
nicht der Ort, zu untersuchen, wie weit diese Ansicht berechtigt ist. Es handelt
sich nur darum, festzustellen, daß sie in den weitesten Kreisen der Gebildeten
verbreitet ist.

Freilich tritt sie selten ganz unverhüllt zu Tage. Denn es sind meist


Der Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes

den akademisch gebildeten Lehrern herrschen möchten. Denn von einer größern
oder geringern Wichtigkeit der der Gesamtheit geleisteten Dienste sollte man
doch nicht reden. Bei billiger Beurteilung wird man zugeben müssen, daß sie
auf den verschiednen, einander entsprechenden Stufen gleichwertig sind, nur
Berufshochmut kann das leugnen wollen. Oder wer möchte sich getrauen, den
Unterschied in dem Werte der Leistungen anzugeben, wenn in einer beliebigen
Mittelstadt der Superintendent den Gottesdienst der Gemeinde leitet, der
Gymnasialdirektor die studirende Jugend bis zur Universität bringt, und der
Oberamtsrichter oder Landgerichtsdirektor die mittlere Rechtspflege versieht?
Ferner: alle drei haben gleiche akademische Vorbildung, haben etwa gleiche
geistige Befähigung und haben auch fast gleiche Opfer für ihre Ausbildung
bringen müssen. Gewöhnlich werden sie auch zu einander in einem angenehmen
Persönlichen Verhältnis stehn, das auf der Anerkennung gesellschaftlicher Gleich¬
berechtigung beruht. Es liegt also kein Grund vor, den einen Stand vor dem
andern zu bevorzugen. Was aber für die leitenden Personen gilt, wird wohl
auch für die Pastoren, Amtsrichter und Oberlehrer recht und billig sein.

Aber der höhere Lehrerstand giebt sich selbst nicht der Hoffnung hin, daß
sich diese ,,Utopie" schnell verwirklichen werde. Ja die Pessimisten in seinen
Reihen leugnen überhaupt die Möglichkeit. Nicht als ob der Lehrerstand
davon überzeugt wäre, daß ihm mit dieser Zurücksetzung nnr sein Recht geschehe,
und daß er weiter nichts als den letzten Platz zu verlangen habe. Nein,
aber das Vergleichen der einzelnen Stände ist zur Zeit unbeliebt, und wenn
man davon redet oder darnach strebt, die Oberlehrer und die Juristen ein¬
ander finanziell gleich zu stellen, so ist das eben ein Vergleich, ein in neuester
Zeit immer mehr und mehr abgelehnter, oder nach dem schönen Kunstausdruck
>,inopportuner" Vergleich.

Ferner, wenn man sich überhaupt auf das Vergleichen einlassen will, so
kommt es bekanntlich dabei nicht so sehr auf die Gerechtigkeit der Sache an
(denn jeder Vergleich hinkt), sondern auf die mehr oder minder vorhandne
Sympathie, die man den Vergleichsobjekten entgegenbringt. Will man z. B.
dem höhern Lehrerstande wohl, so wird man mehr das Verbindende zwischen
den einzelnen Ständen hervorheben; ist man entgegengesetzter Ansicht, so wird
natürlich das Trennende hervorgekehrt. Wir dürfen uns aber nicht verhehlen:
der höhere Lehrerstand genießt aus mancherlei Gründen in unserm Vaterlande
nur ein geringes Maß von Beliebtheit, und darin liegt eine der Hauptursachen,
daß man ihm etwas versagt, wozu er die volle Berechtigung hat: die innere
und äußere Gleichstellung mit den andern „studirten" Ständen. Es ist hier
nicht der Ort, zu untersuchen, wie weit diese Ansicht berechtigt ist. Es handelt
sich nur darum, festzustellen, daß sie in den weitesten Kreisen der Gebildeten
verbreitet ist.

Freilich tritt sie selten ganz unverhüllt zu Tage. Denn es sind meist


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[0487] Der Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes den akademisch gebildeten Lehrern herrschen möchten. Denn von einer größern oder geringern Wichtigkeit der der Gesamtheit geleisteten Dienste sollte man doch nicht reden. Bei billiger Beurteilung wird man zugeben müssen, daß sie auf den verschiednen, einander entsprechenden Stufen gleichwertig sind, nur Berufshochmut kann das leugnen wollen. Oder wer möchte sich getrauen, den Unterschied in dem Werte der Leistungen anzugeben, wenn in einer beliebigen Mittelstadt der Superintendent den Gottesdienst der Gemeinde leitet, der Gymnasialdirektor die studirende Jugend bis zur Universität bringt, und der Oberamtsrichter oder Landgerichtsdirektor die mittlere Rechtspflege versieht? Ferner: alle drei haben gleiche akademische Vorbildung, haben etwa gleiche geistige Befähigung und haben auch fast gleiche Opfer für ihre Ausbildung bringen müssen. Gewöhnlich werden sie auch zu einander in einem angenehmen Persönlichen Verhältnis stehn, das auf der Anerkennung gesellschaftlicher Gleich¬ berechtigung beruht. Es liegt also kein Grund vor, den einen Stand vor dem andern zu bevorzugen. Was aber für die leitenden Personen gilt, wird wohl auch für die Pastoren, Amtsrichter und Oberlehrer recht und billig sein. Aber der höhere Lehrerstand giebt sich selbst nicht der Hoffnung hin, daß sich diese ,,Utopie" schnell verwirklichen werde. Ja die Pessimisten in seinen Reihen leugnen überhaupt die Möglichkeit. Nicht als ob der Lehrerstand davon überzeugt wäre, daß ihm mit dieser Zurücksetzung nnr sein Recht geschehe, und daß er weiter nichts als den letzten Platz zu verlangen habe. Nein, aber das Vergleichen der einzelnen Stände ist zur Zeit unbeliebt, und wenn man davon redet oder darnach strebt, die Oberlehrer und die Juristen ein¬ ander finanziell gleich zu stellen, so ist das eben ein Vergleich, ein in neuester Zeit immer mehr und mehr abgelehnter, oder nach dem schönen Kunstausdruck >,inopportuner" Vergleich. Ferner, wenn man sich überhaupt auf das Vergleichen einlassen will, so kommt es bekanntlich dabei nicht so sehr auf die Gerechtigkeit der Sache an (denn jeder Vergleich hinkt), sondern auf die mehr oder minder vorhandne Sympathie, die man den Vergleichsobjekten entgegenbringt. Will man z. B. dem höhern Lehrerstande wohl, so wird man mehr das Verbindende zwischen den einzelnen Ständen hervorheben; ist man entgegengesetzter Ansicht, so wird natürlich das Trennende hervorgekehrt. Wir dürfen uns aber nicht verhehlen: der höhere Lehrerstand genießt aus mancherlei Gründen in unserm Vaterlande nur ein geringes Maß von Beliebtheit, und darin liegt eine der Hauptursachen, daß man ihm etwas versagt, wozu er die volle Berechtigung hat: die innere und äußere Gleichstellung mit den andern „studirten" Ständen. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, wie weit diese Ansicht berechtigt ist. Es handelt sich nur darum, festzustellen, daß sie in den weitesten Kreisen der Gebildeten verbreitet ist. Freilich tritt sie selten ganz unverhüllt zu Tage. Denn es sind meist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/487>, abgerufen am 21.05.2024.