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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten im Rampfe für Freiheit und Humanität

zu züchtigen. Auch entzog ihm der Umstand die Sympathien der die Reinlich¬
keit hochschätzenden Amerikaner einigermaßen, daß er in dem Hotel, wo er ans
Kosten seiner Verehrer wohnte, gestiefelt und gespornt zu Bett ging und
schlimmer als ein Indianer hauste. Grimmig täuschten sich auch unsre Acht¬
undvierziger, die unter den nüchternen Bewohnern des Landes der Freiheit so
wenig Verständnis für den Sturm und Drang fanden, der ihnen im Busen
wühlte. Das hatten sie nicht erwartet, daß es in Amerika nur eben die
praktische Freiheit gab, daß sich jeder sein Leben zimmern konnte, wie er wollte,
Geld verdienen oder nicht -- wiewohl im letzten Falle das Maß seines An¬
sehens weit geringer war als im ersten. Nur die kamen drüben fort, die bald
genug ihre abstrakte Begeisterung für Menschenrechte und Freiheiten ablegten,
praktisch Hand anzulegen und in der Jagd nach dem Dollar alle Schwärmerei
zu vergessen wußten. Ein Beispiel hiervon war der tüchtige Friedrich Kapp,
der es als Schriftsteller und Unternehmer in Amerika zu etwas brachte und dort
von einem verbissenen Demokraten, nach Art seines Freundes Ludwig Feuer¬
bach, zum patriotischen Anhänger des neuen Reichs wurde. Er heilte den
unpraktisch schwärmerischen Feuerbach gründlich von seinen Illusionen über die
"Freiheit" in Amerika.

Sein praktischer Sinn und sein Mangel an kosmopolitischer Bildung be¬
wahrt den Amerikaner vor dem Kosmopolitismus des Deutschen. So schwung¬
voll man auch immer von Freiheit und Humanität zu sprechen verstanden hat,
so haben dem doch immer nur dann auch die Thaten entsprochen, wenn sie
dem eignen Lande Nutzen oder doch keinen Schaden brachten. Auch bei der
Kossuthbegeisterung hatte es mit einem Protest des Kongresses gegen den Einfall
Rußlands in Ungarn sein Bewenden, der natürlich ohne praktische Folgen
blieb. Mindestens klingt es heute als altertümliche Phrase, wenn damals die
UemcxzriMo Ksvisv schrieb: "Die Zeit kommt, wo unser Nicken, das wie das
Nicken Jupiters die Erde erschüttert, der Befreiung der Nationen gewidmet
werden soll." Das Wort Befreiung wäre angesichts der letzten Ereignisse aber
wohl ouin AiÄno sM8 zu verstehen.

Nur eine That verdient mit Recht als ein Kampf für Freiheit und
Humanität gefeiert zu werden, das ist der blutige Sklavenkrieg, den es sich
die Union kosten ließ, um sich als Einheitsstaat zu erhalten und den Zank¬
apfel der Zwietracht, die Sklaverei, ein für allemal zu beseitigen. Damals ist
manches schöne Wort von Humanität gesprochen worden und hat die Be¬
geisterung der nördlichen Krieger erhöht, wiewohl die Erhaltung der Union
das eigentliche Feldgeschrei war. Und es verdient auch der Aufrichtigkeit der
Südlichen zur Ehre hervorgehoben zu werden, daß sie sich niemals so rück¬
haltlos für fremde Freiheitskämpfe erwärmt haben wie die Nördlichen, weil
die Anwendung auf ihr schwarzes Eigentum doch allzuucihe lag. Somit hat
der Kampf der Vereinigten Staaten "für Freiheit und Humanität" immer der


Die vereinigten Staaten im Rampfe für Freiheit und Humanität

zu züchtigen. Auch entzog ihm der Umstand die Sympathien der die Reinlich¬
keit hochschätzenden Amerikaner einigermaßen, daß er in dem Hotel, wo er ans
Kosten seiner Verehrer wohnte, gestiefelt und gespornt zu Bett ging und
schlimmer als ein Indianer hauste. Grimmig täuschten sich auch unsre Acht¬
undvierziger, die unter den nüchternen Bewohnern des Landes der Freiheit so
wenig Verständnis für den Sturm und Drang fanden, der ihnen im Busen
wühlte. Das hatten sie nicht erwartet, daß es in Amerika nur eben die
praktische Freiheit gab, daß sich jeder sein Leben zimmern konnte, wie er wollte,
Geld verdienen oder nicht — wiewohl im letzten Falle das Maß seines An¬
sehens weit geringer war als im ersten. Nur die kamen drüben fort, die bald
genug ihre abstrakte Begeisterung für Menschenrechte und Freiheiten ablegten,
praktisch Hand anzulegen und in der Jagd nach dem Dollar alle Schwärmerei
zu vergessen wußten. Ein Beispiel hiervon war der tüchtige Friedrich Kapp,
der es als Schriftsteller und Unternehmer in Amerika zu etwas brachte und dort
von einem verbissenen Demokraten, nach Art seines Freundes Ludwig Feuer¬
bach, zum patriotischen Anhänger des neuen Reichs wurde. Er heilte den
unpraktisch schwärmerischen Feuerbach gründlich von seinen Illusionen über die
„Freiheit" in Amerika.

Sein praktischer Sinn und sein Mangel an kosmopolitischer Bildung be¬
wahrt den Amerikaner vor dem Kosmopolitismus des Deutschen. So schwung¬
voll man auch immer von Freiheit und Humanität zu sprechen verstanden hat,
so haben dem doch immer nur dann auch die Thaten entsprochen, wenn sie
dem eignen Lande Nutzen oder doch keinen Schaden brachten. Auch bei der
Kossuthbegeisterung hatte es mit einem Protest des Kongresses gegen den Einfall
Rußlands in Ungarn sein Bewenden, der natürlich ohne praktische Folgen
blieb. Mindestens klingt es heute als altertümliche Phrase, wenn damals die
UemcxzriMo Ksvisv schrieb: „Die Zeit kommt, wo unser Nicken, das wie das
Nicken Jupiters die Erde erschüttert, der Befreiung der Nationen gewidmet
werden soll." Das Wort Befreiung wäre angesichts der letzten Ereignisse aber
wohl ouin AiÄno sM8 zu verstehen.

Nur eine That verdient mit Recht als ein Kampf für Freiheit und
Humanität gefeiert zu werden, das ist der blutige Sklavenkrieg, den es sich
die Union kosten ließ, um sich als Einheitsstaat zu erhalten und den Zank¬
apfel der Zwietracht, die Sklaverei, ein für allemal zu beseitigen. Damals ist
manches schöne Wort von Humanität gesprochen worden und hat die Be¬
geisterung der nördlichen Krieger erhöht, wiewohl die Erhaltung der Union
das eigentliche Feldgeschrei war. Und es verdient auch der Aufrichtigkeit der
Südlichen zur Ehre hervorgehoben zu werden, daß sie sich niemals so rück¬
haltlos für fremde Freiheitskämpfe erwärmt haben wie die Nördlichen, weil
die Anwendung auf ihr schwarzes Eigentum doch allzuucihe lag. Somit hat
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[0695] Die vereinigten Staaten im Rampfe für Freiheit und Humanität zu züchtigen. Auch entzog ihm der Umstand die Sympathien der die Reinlich¬ keit hochschätzenden Amerikaner einigermaßen, daß er in dem Hotel, wo er ans Kosten seiner Verehrer wohnte, gestiefelt und gespornt zu Bett ging und schlimmer als ein Indianer hauste. Grimmig täuschten sich auch unsre Acht¬ undvierziger, die unter den nüchternen Bewohnern des Landes der Freiheit so wenig Verständnis für den Sturm und Drang fanden, der ihnen im Busen wühlte. Das hatten sie nicht erwartet, daß es in Amerika nur eben die praktische Freiheit gab, daß sich jeder sein Leben zimmern konnte, wie er wollte, Geld verdienen oder nicht — wiewohl im letzten Falle das Maß seines An¬ sehens weit geringer war als im ersten. Nur die kamen drüben fort, die bald genug ihre abstrakte Begeisterung für Menschenrechte und Freiheiten ablegten, praktisch Hand anzulegen und in der Jagd nach dem Dollar alle Schwärmerei zu vergessen wußten. Ein Beispiel hiervon war der tüchtige Friedrich Kapp, der es als Schriftsteller und Unternehmer in Amerika zu etwas brachte und dort von einem verbissenen Demokraten, nach Art seines Freundes Ludwig Feuer¬ bach, zum patriotischen Anhänger des neuen Reichs wurde. Er heilte den unpraktisch schwärmerischen Feuerbach gründlich von seinen Illusionen über die „Freiheit" in Amerika. Sein praktischer Sinn und sein Mangel an kosmopolitischer Bildung be¬ wahrt den Amerikaner vor dem Kosmopolitismus des Deutschen. So schwung¬ voll man auch immer von Freiheit und Humanität zu sprechen verstanden hat, so haben dem doch immer nur dann auch die Thaten entsprochen, wenn sie dem eignen Lande Nutzen oder doch keinen Schaden brachten. Auch bei der Kossuthbegeisterung hatte es mit einem Protest des Kongresses gegen den Einfall Rußlands in Ungarn sein Bewenden, der natürlich ohne praktische Folgen blieb. Mindestens klingt es heute als altertümliche Phrase, wenn damals die UemcxzriMo Ksvisv schrieb: „Die Zeit kommt, wo unser Nicken, das wie das Nicken Jupiters die Erde erschüttert, der Befreiung der Nationen gewidmet werden soll." Das Wort Befreiung wäre angesichts der letzten Ereignisse aber wohl ouin AiÄno sM8 zu verstehen. Nur eine That verdient mit Recht als ein Kampf für Freiheit und Humanität gefeiert zu werden, das ist der blutige Sklavenkrieg, den es sich die Union kosten ließ, um sich als Einheitsstaat zu erhalten und den Zank¬ apfel der Zwietracht, die Sklaverei, ein für allemal zu beseitigen. Damals ist manches schöne Wort von Humanität gesprochen worden und hat die Be¬ geisterung der nördlichen Krieger erhöht, wiewohl die Erhaltung der Union das eigentliche Feldgeschrei war. Und es verdient auch der Aufrichtigkeit der Südlichen zur Ehre hervorgehoben zu werden, daß sie sich niemals so rück¬ haltlos für fremde Freiheitskämpfe erwärmt haben wie die Nördlichen, weil die Anwendung auf ihr schwarzes Eigentum doch allzuucihe lag. Somit hat der Kampf der Vereinigten Staaten „für Freiheit und Humanität" immer der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/695>, abgerufen am 22.05.2024.