Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

14 Wagenbränden, 15 Beraubungen von Zugteilen und 7 Überfällen durch
Gesindel die Fahrt auf der sibirischen Bahn zu einem gewagten Unternehme"
machen. In demselben Betriebsjahre haben 860061 Reisende für mehr als
2 Millionen Rubel Fahrpreis die Eisenbahn benutzt und siud 1082620 Tonnen
Güter befördert worden. Die einer Weiterführung des Eisenbahnbans um den
Baikalsee herum entgegenstehenden GeländeschN'ierigkeiten hatten zu dem Ent¬
schluß veranlaßt, die Eisenbahn auf dein linken Angaraufer an den Baikalsee
bei Listwinitschnvje heranzuführen. Hier sollen die Züge auf große, der
winterlichen starken Vereisung des Sees wegen als Eisbrecher konstruierte
Dampfer -- drei sind ans England geliefert und werden in Listwinitschnoje
zusammengesetzt -- verladen und nach Myssowskaja am Ostufer übergesetzt
werden. Da aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Eisbrecher nicht imstande
sein werden, den Trajektverkehr über den See offen zu halten, so wird die
Baikalumgehungsbahn zur Freude der Ingenieure doch wohl noch gebaut
werden.

Von Mhssvwskaja aus ist die Transbaikalbahn über Werchnje-Udinsk-^
Tschita -- zwischen beiden Orten den Jablonowy überschreitend -- weiter über
Nertschinsk bis Srjetjensk stellenweise fertig, stellenweise noch im Bau,*) verspricht
aber wegen ihrer liederlichen Bauart bei erst recht ungünstigen Geländeverhält¬
nissen zunächst uoch viel betriebsgefährlicher zu werdeu als die ostsibirische'
Strecke. Die Schlußstrecke der großen Eisenbahn, die Amnrbahn, die Srjetjensk
über Blagowjeschtschensk mit Chabarvwsk verbinden sollte, wird, wie bekannt
ist, vorläufig nicht gebaut; an ihrer Stelle wird entweder die Dampfschiffahrt
auf dem Amur leistungsfähiger eingerichtet oder eine Chaussee angelegt. Dafiir
hat sich Rußland durch einen Vertrag mit China unter dem 8. September
1896 deu Bau einer Bahn von der Station Onon (Windung des Ononflusscs)
der Transbaikalbahn quer durch die Mandschurei über Zizikar--Chillan-tscheu--
Ninguta nach Nikolskoje an der Ussuribahii gesichert, auch verstanden, den
größten Teil der Aktie" der Russisch-Chinesischen Bank, die diese Bahn baut,
in seine Hand zu bringen und sich Aufsichts- und Schutzrcchte, sowie die Er¬
laubnis, Kosnkenposten an der Bahn zu unterhalten, erworben. Auch diese
Bahn ist ebenso wie die Abzweigung Chulan-tscheu--Mukden--Port Arthur
im Bau, und so wird binnen wenigen Jahren ein Schienenstrang von 9300
Kilometern Länge Moskau, das Herz des russischen Reichs, mit dem Stillen
Ozean und dem Golf von Pctschili verbinden.

Luxusziige sollen alsdann in zehn Tagen eine Strecke durchfahren, zu
der man früher vielleicht, wenn es gut ging, zwei Monate gebraucht hat. Dav
ist freilich Zukunftsmusik. Bis ein solcher Betrieb eingerichtet werden kann,
muß die übrigens nur eiugeleisige Bahn zu einem großen Teil umgebaut, niet
einem stärkern Oberbau versehen, im Unterbau hier und da verstärkt und durch
Zwischenlegung von Stationen leistungsfähiger gemacht werden. Zu diesem



") Inzwischen eröffnet.

14 Wagenbränden, 15 Beraubungen von Zugteilen und 7 Überfällen durch
Gesindel die Fahrt auf der sibirischen Bahn zu einem gewagten Unternehme»
machen. In demselben Betriebsjahre haben 860061 Reisende für mehr als
2 Millionen Rubel Fahrpreis die Eisenbahn benutzt und siud 1082620 Tonnen
Güter befördert worden. Die einer Weiterführung des Eisenbahnbans um den
Baikalsee herum entgegenstehenden GeländeschN'ierigkeiten hatten zu dem Ent¬
schluß veranlaßt, die Eisenbahn auf dein linken Angaraufer an den Baikalsee
bei Listwinitschnvje heranzuführen. Hier sollen die Züge auf große, der
winterlichen starken Vereisung des Sees wegen als Eisbrecher konstruierte
Dampfer — drei sind ans England geliefert und werden in Listwinitschnoje
zusammengesetzt — verladen und nach Myssowskaja am Ostufer übergesetzt
werden. Da aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Eisbrecher nicht imstande
sein werden, den Trajektverkehr über den See offen zu halten, so wird die
Baikalumgehungsbahn zur Freude der Ingenieure doch wohl noch gebaut
werden.

Von Mhssvwskaja aus ist die Transbaikalbahn über Werchnje-Udinsk-^
Tschita — zwischen beiden Orten den Jablonowy überschreitend — weiter über
Nertschinsk bis Srjetjensk stellenweise fertig, stellenweise noch im Bau,*) verspricht
aber wegen ihrer liederlichen Bauart bei erst recht ungünstigen Geländeverhält¬
nissen zunächst uoch viel betriebsgefährlicher zu werdeu als die ostsibirische'
Strecke. Die Schlußstrecke der großen Eisenbahn, die Amnrbahn, die Srjetjensk
über Blagowjeschtschensk mit Chabarvwsk verbinden sollte, wird, wie bekannt
ist, vorläufig nicht gebaut; an ihrer Stelle wird entweder die Dampfschiffahrt
auf dem Amur leistungsfähiger eingerichtet oder eine Chaussee angelegt. Dafiir
hat sich Rußland durch einen Vertrag mit China unter dem 8. September
1896 deu Bau einer Bahn von der Station Onon (Windung des Ononflusscs)
der Transbaikalbahn quer durch die Mandschurei über Zizikar—Chillan-tscheu—
Ninguta nach Nikolskoje an der Ussuribahii gesichert, auch verstanden, den
größten Teil der Aktie» der Russisch-Chinesischen Bank, die diese Bahn baut,
in seine Hand zu bringen und sich Aufsichts- und Schutzrcchte, sowie die Er¬
laubnis, Kosnkenposten an der Bahn zu unterhalten, erworben. Auch diese
Bahn ist ebenso wie die Abzweigung Chulan-tscheu—Mukden--Port Arthur
im Bau, und so wird binnen wenigen Jahren ein Schienenstrang von 9300
Kilometern Länge Moskau, das Herz des russischen Reichs, mit dem Stillen
Ozean und dem Golf von Pctschili verbinden.

Luxusziige sollen alsdann in zehn Tagen eine Strecke durchfahren, zu
der man früher vielleicht, wenn es gut ging, zwei Monate gebraucht hat. Dav
ist freilich Zukunftsmusik. Bis ein solcher Betrieb eingerichtet werden kann,
muß die übrigens nur eiugeleisige Bahn zu einem großen Teil umgebaut, niet
einem stärkern Oberbau versehen, im Unterbau hier und da verstärkt und durch
Zwischenlegung von Stationen leistungsfähiger gemacht werden. Zu diesem



") Inzwischen eröffnet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/233042"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1596" prev="#ID_1595"> 14 Wagenbränden, 15 Beraubungen von Zugteilen und 7 Überfällen durch<lb/>
Gesindel die Fahrt auf der sibirischen Bahn zu einem gewagten Unternehme»<lb/>
machen. In demselben Betriebsjahre haben 860061 Reisende für mehr als<lb/>
2 Millionen Rubel Fahrpreis die Eisenbahn benutzt und siud 1082620 Tonnen<lb/>
Güter befördert worden. Die einer Weiterführung des Eisenbahnbans um den<lb/>
Baikalsee herum entgegenstehenden GeländeschN'ierigkeiten hatten zu dem Ent¬<lb/>
schluß veranlaßt, die Eisenbahn auf dein linken Angaraufer an den Baikalsee<lb/>
bei Listwinitschnvje heranzuführen. Hier sollen die Züge auf große, der<lb/>
winterlichen starken Vereisung des Sees wegen als Eisbrecher konstruierte<lb/>
Dampfer &#x2014; drei sind ans England geliefert und werden in Listwinitschnoje<lb/>
zusammengesetzt &#x2014; verladen und nach Myssowskaja am Ostufer übergesetzt<lb/>
werden. Da aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Eisbrecher nicht imstande<lb/>
sein werden, den Trajektverkehr über den See offen zu halten, so wird die<lb/>
Baikalumgehungsbahn zur Freude der Ingenieure doch wohl noch gebaut<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1597"> Von Mhssvwskaja aus ist die Transbaikalbahn über Werchnje-Udinsk-^<lb/>
Tschita &#x2014; zwischen beiden Orten den Jablonowy überschreitend &#x2014; weiter über<lb/>
Nertschinsk bis Srjetjensk stellenweise fertig, stellenweise noch im Bau,*) verspricht<lb/>
aber wegen ihrer liederlichen Bauart bei erst recht ungünstigen Geländeverhält¬<lb/>
nissen zunächst uoch viel betriebsgefährlicher zu werdeu als die ostsibirische'<lb/>
Strecke. Die Schlußstrecke der großen Eisenbahn, die Amnrbahn, die Srjetjensk<lb/>
über Blagowjeschtschensk mit Chabarvwsk verbinden sollte, wird, wie bekannt<lb/>
ist, vorläufig nicht gebaut; an ihrer Stelle wird entweder die Dampfschiffahrt<lb/>
auf dem Amur leistungsfähiger eingerichtet oder eine Chaussee angelegt. Dafiir<lb/>
hat sich Rußland durch einen Vertrag mit China unter dem 8. September<lb/>
1896 deu Bau einer Bahn von der Station Onon (Windung des Ononflusscs)<lb/>
der Transbaikalbahn quer durch die Mandschurei über Zizikar&#x2014;Chillan-tscheu&#x2014;<lb/>
Ninguta nach Nikolskoje an der Ussuribahii gesichert, auch verstanden, den<lb/>
größten Teil der Aktie» der Russisch-Chinesischen Bank, die diese Bahn baut,<lb/>
in seine Hand zu bringen und sich Aufsichts- und Schutzrcchte, sowie die Er¬<lb/>
laubnis, Kosnkenposten an der Bahn zu unterhalten, erworben. Auch diese<lb/>
Bahn ist ebenso wie die Abzweigung Chulan-tscheu&#x2014;Mukden--Port Arthur<lb/>
im Bau, und so wird binnen wenigen Jahren ein Schienenstrang von 9300<lb/>
Kilometern Länge Moskau, das Herz des russischen Reichs, mit dem Stillen<lb/>
Ozean und dem Golf von Pctschili verbinden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1598" next="#ID_1599"> Luxusziige sollen alsdann in zehn Tagen eine Strecke durchfahren, zu<lb/>
der man früher vielleicht, wenn es gut ging, zwei Monate gebraucht hat. Dav<lb/>
ist freilich Zukunftsmusik. Bis ein solcher Betrieb eingerichtet werden kann,<lb/>
muß die übrigens nur eiugeleisige Bahn zu einem großen Teil umgebaut, niet<lb/>
einem stärkern Oberbau versehen, im Unterbau hier und da verstärkt und durch<lb/>
Zwischenlegung von Stationen leistungsfähiger gemacht werden.  Zu diesem</p><lb/>
          <note xml:id="FID_73" place="foot"> ") Inzwischen eröffnet.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0490] 14 Wagenbränden, 15 Beraubungen von Zugteilen und 7 Überfällen durch Gesindel die Fahrt auf der sibirischen Bahn zu einem gewagten Unternehme» machen. In demselben Betriebsjahre haben 860061 Reisende für mehr als 2 Millionen Rubel Fahrpreis die Eisenbahn benutzt und siud 1082620 Tonnen Güter befördert worden. Die einer Weiterführung des Eisenbahnbans um den Baikalsee herum entgegenstehenden GeländeschN'ierigkeiten hatten zu dem Ent¬ schluß veranlaßt, die Eisenbahn auf dein linken Angaraufer an den Baikalsee bei Listwinitschnvje heranzuführen. Hier sollen die Züge auf große, der winterlichen starken Vereisung des Sees wegen als Eisbrecher konstruierte Dampfer — drei sind ans England geliefert und werden in Listwinitschnoje zusammengesetzt — verladen und nach Myssowskaja am Ostufer übergesetzt werden. Da aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Eisbrecher nicht imstande sein werden, den Trajektverkehr über den See offen zu halten, so wird die Baikalumgehungsbahn zur Freude der Ingenieure doch wohl noch gebaut werden. Von Mhssvwskaja aus ist die Transbaikalbahn über Werchnje-Udinsk-^ Tschita — zwischen beiden Orten den Jablonowy überschreitend — weiter über Nertschinsk bis Srjetjensk stellenweise fertig, stellenweise noch im Bau,*) verspricht aber wegen ihrer liederlichen Bauart bei erst recht ungünstigen Geländeverhält¬ nissen zunächst uoch viel betriebsgefährlicher zu werdeu als die ostsibirische' Strecke. Die Schlußstrecke der großen Eisenbahn, die Amnrbahn, die Srjetjensk über Blagowjeschtschensk mit Chabarvwsk verbinden sollte, wird, wie bekannt ist, vorläufig nicht gebaut; an ihrer Stelle wird entweder die Dampfschiffahrt auf dem Amur leistungsfähiger eingerichtet oder eine Chaussee angelegt. Dafiir hat sich Rußland durch einen Vertrag mit China unter dem 8. September 1896 deu Bau einer Bahn von der Station Onon (Windung des Ononflusscs) der Transbaikalbahn quer durch die Mandschurei über Zizikar—Chillan-tscheu— Ninguta nach Nikolskoje an der Ussuribahii gesichert, auch verstanden, den größten Teil der Aktie» der Russisch-Chinesischen Bank, die diese Bahn baut, in seine Hand zu bringen und sich Aufsichts- und Schutzrcchte, sowie die Er¬ laubnis, Kosnkenposten an der Bahn zu unterhalten, erworben. Auch diese Bahn ist ebenso wie die Abzweigung Chulan-tscheu—Mukden--Port Arthur im Bau, und so wird binnen wenigen Jahren ein Schienenstrang von 9300 Kilometern Länge Moskau, das Herz des russischen Reichs, mit dem Stillen Ozean und dem Golf von Pctschili verbinden. Luxusziige sollen alsdann in zehn Tagen eine Strecke durchfahren, zu der man früher vielleicht, wenn es gut ging, zwei Monate gebraucht hat. Dav ist freilich Zukunftsmusik. Bis ein solcher Betrieb eingerichtet werden kann, muß die übrigens nur eiugeleisige Bahn zu einem großen Teil umgebaut, niet einem stärkern Oberbau versehen, im Unterbau hier und da verstärkt und durch Zwischenlegung von Stationen leistungsfähiger gemacht werden. Zu diesem ") Inzwischen eröffnet.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/490
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/490>, abgerufen am 16.06.2024.