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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

schlachtet er in dem Kapitel "Litterarischer Unfug" mit dem Satze ab: "Am dicksten
wird der litterarische Unfug in den Grenzboten getrieben." Er teilt daraus drei
kurze Stellen mit und setzt zu jeder eine kleine spöttische Glosse. Das nehme ich
ihm nicht übel. Er ist ein begeisterter Apostel Haeckels, es schmerzt ihn tief, zu
sehen, wie wenig sein Messias der bösen und dummen Welt imponiert, und so
schreibt er denn aus unwirscher Laune heraus. Ich würde deshalb auch kein Wort
dazu sagen, wenn er mir nicht einen Irrtum oder vielmehr einen Mangel an Wissen
nachgewiesen hätte, den ich zu bekennen perpflichtet bin. Nicht in der zweiten und
der dritten der von ihm angeführten Stellen. Von meiner Behauptung, daß der
Mensch nur das begreife, was er, die erforderlichen Hilfsmittel und technischen
Fertigkeiten vorausgesetzt, selbst machen könne, schreibt er nur: "Der Vater dieses
konfusen Gedankens ist übrigens nicht Carl Jentsch, sondern Professor Otto Lieb¬
mann. Derselbe sagt in seiner Analysis der Wirklichkeit usw." Schon möglich,
daß ich den Gedanken, der nicht im mindesten konfus, sondern sehr klar und ein¬
fach ist, anderswoher empfangen habe, aber von Otto Liebmann habe ich ihn sicher¬
lich nicht, denn dessen Analysis der Wirklichkeit habe ich nicht gelesen, und den Ge¬
danken hege ich schon seit vielen Jahren, mag ihn wohl auch schon gelegentlich
ausgesprochen haben, vielleicht sogar öfter. Übrigens kommt es nicht selten vor,
daß mehrere Denker unabhängig voneinander denselben Einfall haben. Und die
Thatsache, daß die Bienen ihr Flugloch nicht wiederfinden, wenn der Stock von
der Stelle gerückt wird, habe ich der Frankfurter Zeitung entnommen, deren Leitung
dem Darwinismus sehr freundlich gesinnt ist, und deren Feuilleton in naturwissen¬
schaftlichen wie in andern Dingen von Fachmännern bedient wird. Wenn Schmidt
die Sache äußerst lächerlich findet, so trifft sein Spott nicht mich, sondern den
Bienenkundigen der Frankfurter Zeitung. Aber in der ersten der von ihm auf-
gegriffnen Stellen spreche ich vou den schönen Panzern der Radiolarien und sage:
"Herr Haeckel soll sich ... das einfachste und kleinste Kalkpcmzerchen wachsen lassen,"
und Herr Schmidt belehrt mich nun, daß sich die Radiolarien ihre Panzerchen vou
Kieselerde oder Acanthiu wachse" lassen. Darauf könnte ich erwidern: Ich habe
ja gar nicht gesagt, daß die Pauzer der Radiolarien aus Kalk bestehn, ich habe
nur gesagt, Haeckel sei nicht imstande, sich einen Kalkpanzer wachsen zu lassen, und
habe hier das Wort Kalk hinzugefügt, weil das menschliche Knochengerüst aus
phosphorsauerm Kalk besteht und für eine feste Schutzhülle, wenn uns eine wüchse,
wahrscheinlich dasselbe Material verwandt werden würde. Doch ich will offen be¬
kennen, daß ich nicht gewußt habe, woraus die Panzer der Radiolarien bestehn,
deshalb auch, wo ich von diesen rede, das Wort Kalk nicht hinzugefügt habe, ob¬
wohl ich allerdings vermutete, daß es Kalk sein möge, da dieser Stoff anch für
die Schutzhüllen der Schaltiere verwandt wird. Aber um den Gedanken auszu-
sprechen, daß ein Meertierchen sicherlich nicht vermöge, was nicht einmal ein Haeckel
vermag, und daß daher ein Höherer jenem seinen Panzer und diesem seine Knochen
gebildet haben müsse, war es schlechterdings nicht nötig, zu wisse", daß die Panzer
der Radiolarien aus Silicium bestehn, und wenn Herr Schmidt schreibt: "Jentsch
mag sich erst einmal etwas in einem Lehrbuch der Zoologie umsehen, dann wird
er -- vielleicht -- mitsprechen können über ein Buch, dessen Inhalt zum größten
Teil eine zoologische Philosophie ist," so müssen die Grenzboten diese Forderung
als eine unverschämte Anmaßung zurückweisen. Wenn die Grenzboten einmal bei
der Entscheidung einer zoologischen Frage mitwirken wollen, werden sie einen
Zoologen einladen; die Frage, ob die organischen Geschöpfe ohne eine planvoll
schaffende Intelligenz entstanden sein können, ist schlechterdings keine zoologische
Frage, sondern eine Frage der Philosophie, wo nicht des gesunden Menschenverstands.
Der römische Papst nimmt doch die Unfehlbarkeit bloß in Sachen der Ktrchenlehre
in Anspruch, und als er sich 1887 in die Septennatswahlen einmischte, haben ihm


Maßgebliches und Unmaßgebliches

schlachtet er in dem Kapitel „Litterarischer Unfug" mit dem Satze ab: „Am dicksten
wird der litterarische Unfug in den Grenzboten getrieben." Er teilt daraus drei
kurze Stellen mit und setzt zu jeder eine kleine spöttische Glosse. Das nehme ich
ihm nicht übel. Er ist ein begeisterter Apostel Haeckels, es schmerzt ihn tief, zu
sehen, wie wenig sein Messias der bösen und dummen Welt imponiert, und so
schreibt er denn aus unwirscher Laune heraus. Ich würde deshalb auch kein Wort
dazu sagen, wenn er mir nicht einen Irrtum oder vielmehr einen Mangel an Wissen
nachgewiesen hätte, den ich zu bekennen perpflichtet bin. Nicht in der zweiten und
der dritten der von ihm angeführten Stellen. Von meiner Behauptung, daß der
Mensch nur das begreife, was er, die erforderlichen Hilfsmittel und technischen
Fertigkeiten vorausgesetzt, selbst machen könne, schreibt er nur: „Der Vater dieses
konfusen Gedankens ist übrigens nicht Carl Jentsch, sondern Professor Otto Lieb¬
mann. Derselbe sagt in seiner Analysis der Wirklichkeit usw." Schon möglich,
daß ich den Gedanken, der nicht im mindesten konfus, sondern sehr klar und ein¬
fach ist, anderswoher empfangen habe, aber von Otto Liebmann habe ich ihn sicher¬
lich nicht, denn dessen Analysis der Wirklichkeit habe ich nicht gelesen, und den Ge¬
danken hege ich schon seit vielen Jahren, mag ihn wohl auch schon gelegentlich
ausgesprochen haben, vielleicht sogar öfter. Übrigens kommt es nicht selten vor,
daß mehrere Denker unabhängig voneinander denselben Einfall haben. Und die
Thatsache, daß die Bienen ihr Flugloch nicht wiederfinden, wenn der Stock von
der Stelle gerückt wird, habe ich der Frankfurter Zeitung entnommen, deren Leitung
dem Darwinismus sehr freundlich gesinnt ist, und deren Feuilleton in naturwissen¬
schaftlichen wie in andern Dingen von Fachmännern bedient wird. Wenn Schmidt
die Sache äußerst lächerlich findet, so trifft sein Spott nicht mich, sondern den
Bienenkundigen der Frankfurter Zeitung. Aber in der ersten der von ihm auf-
gegriffnen Stellen spreche ich vou den schönen Panzern der Radiolarien und sage:
„Herr Haeckel soll sich ... das einfachste und kleinste Kalkpcmzerchen wachsen lassen,"
und Herr Schmidt belehrt mich nun, daß sich die Radiolarien ihre Panzerchen vou
Kieselerde oder Acanthiu wachse» lassen. Darauf könnte ich erwidern: Ich habe
ja gar nicht gesagt, daß die Pauzer der Radiolarien aus Kalk bestehn, ich habe
nur gesagt, Haeckel sei nicht imstande, sich einen Kalkpanzer wachsen zu lassen, und
habe hier das Wort Kalk hinzugefügt, weil das menschliche Knochengerüst aus
phosphorsauerm Kalk besteht und für eine feste Schutzhülle, wenn uns eine wüchse,
wahrscheinlich dasselbe Material verwandt werden würde. Doch ich will offen be¬
kennen, daß ich nicht gewußt habe, woraus die Panzer der Radiolarien bestehn,
deshalb auch, wo ich von diesen rede, das Wort Kalk nicht hinzugefügt habe, ob¬
wohl ich allerdings vermutete, daß es Kalk sein möge, da dieser Stoff anch für
die Schutzhüllen der Schaltiere verwandt wird. Aber um den Gedanken auszu-
sprechen, daß ein Meertierchen sicherlich nicht vermöge, was nicht einmal ein Haeckel
vermag, und daß daher ein Höherer jenem seinen Panzer und diesem seine Knochen
gebildet haben müsse, war es schlechterdings nicht nötig, zu wisse», daß die Panzer
der Radiolarien aus Silicium bestehn, und wenn Herr Schmidt schreibt: „Jentsch
mag sich erst einmal etwas in einem Lehrbuch der Zoologie umsehen, dann wird
er — vielleicht — mitsprechen können über ein Buch, dessen Inhalt zum größten
Teil eine zoologische Philosophie ist," so müssen die Grenzboten diese Forderung
als eine unverschämte Anmaßung zurückweisen. Wenn die Grenzboten einmal bei
der Entscheidung einer zoologischen Frage mitwirken wollen, werden sie einen
Zoologen einladen; die Frage, ob die organischen Geschöpfe ohne eine planvoll
schaffende Intelligenz entstanden sein können, ist schlechterdings keine zoologische
Frage, sondern eine Frage der Philosophie, wo nicht des gesunden Menschenverstands.
Der römische Papst nimmt doch die Unfehlbarkeit bloß in Sachen der Ktrchenlehre
in Anspruch, und als er sich 1887 in die Septennatswahlen einmischte, haben ihm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/270>, abgerufen am 16.06.2024.