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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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John Brinckman

erst das französische Geschwader und dann die Flotte der Engländer in Sicht
kam. Den Engländern gab ihr guter Geist ein, ein Schiffsboot zur Kaatje
Nciatje zu schicken; Lorenz muß, als der einzigste, der an Bord englisch kann,
die Verhandlungen mit dem Leutnant führen, nennt seinen Namen und wird
nun sofort als der berühmte Peter Lorenz aus Rostock nach dem Admirals¬
schiff mitgenommen. Dort wird er mit den üblichen militärischen Ehren, mit
Rule Britannia und mit Hurrah begrüßt, und Nelson, der die löbliche
Ansicht hat, alle großen Männer sollten Duzbruder sein, bietet ihm denn
auch gleich bei dem aus Chesterkäse und Portwein bestehenden Frühstück
Brüderschaft an. Es folgt dann der erste Kriegsrat, auf dem Nelson seinen
dreizehn Postkapitänen erklärt, daß Peter Lorenz ihm "von diesem Augenblick
an kovrdinirt" sei. Dafür verrät ihm der die Nähe und Stärke der Franzosen.
Nach einer fast schlaflos verbrachten Nacht sieht Peter mit geheimnisvoller
Hilfe der horizontalen Peilung die französische Flotte zuerst. Nelson, der
übrigens wie ein echter Seemann auch Tabak kaut, hält thörichterweise das
Glas vor sein totes Auge, bis ihn Freund Peter auf sein Versehen aufmerksam
macht. Neuer Kriegsrat, auf dem Peter Lorenz darthut, daß man das fran¬
zösische Zentrum im Leben nicht durchbrechen könne, daß man den Franzmann
im Gegenteil von hinten fassen müsse, und das sei auch möglich, da er, Lorenz,
die ganze Küste von Abukir horizontal und submarin abzupeilen Gelegenheit
gehabt habe. Die Schilderung der Schlacht selber ist sehr kurz, das französische
Admiralschiff wird in die Lust gesprengt, Nelson aber im letzten Augenblick
noch verwundet, obgleich sich bei Beginn des Treffens Peter Lorenz mit gro߬
artiger Aufopferung so gestellt hat, daß er fast deu ganzen Körper Nelsons
deckt. Am nächsten Tage diktirt dieser seinem Freunde den Rapport der Schlacht,
aber Peter Lorenz sträubt sich mit der Bescheidenheit aller wahrhaft großen
Männer dagegen, daß sein Name als der des wirklichen Siegers genannt
werde, lehnt den Adel, eine Dotation, kurz jegliche Belohnung ab und erlaubt
Nelson nur, ihm später einen feinen Peilstock aus Ebenholz und Elfenbein
nach seiner eignen Konstruktion zu schenken; die Widmung: In irrsmor/ ot'
Abukir Nslsonws I^urontio suo besagt ja alles. Er kehrt dann zur Kaatje
Naatje zurück -- anspruchslos wie Cincinnatus zum Pfluge.

Das Ganze ist, wie man sieht, ein maßloses Lügengewebe; aber in dieser
sast wahnwitzigen Aufschneiderei liegt doch Methode und auch eine Art von
Humor, ein Humor, der, wie Briuckman selber sagt, das Ungeheure als
Bagatelle faßt. Ein vorzüglicher Dialog sucht diesen im kleinen und einzelnen
zu stützen; so wirken die mannichfachen Unterbrechungen der Hauptcrzühluug
durch allerlei Klatschereien schon komisch, wie denn überhaupt die wunderliche
und enge Philisterseele Blocks einen wirksamen Gegensatz zu dem großartigen
Lügner bildet. Drollig sind auch Peter Lorenzeus Gewissensbisse (er will
zuerst durchaus wieder zur Kaatje Naatje zurück), drollig seine Ausrufe und


John Brinckman

erst das französische Geschwader und dann die Flotte der Engländer in Sicht
kam. Den Engländern gab ihr guter Geist ein, ein Schiffsboot zur Kaatje
Nciatje zu schicken; Lorenz muß, als der einzigste, der an Bord englisch kann,
die Verhandlungen mit dem Leutnant führen, nennt seinen Namen und wird
nun sofort als der berühmte Peter Lorenz aus Rostock nach dem Admirals¬
schiff mitgenommen. Dort wird er mit den üblichen militärischen Ehren, mit
Rule Britannia und mit Hurrah begrüßt, und Nelson, der die löbliche
Ansicht hat, alle großen Männer sollten Duzbruder sein, bietet ihm denn
auch gleich bei dem aus Chesterkäse und Portwein bestehenden Frühstück
Brüderschaft an. Es folgt dann der erste Kriegsrat, auf dem Nelson seinen
dreizehn Postkapitänen erklärt, daß Peter Lorenz ihm „von diesem Augenblick
an kovrdinirt" sei. Dafür verrät ihm der die Nähe und Stärke der Franzosen.
Nach einer fast schlaflos verbrachten Nacht sieht Peter mit geheimnisvoller
Hilfe der horizontalen Peilung die französische Flotte zuerst. Nelson, der
übrigens wie ein echter Seemann auch Tabak kaut, hält thörichterweise das
Glas vor sein totes Auge, bis ihn Freund Peter auf sein Versehen aufmerksam
macht. Neuer Kriegsrat, auf dem Peter Lorenz darthut, daß man das fran¬
zösische Zentrum im Leben nicht durchbrechen könne, daß man den Franzmann
im Gegenteil von hinten fassen müsse, und das sei auch möglich, da er, Lorenz,
die ganze Küste von Abukir horizontal und submarin abzupeilen Gelegenheit
gehabt habe. Die Schilderung der Schlacht selber ist sehr kurz, das französische
Admiralschiff wird in die Lust gesprengt, Nelson aber im letzten Augenblick
noch verwundet, obgleich sich bei Beginn des Treffens Peter Lorenz mit gro߬
artiger Aufopferung so gestellt hat, daß er fast deu ganzen Körper Nelsons
deckt. Am nächsten Tage diktirt dieser seinem Freunde den Rapport der Schlacht,
aber Peter Lorenz sträubt sich mit der Bescheidenheit aller wahrhaft großen
Männer dagegen, daß sein Name als der des wirklichen Siegers genannt
werde, lehnt den Adel, eine Dotation, kurz jegliche Belohnung ab und erlaubt
Nelson nur, ihm später einen feinen Peilstock aus Ebenholz und Elfenbein
nach seiner eignen Konstruktion zu schenken; die Widmung: In irrsmor/ ot'
Abukir Nslsonws I^urontio suo besagt ja alles. Er kehrt dann zur Kaatje
Naatje zurück — anspruchslos wie Cincinnatus zum Pfluge.

Das Ganze ist, wie man sieht, ein maßloses Lügengewebe; aber in dieser
sast wahnwitzigen Aufschneiderei liegt doch Methode und auch eine Art von
Humor, ein Humor, der, wie Briuckman selber sagt, das Ungeheure als
Bagatelle faßt. Ein vorzüglicher Dialog sucht diesen im kleinen und einzelnen
zu stützen; so wirken die mannichfachen Unterbrechungen der Hauptcrzühluug
durch allerlei Klatschereien schon komisch, wie denn überhaupt die wunderliche
und enge Philisterseele Blocks einen wirksamen Gegensatz zu dem großartigen
Lügner bildet. Drollig sind auch Peter Lorenzeus Gewissensbisse (er will
zuerst durchaus wieder zur Kaatje Naatje zurück), drollig seine Ausrufe und


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[0141] John Brinckman erst das französische Geschwader und dann die Flotte der Engländer in Sicht kam. Den Engländern gab ihr guter Geist ein, ein Schiffsboot zur Kaatje Nciatje zu schicken; Lorenz muß, als der einzigste, der an Bord englisch kann, die Verhandlungen mit dem Leutnant führen, nennt seinen Namen und wird nun sofort als der berühmte Peter Lorenz aus Rostock nach dem Admirals¬ schiff mitgenommen. Dort wird er mit den üblichen militärischen Ehren, mit Rule Britannia und mit Hurrah begrüßt, und Nelson, der die löbliche Ansicht hat, alle großen Männer sollten Duzbruder sein, bietet ihm denn auch gleich bei dem aus Chesterkäse und Portwein bestehenden Frühstück Brüderschaft an. Es folgt dann der erste Kriegsrat, auf dem Nelson seinen dreizehn Postkapitänen erklärt, daß Peter Lorenz ihm „von diesem Augenblick an kovrdinirt" sei. Dafür verrät ihm der die Nähe und Stärke der Franzosen. Nach einer fast schlaflos verbrachten Nacht sieht Peter mit geheimnisvoller Hilfe der horizontalen Peilung die französische Flotte zuerst. Nelson, der übrigens wie ein echter Seemann auch Tabak kaut, hält thörichterweise das Glas vor sein totes Auge, bis ihn Freund Peter auf sein Versehen aufmerksam macht. Neuer Kriegsrat, auf dem Peter Lorenz darthut, daß man das fran¬ zösische Zentrum im Leben nicht durchbrechen könne, daß man den Franzmann im Gegenteil von hinten fassen müsse, und das sei auch möglich, da er, Lorenz, die ganze Küste von Abukir horizontal und submarin abzupeilen Gelegenheit gehabt habe. Die Schilderung der Schlacht selber ist sehr kurz, das französische Admiralschiff wird in die Lust gesprengt, Nelson aber im letzten Augenblick noch verwundet, obgleich sich bei Beginn des Treffens Peter Lorenz mit gro߬ artiger Aufopferung so gestellt hat, daß er fast deu ganzen Körper Nelsons deckt. Am nächsten Tage diktirt dieser seinem Freunde den Rapport der Schlacht, aber Peter Lorenz sträubt sich mit der Bescheidenheit aller wahrhaft großen Männer dagegen, daß sein Name als der des wirklichen Siegers genannt werde, lehnt den Adel, eine Dotation, kurz jegliche Belohnung ab und erlaubt Nelson nur, ihm später einen feinen Peilstock aus Ebenholz und Elfenbein nach seiner eignen Konstruktion zu schenken; die Widmung: In irrsmor/ ot' Abukir Nslsonws I^urontio suo besagt ja alles. Er kehrt dann zur Kaatje Naatje zurück — anspruchslos wie Cincinnatus zum Pfluge. Das Ganze ist, wie man sieht, ein maßloses Lügengewebe; aber in dieser sast wahnwitzigen Aufschneiderei liegt doch Methode und auch eine Art von Humor, ein Humor, der, wie Briuckman selber sagt, das Ungeheure als Bagatelle faßt. Ein vorzüglicher Dialog sucht diesen im kleinen und einzelnen zu stützen; so wirken die mannichfachen Unterbrechungen der Hauptcrzühluug durch allerlei Klatschereien schon komisch, wie denn überhaupt die wunderliche und enge Philisterseele Blocks einen wirksamen Gegensatz zu dem großartigen Lügner bildet. Drollig sind auch Peter Lorenzeus Gewissensbisse (er will zuerst durchaus wieder zur Kaatje Naatje zurück), drollig seine Ausrufe und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/141>, abgerufen am 17.06.2024.