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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Goethe und der Goethebund

Kaiser Wilhelm mit vieler Mühe die Zustimmung abgerungen wurde, und die
den Zweck hatte, einerseits für die Betreibung des deutschen Unterrichts mehr
Zeit zu gewinnen, andrerseits -- und das war ihre bedeutendere Wirkung --
im Verein mit andern politischen Maßnahmen der polnischen Agitation und
den polnischen Lehrern endlich einmal klar zu macheu, daß es der Negierung
mit der Gerincinisieruug der Volksschule Ernst sei, und daß sie vou der Forde¬
rung, daß die polnischen Kinder deutsch lernen, nicht abgehn werde.

(Schluß folgt)




Goethe und der Goethebund

Die Resultate der Philosophie, der
Politik und der Religion sollen billig dein
Volke zu gute kommen, das Volk selbst
aber soll man weder zu Philosophen, noch
zu Priestern, noch zu Politikern erziehen
wollen. Es taugt nichts!

Goethe zu Falk.

>ein ist in unsern Tagen zwar gewohnt, daß zu Reklamezwecken
ein berühmter Name einer Sache beigelegt wird, mit der er nichts
zu thun hat, so wenn eine Cigarre "ach Bismarck, ein Gasthaus
nach Schiller benennt wird; aber bei dem unter dem Namen
'"Goethebund" gegründeten Verbände dürfte es doch von Inter¬
esse sein, sich die Frage vorzulegen: welche Beziehungen zwischen Goethe und
dem Goethebund besteh", und was wohl Goethe von diesem Bunde ge¬
dacht hätte.

Der Gocthebnnd ist aus der Bewegung gegen die sogenante Lex Heinze
entstanden, wenigstens äußerlich; innerlich war er nach der Angabe vieler seiner
Mitglieder längst vorhanden in Gemütern, die nur des äußern Anstoßes be¬
durften, sich in der so beliebten Form eines Vereins zusammenzuschließen.
Von der Lex Heinze, wie von aller Politik, verstehe ich fast gar nichts; und
von Goethe habe ich gelernt, daß man über Dinge, die man nicht versteht,
nicht sprechen, noch weniger schreiben soll. Nur eins weiß ich in dieser Sache:
es liegen in der Richtung, in der der Gesetzentwurf zu wirken versuchte, Mi߬
stände vor. Wenn, wie mir ein Geistlicher in einer großem Stadt sagt, es
heutigentags dort schwer fallen dürfte, unverdorbne Knaben von dreizehn
Jahren zu finden, und wenn sich die Altersgrenze der Verdorbenheit immer
weiter nach unten verschiebt, so ist das ein seelischer und körperlicher Mißstand,
eine schwere Gefahr, deren Beseitigung jeder Gutgesinnte wünschen müßte. Es


Goethe und der Goethebund

Kaiser Wilhelm mit vieler Mühe die Zustimmung abgerungen wurde, und die
den Zweck hatte, einerseits für die Betreibung des deutschen Unterrichts mehr
Zeit zu gewinnen, andrerseits — und das war ihre bedeutendere Wirkung —
im Verein mit andern politischen Maßnahmen der polnischen Agitation und
den polnischen Lehrern endlich einmal klar zu macheu, daß es der Negierung
mit der Gerincinisieruug der Volksschule Ernst sei, und daß sie vou der Forde¬
rung, daß die polnischen Kinder deutsch lernen, nicht abgehn werde.

(Schluß folgt)




Goethe und der Goethebund

Die Resultate der Philosophie, der
Politik und der Religion sollen billig dein
Volke zu gute kommen, das Volk selbst
aber soll man weder zu Philosophen, noch
zu Priestern, noch zu Politikern erziehen
wollen. Es taugt nichts!

Goethe zu Falk.

>ein ist in unsern Tagen zwar gewohnt, daß zu Reklamezwecken
ein berühmter Name einer Sache beigelegt wird, mit der er nichts
zu thun hat, so wenn eine Cigarre »ach Bismarck, ein Gasthaus
nach Schiller benennt wird; aber bei dem unter dem Namen
'„Goethebund" gegründeten Verbände dürfte es doch von Inter¬
esse sein, sich die Frage vorzulegen: welche Beziehungen zwischen Goethe und
dem Goethebund besteh», und was wohl Goethe von diesem Bunde ge¬
dacht hätte.

Der Gocthebnnd ist aus der Bewegung gegen die sogenante Lex Heinze
entstanden, wenigstens äußerlich; innerlich war er nach der Angabe vieler seiner
Mitglieder längst vorhanden in Gemütern, die nur des äußern Anstoßes be¬
durften, sich in der so beliebten Form eines Vereins zusammenzuschließen.
Von der Lex Heinze, wie von aller Politik, verstehe ich fast gar nichts; und
von Goethe habe ich gelernt, daß man über Dinge, die man nicht versteht,
nicht sprechen, noch weniger schreiben soll. Nur eins weiß ich in dieser Sache:
es liegen in der Richtung, in der der Gesetzentwurf zu wirken versuchte, Mi߬
stände vor. Wenn, wie mir ein Geistlicher in einer großem Stadt sagt, es
heutigentags dort schwer fallen dürfte, unverdorbne Knaben von dreizehn
Jahren zu finden, und wenn sich die Altersgrenze der Verdorbenheit immer
weiter nach unten verschiebt, so ist das ein seelischer und körperlicher Mißstand,
eine schwere Gefahr, deren Beseitigung jeder Gutgesinnte wünschen müßte. Es


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[0028] Goethe und der Goethebund Kaiser Wilhelm mit vieler Mühe die Zustimmung abgerungen wurde, und die den Zweck hatte, einerseits für die Betreibung des deutschen Unterrichts mehr Zeit zu gewinnen, andrerseits — und das war ihre bedeutendere Wirkung — im Verein mit andern politischen Maßnahmen der polnischen Agitation und den polnischen Lehrern endlich einmal klar zu macheu, daß es der Negierung mit der Gerincinisieruug der Volksschule Ernst sei, und daß sie vou der Forde¬ rung, daß die polnischen Kinder deutsch lernen, nicht abgehn werde. (Schluß folgt) Goethe und der Goethebund Die Resultate der Philosophie, der Politik und der Religion sollen billig dein Volke zu gute kommen, das Volk selbst aber soll man weder zu Philosophen, noch zu Priestern, noch zu Politikern erziehen wollen. Es taugt nichts! Goethe zu Falk. >ein ist in unsern Tagen zwar gewohnt, daß zu Reklamezwecken ein berühmter Name einer Sache beigelegt wird, mit der er nichts zu thun hat, so wenn eine Cigarre »ach Bismarck, ein Gasthaus nach Schiller benennt wird; aber bei dem unter dem Namen '„Goethebund" gegründeten Verbände dürfte es doch von Inter¬ esse sein, sich die Frage vorzulegen: welche Beziehungen zwischen Goethe und dem Goethebund besteh», und was wohl Goethe von diesem Bunde ge¬ dacht hätte. Der Gocthebnnd ist aus der Bewegung gegen die sogenante Lex Heinze entstanden, wenigstens äußerlich; innerlich war er nach der Angabe vieler seiner Mitglieder längst vorhanden in Gemütern, die nur des äußern Anstoßes be¬ durften, sich in der so beliebten Form eines Vereins zusammenzuschließen. Von der Lex Heinze, wie von aller Politik, verstehe ich fast gar nichts; und von Goethe habe ich gelernt, daß man über Dinge, die man nicht versteht, nicht sprechen, noch weniger schreiben soll. Nur eins weiß ich in dieser Sache: es liegen in der Richtung, in der der Gesetzentwurf zu wirken versuchte, Mi߬ stände vor. Wenn, wie mir ein Geistlicher in einer großem Stadt sagt, es heutigentags dort schwer fallen dürfte, unverdorbne Knaben von dreizehn Jahren zu finden, und wenn sich die Altersgrenze der Verdorbenheit immer weiter nach unten verschiebt, so ist das ein seelischer und körperlicher Mißstand, eine schwere Gefahr, deren Beseitigung jeder Gutgesinnte wünschen müßte. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/28>, abgerufen am 16.06.2024.