Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.Thüringer Märchen So so! Nun ist eitles gut! rief da Kcithrine und ging in den Stall zu ihren Da meckerte die alte Ziege ein wenig, als füllte das ihr Herzensglückwunsch Drei Jahre danach schwebte einmal die grüne Fee Veronika nach dem Schloß Beini letzten Wort ließ sich Herr Bodo durch einen Schwung seines Fußes das Die grüne Fee Veronika draußen auf dem Nußbaume freute sich auch und [Beginn Spaltensatz]
Auf und nieder in den Zeiten Schwanken Lust und Thränenflut. Ewig mit einander streiten Winterfrost und Sommerglnt. Unsre Huld Pflegt Geduld, Knüpfet Fäden, Löst den Bann, Henel Schäden, Wo sie kann. Schwanken Schönheit, Gunst und Glück. Kehrt dus Alte neu zurück. Unser Sein Spielt im Schein Eitler Dinge Und im Glanz Lofer Ringe Ab den Tanz.Auf und nieder in den Zeiten Und aus ungemcßnen Weiten [Spaltenumbruch] Auf und nieder in den Zeiten schwankt der Menschen Schicksalsgang. Müssens oft zum Besten leiten, Wenn der Faden sich verschlang. Leis und lind Schon zum Kind Neigt sich nieder Unsre Gunst, Wenn zuwider Schwarze Kunst. Auf und nieder in den Zeiten schwankt der Menschen eitler Sinn. Vor dem Thor der Ewigkeiten Sinkt der Staub ins Nichts dahin. Leerer Schall In dein All Ist verloren. Aus der That Wird geboren Haft und Rat. [Ende Spaltensatz] Thüringer Märchen So so! Nun ist eitles gut! rief da Kcithrine und ging in den Stall zu ihren Da meckerte die alte Ziege ein wenig, als füllte das ihr Herzensglückwunsch Drei Jahre danach schwebte einmal die grüne Fee Veronika nach dem Schloß Beini letzten Wort ließ sich Herr Bodo durch einen Schwung seines Fußes das Die grüne Fee Veronika draußen auf dem Nußbaume freute sich auch und [Beginn Spaltensatz]
Auf und nieder in den Zeiten Schwanken Lust und Thränenflut. Ewig mit einander streiten Winterfrost und Sommerglnt. Unsre Huld Pflegt Geduld, Knüpfet Fäden, Löst den Bann, Henel Schäden, Wo sie kann. Schwanken Schönheit, Gunst und Glück. Kehrt dus Alte neu zurück. Unser Sein Spielt im Schein Eitler Dinge Und im Glanz Lofer Ringe Ab den Tanz.Auf und nieder in den Zeiten Und aus ungemcßnen Weiten [Spaltenumbruch] Auf und nieder in den Zeiten schwankt der Menschen Schicksalsgang. Müssens oft zum Besten leiten, Wenn der Faden sich verschlang. Leis und lind Schon zum Kind Neigt sich nieder Unsre Gunst, Wenn zuwider Schwarze Kunst. Auf und nieder in den Zeiten schwankt der Menschen eitler Sinn. Vor dem Thor der Ewigkeiten Sinkt der Staub ins Nichts dahin. Leerer Schall In dein All Ist verloren. Aus der That Wird geboren Haft und Rat. [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0449" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232261"/> <fw type="header" place="top"> Thüringer Märchen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1597"> So so! Nun ist eitles gut! rief da Kcithrine und ging in den Stall zu ihren<lb/> Ziegen und streichelte sie und scigte leise zu ihnen: Habt ihrs gehört? Euer Hirt,<lb/> der Bodo, ist ein Graf und ein Bräutigam dazu!</p><lb/> <p xml:id="ID_1598"> Da meckerte die alte Ziege ein wenig, als füllte das ihr Herzensglückwunsch<lb/> sein. Wer der Ziegenbock, der ein wenig weiter hinten seinen Stand für sich hatte,<lb/> stieß mit den starken Hörnern seines dicken Trotzkopfes so gewaltig an die Bretter¬<lb/> wand, daß es krachte. Dem rief die Herrin zu: Herrn! Hera! da hilft nun alles<lb/> nix! Ihr müßt halt nun einen andern Hirten kriegen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1599" next="#ID_1600"> Drei Jahre danach schwebte einmal die grüne Fee Veronika nach dem Schloß<lb/> Ziegenstein und setzte sich vor dem Fenster des Grafen Bodo auf den Nußbaum,<lb/> abends bet Hellem Mondschein. Da sah sie drinnen den Grafen bor dem Tische<lb/> sitzen, auf dem ein großer goldner Leuchter mit drei brennenden Kerzen stand. Und<lb/> er hatte das eine Bein über das andre geschlagen, und auf dem in der Luft<lb/> schwebenden Fuß saß sein kleiner Bube, den er an beiden Händchen im Gleich¬<lb/> gewicht hielt. Und der Graf ließ das Büblein ans dem auf- und niedergehenden<lb/> Fuß reiten, daß es vor Freude strahlte, und sang dazu:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_5" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1600" prev="#ID_1599"> Beini letzten Wort ließ sich Herr Bodo durch einen Schwung seines Fußes das<lb/> Büblein auf deu Schoß springen, daß es hellanflachte, und herzte es. Und die<lb/> Gräfin Elsbeth hüben und das Fräulein Irma drüben lachten gar herzlich mit,<lb/> und im Hintergründe standen Kathrine und Lisabeth und freuten sich wie ein paar<lb/> Großmütter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1601"> Die grüne Fee Veronika draußen auf dem Nußbaume freute sich auch und<lb/> schwebte kichernd heim zum Schloß im Eulenbusch, und da sang sie mit ihren<lb/> Schwestern nach wonniger Weise diesen Neigen:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l><cb type="start"/> Auf und nieder in den Zeiten<lb/> Schwanken Lust und Thränenflut.<lb/> Ewig mit einander streiten<lb/> Winterfrost und Sommerglnt.<lb/> Unsre Huld<lb/> Pflegt Geduld,<lb/> Knüpfet Fäden,<lb/> Löst den Bann,<lb/> Henel Schäden,<lb/> Wo sie kann. Schwanken Schönheit, Gunst und Glück.<lb/> Kehrt dus Alte neu zurück.<lb/> Unser Sein<lb/> Spielt im Schein<lb/> Eitler Dinge<lb/> Und im Glanz<lb/> Lofer Ringe<lb/> Ab den Tanz.Auf und nieder in den Zeiten<lb/> Und aus ungemcßnen Weiten <cb/> Auf und nieder in den Zeiten<lb/> schwankt der Menschen Schicksalsgang.<lb/> Müssens oft zum Besten leiten,<lb/> Wenn der Faden sich verschlang.<lb/> Leis und lind<lb/> Schon zum Kind<lb/> Neigt sich nieder<lb/> Unsre Gunst,<lb/> Wenn zuwider<lb/> Schwarze Kunst. Auf und nieder in den Zeiten<lb/> schwankt der Menschen eitler Sinn.<lb/> Vor dem Thor der Ewigkeiten<lb/> Sinkt der Staub ins Nichts dahin.<lb/> Leerer Schall<lb/> In dein All<lb/> Ist verloren.<lb/> Aus der That<lb/> Wird geboren<lb/> Haft und Rat. <cb type="end"/> </l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0449]
Thüringer Märchen
So so! Nun ist eitles gut! rief da Kcithrine und ging in den Stall zu ihren
Ziegen und streichelte sie und scigte leise zu ihnen: Habt ihrs gehört? Euer Hirt,
der Bodo, ist ein Graf und ein Bräutigam dazu!
Da meckerte die alte Ziege ein wenig, als füllte das ihr Herzensglückwunsch
sein. Wer der Ziegenbock, der ein wenig weiter hinten seinen Stand für sich hatte,
stieß mit den starken Hörnern seines dicken Trotzkopfes so gewaltig an die Bretter¬
wand, daß es krachte. Dem rief die Herrin zu: Herrn! Hera! da hilft nun alles
nix! Ihr müßt halt nun einen andern Hirten kriegen.
Drei Jahre danach schwebte einmal die grüne Fee Veronika nach dem Schloß
Ziegenstein und setzte sich vor dem Fenster des Grafen Bodo auf den Nußbaum,
abends bet Hellem Mondschein. Da sah sie drinnen den Grafen bor dem Tische
sitzen, auf dem ein großer goldner Leuchter mit drei brennenden Kerzen stand. Und
er hatte das eine Bein über das andre geschlagen, und auf dem in der Luft
schwebenden Fuß saß sein kleiner Bube, den er an beiden Händchen im Gleich¬
gewicht hielt. Und der Graf ließ das Büblein ans dem auf- und niedergehenden
Fuß reiten, daß es vor Freude strahlte, und sang dazu:
Beini letzten Wort ließ sich Herr Bodo durch einen Schwung seines Fußes das
Büblein auf deu Schoß springen, daß es hellanflachte, und herzte es. Und die
Gräfin Elsbeth hüben und das Fräulein Irma drüben lachten gar herzlich mit,
und im Hintergründe standen Kathrine und Lisabeth und freuten sich wie ein paar
Großmütter.
Die grüne Fee Veronika draußen auf dem Nußbaume freute sich auch und
schwebte kichernd heim zum Schloß im Eulenbusch, und da sang sie mit ihren
Schwestern nach wonniger Weise diesen Neigen:
Auf und nieder in den Zeiten
Schwanken Lust und Thränenflut.
Ewig mit einander streiten
Winterfrost und Sommerglnt.
Unsre Huld
Pflegt Geduld,
Knüpfet Fäden,
Löst den Bann,
Henel Schäden,
Wo sie kann. Schwanken Schönheit, Gunst und Glück.
Kehrt dus Alte neu zurück.
Unser Sein
Spielt im Schein
Eitler Dinge
Und im Glanz
Lofer Ringe
Ab den Tanz.Auf und nieder in den Zeiten
Und aus ungemcßnen Weiten
Auf und nieder in den Zeiten
schwankt der Menschen Schicksalsgang.
Müssens oft zum Besten leiten,
Wenn der Faden sich verschlang.
Leis und lind
Schon zum Kind
Neigt sich nieder
Unsre Gunst,
Wenn zuwider
Schwarze Kunst. Auf und nieder in den Zeiten
schwankt der Menschen eitler Sinn.
Vor dem Thor der Ewigkeiten
Sinkt der Staub ins Nichts dahin.
Leerer Schall
In dein All
Ist verloren.
Aus der That
Wird geboren
Haft und Rat.
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