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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums

Wirtschaft verlieren, für die es im Osten zweifelhafte slawische Elemente auf¬
nehmen muß, die der ländlichen Arbeiternot steuern sollen und unser hei¬
misches Blut verderben. Aus den niedern Ständen wandern bloß kapital¬
kräftige Leute aus, wie ja die Union Arme überhaupt nicht mehr aufnimmt.
Auch die Angehörigen der höhern Volksschicht bedürfen eines Betriebs¬
stockes zu ihrem Fortkommen. Die Zeiten sind vorbei, wo der verschuldete
Leutnant nur mit dem Überfahrtgeld in der Tasche in das gelobte Land jen¬
seits des großen Wassers abdampfte, um dort sein Glück zu machen- Jetzt
ist mit jedem Auswandrer außer seiner eignen Arbeitskraft noch ein weiterer,
unmittelbarer Kapitalverlust verbunden, den das Reich erleidet. Die armen
Teufel bleiben daheim, da sie weder das Reisegeld noch den Grundstock zum
Beginn einer neuen Existenz erschwingen können. Bleibt der Heimatmüde
Deutscher, so geht bloß seine Steuerkraft dem Vaterlande verloren, ein Ab¬
gang, der reichlich durch die Thätigkeit des Auswandrers aufgewogen wird.
Jeder Deutsche im Auslande erschließt dem Reiche neue Absatzgebiete und ver¬
mehrt das Volksvermögen, das ja nicht an die heimische Scholle gebunden ist.
Das uns an Volkszahl nachstehende England ergießt jährlich dichte Ströme
seiner Bevölkerung über den Erdball und festigt stetig seine Handelsherrschaft,
ohne seine Söhne zu verlieren, was bloß in der Union der Fall ist. Die
Vereinigten Staaten von Nordamerika sind aber weiter nichts als eine eng¬
lische Republik, das Gegenstück zu dem britischen Mutterland auf dem ameri¬
kanischen Festlande. Wir dagegen verlieren unser reines Volkstum in dem
amerikanischen Völkergemengsel, dem der herrschende Stamm unverändert sein
englisches Gepräge verleiht.

Das Gebot des eignen Daseins erfordert hier dringend Abhilfe. Freilich
kann nur ein gesteigertes Nationalgefühl wirksam die Fremdenliebe und An¬
passungsneigung des Durchschnittsdeutschen bekämpfen. Aber auch die gesetz¬
geberische Maßnahme ist nicht zurückzuweisen, da ja gesetzliche Bestimmungen
dem Volksbewußtsein entsprechen sollen und der Volksstimmung einen festen
Ausdruck geben. Erfreulicherweise empfinden wir jetzt das Schwinden wert¬
voller Volkskräfte, die im nächsten Geschlecht vielleicht sogar unsre nationalen
und wirtschaftlichen Gegner werden, als einen Angriff auf unsre Volksehre
und als eine Wunde an unserm Volkskörper. Das Bundesgesetz über den
Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit deckte sich früher mit dem klein¬
lichen Standpunkte, nirgends anstoßen zu wollen, da wir thatsächlich auch kaum
w der Lage waren, bei dem Widerstreit verschiedner nationaler Interessen
unserm Volkstum das gebührende Übergewicht zu verschaffen. Gegenwärtig
sind wir unbestritten die erste Land- und die zweite Handelsmacht der Welt,
auch unsre Secgewalt wird sich heben, um wenigstens in der Verteidigungs¬
stellung unser angestammtes Recht zu behaupten. Seit der Gründung des
Norddeutschen Bundes haben sich somit die thatsächlichen Verhältnisse wehend-


Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums

Wirtschaft verlieren, für die es im Osten zweifelhafte slawische Elemente auf¬
nehmen muß, die der ländlichen Arbeiternot steuern sollen und unser hei¬
misches Blut verderben. Aus den niedern Ständen wandern bloß kapital¬
kräftige Leute aus, wie ja die Union Arme überhaupt nicht mehr aufnimmt.
Auch die Angehörigen der höhern Volksschicht bedürfen eines Betriebs¬
stockes zu ihrem Fortkommen. Die Zeiten sind vorbei, wo der verschuldete
Leutnant nur mit dem Überfahrtgeld in der Tasche in das gelobte Land jen¬
seits des großen Wassers abdampfte, um dort sein Glück zu machen- Jetzt
ist mit jedem Auswandrer außer seiner eignen Arbeitskraft noch ein weiterer,
unmittelbarer Kapitalverlust verbunden, den das Reich erleidet. Die armen
Teufel bleiben daheim, da sie weder das Reisegeld noch den Grundstock zum
Beginn einer neuen Existenz erschwingen können. Bleibt der Heimatmüde
Deutscher, so geht bloß seine Steuerkraft dem Vaterlande verloren, ein Ab¬
gang, der reichlich durch die Thätigkeit des Auswandrers aufgewogen wird.
Jeder Deutsche im Auslande erschließt dem Reiche neue Absatzgebiete und ver¬
mehrt das Volksvermögen, das ja nicht an die heimische Scholle gebunden ist.
Das uns an Volkszahl nachstehende England ergießt jährlich dichte Ströme
seiner Bevölkerung über den Erdball und festigt stetig seine Handelsherrschaft,
ohne seine Söhne zu verlieren, was bloß in der Union der Fall ist. Die
Vereinigten Staaten von Nordamerika sind aber weiter nichts als eine eng¬
lische Republik, das Gegenstück zu dem britischen Mutterland auf dem ameri¬
kanischen Festlande. Wir dagegen verlieren unser reines Volkstum in dem
amerikanischen Völkergemengsel, dem der herrschende Stamm unverändert sein
englisches Gepräge verleiht.

Das Gebot des eignen Daseins erfordert hier dringend Abhilfe. Freilich
kann nur ein gesteigertes Nationalgefühl wirksam die Fremdenliebe und An¬
passungsneigung des Durchschnittsdeutschen bekämpfen. Aber auch die gesetz¬
geberische Maßnahme ist nicht zurückzuweisen, da ja gesetzliche Bestimmungen
dem Volksbewußtsein entsprechen sollen und der Volksstimmung einen festen
Ausdruck geben. Erfreulicherweise empfinden wir jetzt das Schwinden wert¬
voller Volkskräfte, die im nächsten Geschlecht vielleicht sogar unsre nationalen
und wirtschaftlichen Gegner werden, als einen Angriff auf unsre Volksehre
und als eine Wunde an unserm Volkskörper. Das Bundesgesetz über den
Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit deckte sich früher mit dem klein¬
lichen Standpunkte, nirgends anstoßen zu wollen, da wir thatsächlich auch kaum
w der Lage waren, bei dem Widerstreit verschiedner nationaler Interessen
unserm Volkstum das gebührende Übergewicht zu verschaffen. Gegenwärtig
sind wir unbestritten die erste Land- und die zweite Handelsmacht der Welt,
auch unsre Secgewalt wird sich heben, um wenigstens in der Verteidigungs¬
stellung unser angestammtes Recht zu behaupten. Seit der Gründung des
Norddeutschen Bundes haben sich somit die thatsächlichen Verhältnisse wehend-


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[0403] Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums Wirtschaft verlieren, für die es im Osten zweifelhafte slawische Elemente auf¬ nehmen muß, die der ländlichen Arbeiternot steuern sollen und unser hei¬ misches Blut verderben. Aus den niedern Ständen wandern bloß kapital¬ kräftige Leute aus, wie ja die Union Arme überhaupt nicht mehr aufnimmt. Auch die Angehörigen der höhern Volksschicht bedürfen eines Betriebs¬ stockes zu ihrem Fortkommen. Die Zeiten sind vorbei, wo der verschuldete Leutnant nur mit dem Überfahrtgeld in der Tasche in das gelobte Land jen¬ seits des großen Wassers abdampfte, um dort sein Glück zu machen- Jetzt ist mit jedem Auswandrer außer seiner eignen Arbeitskraft noch ein weiterer, unmittelbarer Kapitalverlust verbunden, den das Reich erleidet. Die armen Teufel bleiben daheim, da sie weder das Reisegeld noch den Grundstock zum Beginn einer neuen Existenz erschwingen können. Bleibt der Heimatmüde Deutscher, so geht bloß seine Steuerkraft dem Vaterlande verloren, ein Ab¬ gang, der reichlich durch die Thätigkeit des Auswandrers aufgewogen wird. Jeder Deutsche im Auslande erschließt dem Reiche neue Absatzgebiete und ver¬ mehrt das Volksvermögen, das ja nicht an die heimische Scholle gebunden ist. Das uns an Volkszahl nachstehende England ergießt jährlich dichte Ströme seiner Bevölkerung über den Erdball und festigt stetig seine Handelsherrschaft, ohne seine Söhne zu verlieren, was bloß in der Union der Fall ist. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind aber weiter nichts als eine eng¬ lische Republik, das Gegenstück zu dem britischen Mutterland auf dem ameri¬ kanischen Festlande. Wir dagegen verlieren unser reines Volkstum in dem amerikanischen Völkergemengsel, dem der herrschende Stamm unverändert sein englisches Gepräge verleiht. Das Gebot des eignen Daseins erfordert hier dringend Abhilfe. Freilich kann nur ein gesteigertes Nationalgefühl wirksam die Fremdenliebe und An¬ passungsneigung des Durchschnittsdeutschen bekämpfen. Aber auch die gesetz¬ geberische Maßnahme ist nicht zurückzuweisen, da ja gesetzliche Bestimmungen dem Volksbewußtsein entsprechen sollen und der Volksstimmung einen festen Ausdruck geben. Erfreulicherweise empfinden wir jetzt das Schwinden wert¬ voller Volkskräfte, die im nächsten Geschlecht vielleicht sogar unsre nationalen und wirtschaftlichen Gegner werden, als einen Angriff auf unsre Volksehre und als eine Wunde an unserm Volkskörper. Das Bundesgesetz über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit deckte sich früher mit dem klein¬ lichen Standpunkte, nirgends anstoßen zu wollen, da wir thatsächlich auch kaum w der Lage waren, bei dem Widerstreit verschiedner nationaler Interessen unserm Volkstum das gebührende Übergewicht zu verschaffen. Gegenwärtig sind wir unbestritten die erste Land- und die zweite Handelsmacht der Welt, auch unsre Secgewalt wird sich heben, um wenigstens in der Verteidigungs¬ stellung unser angestammtes Recht zu behaupten. Seit der Gründung des Norddeutschen Bundes haben sich somit die thatsächlichen Verhältnisse wehend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/403>, abgerufen am 16.05.2024.