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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Der fünfte Band des Bismarck-Jahrbuchs

für die vier sogenannten rein deutschen Armeekorps (VII., VIII., IX., X.) be¬
rieten, denn das wollte der König von Württemberg werden, dem aber wollte
sich Hannover für das X. Korps nicht unterordnen, und Baden, Mecklenburg,
Oldenburg, Braunschweig, die Hansestädte und viele andre lehnten jede Be¬
teiligung an den Beratungen ab. Bismarck sah in der ganzen Triaspolitik
nichts als die Vorbereitungen zu einem neuen Rheinbünde (1. Juli 1859;
der Brief ist schon in den "Bismarckbriefen" -- sechste Auflage, Seite 120 --
von Kohl veröffentlicht, aber nicht nach dem ihm jetzt vorliegenden Original),
und Wentzel schrieb ihm 14. Juli 1859 als Antwort: "Sie haben recht. --
Man beeilte sich sehr, mit Frankreich seinen Frieden zu machen, und am
weitesten und schnellsten ging wieder Dalwigk. Es hieß, man wolle lieber
französisch als preußisch sein"; dann wieder am 23. Mai 1861: "Was ist es
(die Trias) anders als ein Rheinbund! Man will über die eignen Truppen
disponiren können, weil dies ein Abkommen mit Frankreich erleichtert." Kein
Wunder, daß die Spannung zwischen Preußen und seinen deutschen Gegnern
immer schärfer wurde. "Hier in Frankfurt, schreibt Wentzel am 16. Februar
1862, sieht es sehr traurig aus. Wir haben nie so am Bunde gestanden!"
und am 1. Mai 1862: "Wir stehen schon seit längerer Zeit fast allein, höchstens
Baden und Weimar sind mit uns, aber auch diese leider nicht immer." Stellte
sich preußischen Staatsmännern der Bundestag also dar, so folgte daraus von
selbst, daß sie zu dem Fortbestande dieses kraft- und saftlosen Gebildes nicht
das geringste Vertrauen, auch gar kein Interesse daran hatten, und daß sie
der preußischen Politik möglichst ihre volle Selbständigkeit zu sichern suchten.
"Sie sehen, faßt Wentzel am 23. Mai 1861 seine Frankfurter Beobachtungen
zusammen, daß der Auflösungsprozeß immer weiter geht," und Goltz äußert
sich ganz ähnlich am 21. September 1863: "Es ist ein barocker Gedanke,
diesem in voller Auflösung begriffnen Bund eine Aktion nach außen zuzumuten."
Trotzdem ist es "bei der gegenwärtigen politischen Lage das Beste, die Bundes¬
verfassung nicht zu ändern." "Wie sie ist, können wir aus ihr macheu, was
wir wollen. Die Änderung soll ja nur gegen uns sein" (Wentzel an Bismarck
am 18. Juli 1860).

Die Art, wie Bismarck die Selbständigkeit der preußischen Politik seit 1851
mit Nachdruck und Erfolg vertreten hat, leuchtet auch aus diesen Briefen
deutlich hervor. Nicht immer stimmt er im einzelnen mit seinen Korrespon¬
denten überein, aber den weiter" Blick hat immer er. Er ist für die Erhal¬
tung der Neichsflotte (Briefe vom 16. Januar, 28. und 29. Januar 1852 an
Wentzel); er ist für die Neutralität im Krimkriege, trotz der entgegengesetzten
Stimmung am Bundestage, er will 1856 keinen Krieg um Neuenburg. "Ich
finde, man kann es nicht anständiger loswerden, als in Gestalt eines Löse¬
geldes für die Gefangnen. Viele hitzige Leute wollen mit 100000 Mann der
Schweiz zuleide. Eine recht erwünschte Gelegenheit sür andre Mächte würde


Der fünfte Band des Bismarck-Jahrbuchs

für die vier sogenannten rein deutschen Armeekorps (VII., VIII., IX., X.) be¬
rieten, denn das wollte der König von Württemberg werden, dem aber wollte
sich Hannover für das X. Korps nicht unterordnen, und Baden, Mecklenburg,
Oldenburg, Braunschweig, die Hansestädte und viele andre lehnten jede Be¬
teiligung an den Beratungen ab. Bismarck sah in der ganzen Triaspolitik
nichts als die Vorbereitungen zu einem neuen Rheinbünde (1. Juli 1859;
der Brief ist schon in den „Bismarckbriefen" — sechste Auflage, Seite 120 —
von Kohl veröffentlicht, aber nicht nach dem ihm jetzt vorliegenden Original),
und Wentzel schrieb ihm 14. Juli 1859 als Antwort: „Sie haben recht. —
Man beeilte sich sehr, mit Frankreich seinen Frieden zu machen, und am
weitesten und schnellsten ging wieder Dalwigk. Es hieß, man wolle lieber
französisch als preußisch sein"; dann wieder am 23. Mai 1861: „Was ist es
(die Trias) anders als ein Rheinbund! Man will über die eignen Truppen
disponiren können, weil dies ein Abkommen mit Frankreich erleichtert." Kein
Wunder, daß die Spannung zwischen Preußen und seinen deutschen Gegnern
immer schärfer wurde. „Hier in Frankfurt, schreibt Wentzel am 16. Februar
1862, sieht es sehr traurig aus. Wir haben nie so am Bunde gestanden!"
und am 1. Mai 1862: „Wir stehen schon seit längerer Zeit fast allein, höchstens
Baden und Weimar sind mit uns, aber auch diese leider nicht immer." Stellte
sich preußischen Staatsmännern der Bundestag also dar, so folgte daraus von
selbst, daß sie zu dem Fortbestande dieses kraft- und saftlosen Gebildes nicht
das geringste Vertrauen, auch gar kein Interesse daran hatten, und daß sie
der preußischen Politik möglichst ihre volle Selbständigkeit zu sichern suchten.
„Sie sehen, faßt Wentzel am 23. Mai 1861 seine Frankfurter Beobachtungen
zusammen, daß der Auflösungsprozeß immer weiter geht," und Goltz äußert
sich ganz ähnlich am 21. September 1863: „Es ist ein barocker Gedanke,
diesem in voller Auflösung begriffnen Bund eine Aktion nach außen zuzumuten."
Trotzdem ist es „bei der gegenwärtigen politischen Lage das Beste, die Bundes¬
verfassung nicht zu ändern." „Wie sie ist, können wir aus ihr macheu, was
wir wollen. Die Änderung soll ja nur gegen uns sein" (Wentzel an Bismarck
am 18. Juli 1860).

Die Art, wie Bismarck die Selbständigkeit der preußischen Politik seit 1851
mit Nachdruck und Erfolg vertreten hat, leuchtet auch aus diesen Briefen
deutlich hervor. Nicht immer stimmt er im einzelnen mit seinen Korrespon¬
denten überein, aber den weiter« Blick hat immer er. Er ist für die Erhal¬
tung der Neichsflotte (Briefe vom 16. Januar, 28. und 29. Januar 1852 an
Wentzel); er ist für die Neutralität im Krimkriege, trotz der entgegengesetzten
Stimmung am Bundestage, er will 1856 keinen Krieg um Neuenburg. „Ich
finde, man kann es nicht anständiger loswerden, als in Gestalt eines Löse¬
geldes für die Gefangnen. Viele hitzige Leute wollen mit 100000 Mann der
Schweiz zuleide. Eine recht erwünschte Gelegenheit sür andre Mächte würde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/174>, abgerufen am 05.06.2024.