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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Der kaiserliche ^>chulerlatz
und die Aussichten des humanistischen Gymnasiums
von Gelo Uaemmel

ußerhalb Preußeiis sind die dortigen Bestrebungen nach einer
Neugestaltung des Höhen, Schulwesens kaum mit geringerm
Interesse verfolgt worden, wie in Preußen selbst. Denn einmal
umfaßt Preußen vorn deutschen Boden beinahe zwei Drittel, von
der deutschen Bevölkerung drei Fünftel, sodaß alles, was inner¬
halb der schwarzweißen Grenzpfähle geschieht, an sich schou den größten Teil
der deutschen Nation betrifft; sodann ist das Schwergewicht des Staats so groß,
daß sich die außerprenßischen Bundesstaaten, wenigstens die mittel- und nord¬
deutschen, Anstößer, die von dort kommen, ans die Dauer nicht wohl entziehn
können. Die deutschen Mittclstaateu haben sich das große Verdienst erworben,
sich in der Umgestaltung der höhern Schulen nicht so weit von der alten Grund¬
lage zu entfernen wie die preußischen Verordnungen seit 1892; aber ob sie auf
die Dauer dein "Zuge der Zeit" widerstehn konnten, das war doch bei dem
engen Zusammenhang des ganzen höhern deutschen Schulwesens, wie er
namentlich durch die "Berechtigungen" begründet wird, zweifelhaft. "Wenn
sie uns, so äußerte einmal ein sächsischer Schulmann, einen schneidigen Reich5-
gerichtsrat nach Leipzig schicken, dessen Söhne bei dem Übergang auf ein
sächsisches Gymnasium zurückkomme,!, weil sie unsern Anforderungen nicht ganz
entsprechen, "ud er Lärm zu mache" versteht, dann kann uus das sehr ""bequem
werde,,." Es wurde deshalb in humanistische,, Kreisen auch außerhalb Preußens
als eine wahre Erleichterung empfunden, daß die Pfingstkonfercuz un Jahre 1900
5" vielfach gehegten Befürchturige" größtenteils als unbegründet erunes. Aus
'dren Beschlüssen hat der kaiserliche Erlaß vom 26. November vorige,, Jahres,
"ffeubar das Ergebnis eines mühsame" und schwierigen Kompronnsses. die
Folgerungen i" einer Reihe von allgemeinen Richtlinien gezogen. Sie in
praktisch ausführbare Vorschriften zu übersetzen und diese im Unterricht zu ver-


Grenzboten I 1901 ^


Der kaiserliche ^>chulerlatz
und die Aussichten des humanistischen Gymnasiums
von Gelo Uaemmel

ußerhalb Preußeiis sind die dortigen Bestrebungen nach einer
Neugestaltung des Höhen, Schulwesens kaum mit geringerm
Interesse verfolgt worden, wie in Preußen selbst. Denn einmal
umfaßt Preußen vorn deutschen Boden beinahe zwei Drittel, von
der deutschen Bevölkerung drei Fünftel, sodaß alles, was inner¬
halb der schwarzweißen Grenzpfähle geschieht, an sich schou den größten Teil
der deutschen Nation betrifft; sodann ist das Schwergewicht des Staats so groß,
daß sich die außerprenßischen Bundesstaaten, wenigstens die mittel- und nord¬
deutschen, Anstößer, die von dort kommen, ans die Dauer nicht wohl entziehn
können. Die deutschen Mittclstaateu haben sich das große Verdienst erworben,
sich in der Umgestaltung der höhern Schulen nicht so weit von der alten Grund¬
lage zu entfernen wie die preußischen Verordnungen seit 1892; aber ob sie auf
die Dauer dein „Zuge der Zeit" widerstehn konnten, das war doch bei dem
engen Zusammenhang des ganzen höhern deutschen Schulwesens, wie er
namentlich durch die „Berechtigungen" begründet wird, zweifelhaft. „Wenn
sie uns, so äußerte einmal ein sächsischer Schulmann, einen schneidigen Reich5-
gerichtsrat nach Leipzig schicken, dessen Söhne bei dem Übergang auf ein
sächsisches Gymnasium zurückkomme,!, weil sie unsern Anforderungen nicht ganz
entsprechen, »ud er Lärm zu mache» versteht, dann kann uus das sehr „„bequem
werde,,." Es wurde deshalb in humanistische,, Kreisen auch außerhalb Preußens
als eine wahre Erleichterung empfunden, daß die Pfingstkonfercuz un Jahre 1900
5" vielfach gehegten Befürchturige» größtenteils als unbegründet erunes. Aus
'dren Beschlüssen hat der kaiserliche Erlaß vom 26. November vorige,, Jahres,
"ffeubar das Ergebnis eines mühsame» und schwierigen Kompronnsses. die
Folgerungen i» einer Reihe von allgemeinen Richtlinien gezogen. Sie in
praktisch ausführbare Vorschriften zu übersetzen und diese im Unterricht zu ver-


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[0161] [Abbildung] Der kaiserliche ^>chulerlatz und die Aussichten des humanistischen Gymnasiums von Gelo Uaemmel ußerhalb Preußeiis sind die dortigen Bestrebungen nach einer Neugestaltung des Höhen, Schulwesens kaum mit geringerm Interesse verfolgt worden, wie in Preußen selbst. Denn einmal umfaßt Preußen vorn deutschen Boden beinahe zwei Drittel, von der deutschen Bevölkerung drei Fünftel, sodaß alles, was inner¬ halb der schwarzweißen Grenzpfähle geschieht, an sich schou den größten Teil der deutschen Nation betrifft; sodann ist das Schwergewicht des Staats so groß, daß sich die außerprenßischen Bundesstaaten, wenigstens die mittel- und nord¬ deutschen, Anstößer, die von dort kommen, ans die Dauer nicht wohl entziehn können. Die deutschen Mittclstaateu haben sich das große Verdienst erworben, sich in der Umgestaltung der höhern Schulen nicht so weit von der alten Grund¬ lage zu entfernen wie die preußischen Verordnungen seit 1892; aber ob sie auf die Dauer dein „Zuge der Zeit" widerstehn konnten, das war doch bei dem engen Zusammenhang des ganzen höhern deutschen Schulwesens, wie er namentlich durch die „Berechtigungen" begründet wird, zweifelhaft. „Wenn sie uns, so äußerte einmal ein sächsischer Schulmann, einen schneidigen Reich5- gerichtsrat nach Leipzig schicken, dessen Söhne bei dem Übergang auf ein sächsisches Gymnasium zurückkomme,!, weil sie unsern Anforderungen nicht ganz entsprechen, »ud er Lärm zu mache» versteht, dann kann uus das sehr „„bequem werde,,." Es wurde deshalb in humanistische,, Kreisen auch außerhalb Preußens als eine wahre Erleichterung empfunden, daß die Pfingstkonfercuz un Jahre 1900 5" vielfach gehegten Befürchturige» größtenteils als unbegründet erunes. Aus 'dren Beschlüssen hat der kaiserliche Erlaß vom 26. November vorige,, Jahres, "ffeubar das Ergebnis eines mühsame» und schwierigen Kompronnsses. die Folgerungen i» einer Reihe von allgemeinen Richtlinien gezogen. Sie in praktisch ausführbare Vorschriften zu übersetzen und diese im Unterricht zu ver- Grenzboten I 1901 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/161>, abgerufen am 29.05.2024.