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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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sehende Arbeiten beschränken. Nimmt man hierzu die jedem Geschäftskundige"
sofort als .Karikatur erkennbare Schilderung des Schleppgangs bei der Behörde,
die den draußen fleißigen Techniker vergebens auf notwendige Aktenstücke warten
läßt, und die "lächerliche Zentralisierung," bei der sich der Präsident selbst
um die Scheuerfrau des Landmessers kümmert, und beachtet mau, wie der Ver-
fasser, statt deutlich zu sagen, daß heutzutage die Landmesser gut besoldete
pensionsberechtigte Beamte find, lieber hervorhebt, wie ungünstig sie "bis vor
fünfundzwanzig Jahren" gestellt waren, so drängt sich die Annahme aus, daß
der Verfasser seine Information nicht genügend "ach dem: ^uclilckur se g.1tLN>,
xars geprüft habe.

Ich sehe auf eine eigne, freilich schon vor zwanzig Jahren abgeschlossene,
mehr als zwölfjährige Thätigkeit als (juristisch vorgebildeter) Spezialkommissar
zurück. Es ist mir schwer geworden, aus diesem mühseligen und Verantwort¬
licher, aber auch, wenn nicht alles täuscht, nntzenstiftenden Berufe zu scheide";
ich habe aber auch in völlig geänderter Lebensstellung der weitern Thätigkeit
der Generalkommissionen alle Aufmerksamkeit schenken können und geschenkt.
Ich bin weit entfernt von bedingungsloser Billigung und kenne genau die
Schwächen meiner eignen vormaligen Leistungen, Aber die in dem vorliegenden
Aufsatze geübte Kritik darf zur Steuer der Wahrheit nicht ohne Widerspruch
bleiben.

Das Maß juristischer Kenntnis, das von dem Spezialkommissar gefordert
werden muß, darf nicht unterschätzt werden. Bei Zusammenlegungen insbesondre
müssen nicht bloß die Eigentumsverhältnisse, sondern alle rechtlichen Beziehunge"
der Grundstücke,") die zu beseitigenden oder beizubehaltenden Servituteu, die
oft recht dunkeln Formen gemeinschaftlichen Besitzes, die Rechte Dritter, z. B,
bei Ent- und Bewässerungsprojekten die Rechte oberhalb und unterhalb liegender
Grund- und Triebwerksbesitzer, aufgeklärt, nötigenfalls zur richterlich eil Ent¬
scheidung instruiert werden; im Verfahren selbst ist genauste Beachtung der
Formvorschriften unerläßlich; die Erklärungen der meist des mündlichen Vor¬
trägst wenig kundigen Beteiligten müssen unter sorgfältiger Erfassung ihrer Ab¬
sicht und doch in präziser Form zu Papier gebracht werden; die Fassung der
Rezesse, die für alle getrosfneu Haupt- und Nebenregnlierungen die dauernde
rechtliche Grundlage bilden sollen, bietet oft große juristische Schwierigkeiten.
Was dem für diese juristische Seite der Sache allein vorgebildeten Kommissar
beim Eintritt in das Amt der Regel nach fehlt, und was mit schwerer Mühe
erworben werden muß, ist genügende Kenntnis in landwirtschaftlichen Dingen,
vor alle"! Bodenkunde in weitesten Umfange und Betriebslehre, Es ist aber
mindestens eine offne Frage, ob es dem nur juristisch vorgebildeten Kommissar
leichter gelingt, diese Lücke zu füllen, oder dem nur landwirtschaftlich vor¬
gebildeten, sich das unentbehrliche juristische Wissen anzueignen, Männer, die



^) Die Verhältnisse der einzelnen Landesteile sind hier sehr verschieden! rechtlich am ein¬
fachsten liegen sie wohl in der Rheinprovinz,

sehende Arbeiten beschränken. Nimmt man hierzu die jedem Geschäftskundige»
sofort als .Karikatur erkennbare Schilderung des Schleppgangs bei der Behörde,
die den draußen fleißigen Techniker vergebens auf notwendige Aktenstücke warten
läßt, und die „lächerliche Zentralisierung," bei der sich der Präsident selbst
um die Scheuerfrau des Landmessers kümmert, und beachtet mau, wie der Ver-
fasser, statt deutlich zu sagen, daß heutzutage die Landmesser gut besoldete
pensionsberechtigte Beamte find, lieber hervorhebt, wie ungünstig sie „bis vor
fünfundzwanzig Jahren" gestellt waren, so drängt sich die Annahme aus, daß
der Verfasser seine Information nicht genügend »ach dem: ^uclilckur se g.1tLN>,
xars geprüft habe.

Ich sehe auf eine eigne, freilich schon vor zwanzig Jahren abgeschlossene,
mehr als zwölfjährige Thätigkeit als (juristisch vorgebildeter) Spezialkommissar
zurück. Es ist mir schwer geworden, aus diesem mühseligen und Verantwort¬
licher, aber auch, wenn nicht alles täuscht, nntzenstiftenden Berufe zu scheide»;
ich habe aber auch in völlig geänderter Lebensstellung der weitern Thätigkeit
der Generalkommissionen alle Aufmerksamkeit schenken können und geschenkt.
Ich bin weit entfernt von bedingungsloser Billigung und kenne genau die
Schwächen meiner eignen vormaligen Leistungen, Aber die in dem vorliegenden
Aufsatze geübte Kritik darf zur Steuer der Wahrheit nicht ohne Widerspruch
bleiben.

Das Maß juristischer Kenntnis, das von dem Spezialkommissar gefordert
werden muß, darf nicht unterschätzt werden. Bei Zusammenlegungen insbesondre
müssen nicht bloß die Eigentumsverhältnisse, sondern alle rechtlichen Beziehunge»
der Grundstücke,") die zu beseitigenden oder beizubehaltenden Servituteu, die
oft recht dunkeln Formen gemeinschaftlichen Besitzes, die Rechte Dritter, z. B,
bei Ent- und Bewässerungsprojekten die Rechte oberhalb und unterhalb liegender
Grund- und Triebwerksbesitzer, aufgeklärt, nötigenfalls zur richterlich eil Ent¬
scheidung instruiert werden; im Verfahren selbst ist genauste Beachtung der
Formvorschriften unerläßlich; die Erklärungen der meist des mündlichen Vor¬
trägst wenig kundigen Beteiligten müssen unter sorgfältiger Erfassung ihrer Ab¬
sicht und doch in präziser Form zu Papier gebracht werden; die Fassung der
Rezesse, die für alle getrosfneu Haupt- und Nebenregnlierungen die dauernde
rechtliche Grundlage bilden sollen, bietet oft große juristische Schwierigkeiten.
Was dem für diese juristische Seite der Sache allein vorgebildeten Kommissar
beim Eintritt in das Amt der Regel nach fehlt, und was mit schwerer Mühe
erworben werden muß, ist genügende Kenntnis in landwirtschaftlichen Dingen,
vor alle»! Bodenkunde in weitesten Umfange und Betriebslehre, Es ist aber
mindestens eine offne Frage, ob es dem nur juristisch vorgebildeten Kommissar
leichter gelingt, diese Lücke zu füllen, oder dem nur landwirtschaftlich vor¬
gebildeten, sich das unentbehrliche juristische Wissen anzueignen, Männer, die



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fachsten liegen sie wohl in der Rheinprovinz,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/530>, abgerufen am 22.05.2024.