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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

nicht ruhig zu führen. Wenn ich daher in Form und Ausdruck hier und bei
fehle, so sehen Sie mir dies nach.

Es ist heute Claras Geburtstag -- der Tag, an dem das Liebste, was
die Welt für mich hat, zum ersten Male das Licht erblickt, -- der Tag, an
dem ich von jeher auch über mich nachgedacht, da sie so tief in mein Leben
eingegriffen. Gestehe ich es, so dachte ich noch nie so beruhigt an meine Zu¬
kunft, als gerade heute. Sicher gestellt gegen Mangel, so weit dies mensch¬
liche Einsicht voraussagen kann, schöne Pläne im Kopf, ein junges, allem Edlen
begeistertes Herz, Hände zum Arbeiten, im Bewußtsein eines herrlichen Wirkungs¬
kreises und noch Iauch?j in der Hoffnung, Alles zu leisten, was von meinen
Kräften erwartet werden kann, geehrt und geliebt von Vielen -- ich dächte,
es wäre genug! -- Ach, der schmerzlichen Antwort, die ich mir darauf geben
muß! Was ist das Alles gegen den Schmerz, gerade von der getrennt zu
sein, der dies ganze Streben gilt, und die mich treu und innig wieder liebt.
Sie kennen diese Einzige, Sie glücklicher Vater, nur zu wohl- Fragen Sie
ihr Auge, ob ich nicht wahr gesprochen!

Achtzehn Monate lang haben Sie mich geprüft, schwer wie ein Schicksal
für sich. Wie dürfte ich Ihnen zürnen! Ich hatte Sie tief gekränkt, aber
büßen haben Sie mich es auch lassen. -- Jetzt prüfen Sie mich noch einmal
so lange. Vielleicht, wenn Sie nicht das Unmögliche fordern, vielleicht halten
meine Kräfte mit Ihren Wünschen Schritt; vielleicht gewinne ich mir Ihr
Vertrauen wieder. Sie wissen, daß ich in hohen Dingen ausdauere. Finden
Sie mich dann bewährt, treu und männlich, so segnen Sie dies Seelenbündniß,
dem zum höchsten Glück nichts fehlt als die elterliche Weihe. Es ist nicht die
Aufregung des Augenblicks, keine Leidenschaft, nichts Äußeres, was mich an
Clara hält mit allen Fasern meines Daseins, es ist die tiefste Überzeugung,
daß selten ein Bündniß unter so günstiger Übereinstimmung aller Verhält¬
nisse ins Leben treten könne, es ist das verehrungswürdige hohe Mädchen
selbst, das überall Glück verbreitet und für unseres bürgt. Sind auch Sie
zu dieser Überzeugung gekommen, so geben Sie mir gewiß das Versprechen,
daß Sie vor der Hand nichts über Claras Zukunft entscheiden wollen, wie ich
Ihnen auf mein Wort verspreche, gegen Ihren Wunsch nicht mit Clara zu
reden. Nur das Eine gestatten Sie, daß wir uns, wenn Sie auf längeren
Reisen sind, einander Nachricht geben dürfen.

So wäre mir diese Lebensfrage vom Herzen; es schlägt im Augenblick so
ruhig, denn es ist sich bewußt, daß es nur Glück und Frieden unter den
Menschen will. Vertrauensvoll lege ich meine Zukunft in Ihre Hand. Meinem
Stand, meinem Talente, meinem Charakter sind Sie eine schonende und voll¬
ständige Antwort schuldig. Am liebsten sprechen wir uns!

Feierliche Augenblicke bis dahin, wo ich eine Entscheidung erfahre -- feierlich
wie die Pause zwischen Blitz und Schlag im Gewitter, wo man zittert, ob es


Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

nicht ruhig zu führen. Wenn ich daher in Form und Ausdruck hier und bei
fehle, so sehen Sie mir dies nach.

Es ist heute Claras Geburtstag — der Tag, an dem das Liebste, was
die Welt für mich hat, zum ersten Male das Licht erblickt, — der Tag, an
dem ich von jeher auch über mich nachgedacht, da sie so tief in mein Leben
eingegriffen. Gestehe ich es, so dachte ich noch nie so beruhigt an meine Zu¬
kunft, als gerade heute. Sicher gestellt gegen Mangel, so weit dies mensch¬
liche Einsicht voraussagen kann, schöne Pläne im Kopf, ein junges, allem Edlen
begeistertes Herz, Hände zum Arbeiten, im Bewußtsein eines herrlichen Wirkungs¬
kreises und noch Iauch?j in der Hoffnung, Alles zu leisten, was von meinen
Kräften erwartet werden kann, geehrt und geliebt von Vielen — ich dächte,
es wäre genug! — Ach, der schmerzlichen Antwort, die ich mir darauf geben
muß! Was ist das Alles gegen den Schmerz, gerade von der getrennt zu
sein, der dies ganze Streben gilt, und die mich treu und innig wieder liebt.
Sie kennen diese Einzige, Sie glücklicher Vater, nur zu wohl- Fragen Sie
ihr Auge, ob ich nicht wahr gesprochen!

Achtzehn Monate lang haben Sie mich geprüft, schwer wie ein Schicksal
für sich. Wie dürfte ich Ihnen zürnen! Ich hatte Sie tief gekränkt, aber
büßen haben Sie mich es auch lassen. — Jetzt prüfen Sie mich noch einmal
so lange. Vielleicht, wenn Sie nicht das Unmögliche fordern, vielleicht halten
meine Kräfte mit Ihren Wünschen Schritt; vielleicht gewinne ich mir Ihr
Vertrauen wieder. Sie wissen, daß ich in hohen Dingen ausdauere. Finden
Sie mich dann bewährt, treu und männlich, so segnen Sie dies Seelenbündniß,
dem zum höchsten Glück nichts fehlt als die elterliche Weihe. Es ist nicht die
Aufregung des Augenblicks, keine Leidenschaft, nichts Äußeres, was mich an
Clara hält mit allen Fasern meines Daseins, es ist die tiefste Überzeugung,
daß selten ein Bündniß unter so günstiger Übereinstimmung aller Verhält¬
nisse ins Leben treten könne, es ist das verehrungswürdige hohe Mädchen
selbst, das überall Glück verbreitet und für unseres bürgt. Sind auch Sie
zu dieser Überzeugung gekommen, so geben Sie mir gewiß das Versprechen,
daß Sie vor der Hand nichts über Claras Zukunft entscheiden wollen, wie ich
Ihnen auf mein Wort verspreche, gegen Ihren Wunsch nicht mit Clara zu
reden. Nur das Eine gestatten Sie, daß wir uns, wenn Sie auf längeren
Reisen sind, einander Nachricht geben dürfen.

So wäre mir diese Lebensfrage vom Herzen; es schlägt im Augenblick so
ruhig, denn es ist sich bewußt, daß es nur Glück und Frieden unter den
Menschen will. Vertrauensvoll lege ich meine Zukunft in Ihre Hand. Meinem
Stand, meinem Talente, meinem Charakter sind Sie eine schonende und voll¬
ständige Antwort schuldig. Am liebsten sprechen wir uns!

Feierliche Augenblicke bis dahin, wo ich eine Entscheidung erfahre — feierlich
wie die Pause zwischen Blitz und Schlag im Gewitter, wo man zittert, ob es


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[0086] Ungedruckte Briefe von Robert Schumann nicht ruhig zu führen. Wenn ich daher in Form und Ausdruck hier und bei fehle, so sehen Sie mir dies nach. Es ist heute Claras Geburtstag — der Tag, an dem das Liebste, was die Welt für mich hat, zum ersten Male das Licht erblickt, — der Tag, an dem ich von jeher auch über mich nachgedacht, da sie so tief in mein Leben eingegriffen. Gestehe ich es, so dachte ich noch nie so beruhigt an meine Zu¬ kunft, als gerade heute. Sicher gestellt gegen Mangel, so weit dies mensch¬ liche Einsicht voraussagen kann, schöne Pläne im Kopf, ein junges, allem Edlen begeistertes Herz, Hände zum Arbeiten, im Bewußtsein eines herrlichen Wirkungs¬ kreises und noch Iauch?j in der Hoffnung, Alles zu leisten, was von meinen Kräften erwartet werden kann, geehrt und geliebt von Vielen — ich dächte, es wäre genug! — Ach, der schmerzlichen Antwort, die ich mir darauf geben muß! Was ist das Alles gegen den Schmerz, gerade von der getrennt zu sein, der dies ganze Streben gilt, und die mich treu und innig wieder liebt. Sie kennen diese Einzige, Sie glücklicher Vater, nur zu wohl- Fragen Sie ihr Auge, ob ich nicht wahr gesprochen! Achtzehn Monate lang haben Sie mich geprüft, schwer wie ein Schicksal für sich. Wie dürfte ich Ihnen zürnen! Ich hatte Sie tief gekränkt, aber büßen haben Sie mich es auch lassen. — Jetzt prüfen Sie mich noch einmal so lange. Vielleicht, wenn Sie nicht das Unmögliche fordern, vielleicht halten meine Kräfte mit Ihren Wünschen Schritt; vielleicht gewinne ich mir Ihr Vertrauen wieder. Sie wissen, daß ich in hohen Dingen ausdauere. Finden Sie mich dann bewährt, treu und männlich, so segnen Sie dies Seelenbündniß, dem zum höchsten Glück nichts fehlt als die elterliche Weihe. Es ist nicht die Aufregung des Augenblicks, keine Leidenschaft, nichts Äußeres, was mich an Clara hält mit allen Fasern meines Daseins, es ist die tiefste Überzeugung, daß selten ein Bündniß unter so günstiger Übereinstimmung aller Verhält¬ nisse ins Leben treten könne, es ist das verehrungswürdige hohe Mädchen selbst, das überall Glück verbreitet und für unseres bürgt. Sind auch Sie zu dieser Überzeugung gekommen, so geben Sie mir gewiß das Versprechen, daß Sie vor der Hand nichts über Claras Zukunft entscheiden wollen, wie ich Ihnen auf mein Wort verspreche, gegen Ihren Wunsch nicht mit Clara zu reden. Nur das Eine gestatten Sie, daß wir uns, wenn Sie auf längeren Reisen sind, einander Nachricht geben dürfen. So wäre mir diese Lebensfrage vom Herzen; es schlägt im Augenblick so ruhig, denn es ist sich bewußt, daß es nur Glück und Frieden unter den Menschen will. Vertrauensvoll lege ich meine Zukunft in Ihre Hand. Meinem Stand, meinem Talente, meinem Charakter sind Sie eine schonende und voll¬ ständige Antwort schuldig. Am liebsten sprechen wir uns! Feierliche Augenblicke bis dahin, wo ich eine Entscheidung erfahre — feierlich wie die Pause zwischen Blitz und Schlag im Gewitter, wo man zittert, ob es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/86>, abgerufen am 16.05.2024.