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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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ein die Zeit gebunden eins einem Gebiete, das seiner Natur nach eine sichere
Zeitberechnuug ausschloß. Es entstanden Horden, die vom Kriege als von
einem Handwerke lebten.

Bis in die erste Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts hinein treten Svldheere
oder die Besoldung von Lehnsheeren nur ausnahmsweise auf, noch ist die
Geldwirtschaft nicht genügend entwickelt, und noch sind überflüssige Menschen
nicht zahlreich genug vorhanden. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der innere
Ausbau, die Urbarmachung des westeuropäischen Landes ziemlich vollendet,
und es giebt übrige Arme und .Kräfte. Damit beginnt das Söldnerwesen
in größeren Maßstabe, zumal da seit dem Ausgang der Hohenstcinfen auch
die Dienstmannen erbliche Lehngutsbesitzer geworden sind und durch dieses
Verhältnis ebenso wie die großen Vasallen das Interesse an der Lehusfolge
verloren haben. Die Hussiten- und Türkenkriege brachten Verhältnisse mit
sich, denen die Lehnsheere nicht gewachsen waren, indem dort ständige Bereit¬
schaft gegen drohenden Angriff erforderlich war, hier der Krieg aus einem
entfernten Schauplatz geführt werden mußte; im fünfzehnten Jahrhundert
ward daher überall die neue Einrichtung in großem Maßstabe ausgenommen. In
allen Heeren befinden sich ganze Abteilungen von Söldnern zu Fuß und zu
Pferde, die deu Krieg als ihr Handwerk treibe", die davon leben und daher
bald hier bald dort Dienst nehmen, wo man eben ihrer bedarf. In mittel¬
alterlicher Weise bildet das Landswechtstum eine Körperschaft, die wie die
andern Zünfte ihre Gesetze und Bräuche hat; ist kein Krieg, so lebt sie, wie
sie tan", im Herumziehe" von Raub oder Bettel. So hat mau in dieser
Zeit mit Recht die Landsknechte einen Bettelorden genannt. Die Organisation
der Söldner zu großen, Hansen bringt es mit sich, daß ihre Anführer mit
der Zeit in der Rolle von Zwischenmeistern zwischen der kriegführenden Landes¬
regierung und dem Kriegswerkzeuge, dem Heere, eine immer wichtigere Rolle
spielen; Aufstellung des Heeres nach Zahl und Beschaffenheit, sonne auch
Führung des Krieges wird ihnen von der Landesregierung in Entreprise ge¬
geben. Die Interessen dieser Unternehmer waren nun oft sehr verschieden
von denen der Staaten, die sie mieteten, und es versteht sich, daß diese Leute
zunächst an ihren Vorteil dachten, ohne ängstlich nach den Interessen ihrer
Kriegsherren zu fragen- Neben deu Söldnern bestand zwar noch immer das
Lehn- und Landaufgcbot im Prinzip fort, aber mehr und mehr verkümmerte
es und kam außer Gebrauch. Die Erfindung des Schießpulvers und seine
Anwendung stürzte die Reste des Rittertums wie der Lehnkriegsverfassung
über den Haufen und sicherte die Überlegenheit des Angriffs über die lokale
Verteidigung. Wenige Erfindungen haben einen gleich starken demokratischen
und staatenbildenden Einfluß ausgeübt. In der ersten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts unterliegt der Harnisch den Feuerwaffen, der Dienst zu Pferde
war nun nicht mehr so kostbar, "und mit den Bedingungen, unter denen der


ein die Zeit gebunden eins einem Gebiete, das seiner Natur nach eine sichere
Zeitberechnuug ausschloß. Es entstanden Horden, die vom Kriege als von
einem Handwerke lebten.

Bis in die erste Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts hinein treten Svldheere
oder die Besoldung von Lehnsheeren nur ausnahmsweise auf, noch ist die
Geldwirtschaft nicht genügend entwickelt, und noch sind überflüssige Menschen
nicht zahlreich genug vorhanden. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der innere
Ausbau, die Urbarmachung des westeuropäischen Landes ziemlich vollendet,
und es giebt übrige Arme und .Kräfte. Damit beginnt das Söldnerwesen
in größeren Maßstabe, zumal da seit dem Ausgang der Hohenstcinfen auch
die Dienstmannen erbliche Lehngutsbesitzer geworden sind und durch dieses
Verhältnis ebenso wie die großen Vasallen das Interesse an der Lehusfolge
verloren haben. Die Hussiten- und Türkenkriege brachten Verhältnisse mit
sich, denen die Lehnsheere nicht gewachsen waren, indem dort ständige Bereit¬
schaft gegen drohenden Angriff erforderlich war, hier der Krieg aus einem
entfernten Schauplatz geführt werden mußte; im fünfzehnten Jahrhundert
ward daher überall die neue Einrichtung in großem Maßstabe ausgenommen. In
allen Heeren befinden sich ganze Abteilungen von Söldnern zu Fuß und zu
Pferde, die deu Krieg als ihr Handwerk treibe», die davon leben und daher
bald hier bald dort Dienst nehmen, wo man eben ihrer bedarf. In mittel¬
alterlicher Weise bildet das Landswechtstum eine Körperschaft, die wie die
andern Zünfte ihre Gesetze und Bräuche hat; ist kein Krieg, so lebt sie, wie
sie tan», im Herumziehe« von Raub oder Bettel. So hat mau in dieser
Zeit mit Recht die Landsknechte einen Bettelorden genannt. Die Organisation
der Söldner zu großen, Hansen bringt es mit sich, daß ihre Anführer mit
der Zeit in der Rolle von Zwischenmeistern zwischen der kriegführenden Landes¬
regierung und dem Kriegswerkzeuge, dem Heere, eine immer wichtigere Rolle
spielen; Aufstellung des Heeres nach Zahl und Beschaffenheit, sonne auch
Führung des Krieges wird ihnen von der Landesregierung in Entreprise ge¬
geben. Die Interessen dieser Unternehmer waren nun oft sehr verschieden
von denen der Staaten, die sie mieteten, und es versteht sich, daß diese Leute
zunächst an ihren Vorteil dachten, ohne ängstlich nach den Interessen ihrer
Kriegsherren zu fragen- Neben deu Söldnern bestand zwar noch immer das
Lehn- und Landaufgcbot im Prinzip fort, aber mehr und mehr verkümmerte
es und kam außer Gebrauch. Die Erfindung des Schießpulvers und seine
Anwendung stürzte die Reste des Rittertums wie der Lehnkriegsverfassung
über den Haufen und sicherte die Überlegenheit des Angriffs über die lokale
Verteidigung. Wenige Erfindungen haben einen gleich starken demokratischen
und staatenbildenden Einfluß ausgeübt. In der ersten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts unterliegt der Harnisch den Feuerwaffen, der Dienst zu Pferde
war nun nicht mehr so kostbar, „und mit den Bedingungen, unter denen der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/576>, abgerufen am 03.06.2024.