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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Karl Schneider

n der preußischen Lehrerwclt und auch über sie hinaus Hai dieser
Name einen wohlverdienten, guten Klang. Seit dem Jahre 1872
hat der Geheimrat v. Schneider den bestimmenden Einfluß auf
die Gestaltung der preußischen Volksschule und des preußischen
Lehrerbilduugswesens ausgeübt. Unter fünf Untcrrichtsministern
war er der erste und, wie mau ohne Einschränkung sagen darf, ausschlag¬
gebende technische Berater für Volksschul- und Seminarangelegenheiten. Alle
fünf, so verschieden sie waren, Falk, von Puttkamer, von Goßler. Graf Zedlitz
und Bosse haben ihm volles Vertrauen geschenkt und reiche Anerkennung ge¬
zollt. Von den Lehrern wurde er zum Teil gefürchtet, zum weitaus größern
Teil aber verehrt und geliebt. Er hat die Stiehlschen Regulative beseitigt.
Schon diese Beseitigung war -- wir kommen darauf zurück -- eine That,
die seinen Namen unvergeßlich macht. Aber weit mehr bedeutet es, daß er
der Schöpfer der an die Stelle der Regulative getretner Allgemeinen Be¬
stimmungen vom 15. Oktober 1872 war. Sie gelten noch heute. Wenn man
bedenkt, wie kurzlebig heutzutage die Gesetze zu sein pflegen, so liegt in dieser
langen Geltungsdauer einer bloßen administrativen Ordnung -- noch dazu
auf einem so wichtigen und viel umstrittnen Gebiet -- ein Zeugnis der Be¬
währung, wie es nur wenig Männer in leitender Stellung ausweisen können.
Der Maun, dem dieser Wurf gelungen ist. kann kein Durchschnittsmensch sein.
Er muß über den Durchschnitt hoch hinausragen. Wenn ein hervorragender
Mann solcher Art, der auf unser Volksleben und dessen Zukunft einen so
tiefen und nachhaltigen Einfluß geübt hat -- nichts wirkt so sicher in die Zu¬
kunft hinein, wie Schule und Erziehung --, wenn der uns einen Einblick ge¬
währt in seine Lebensführungen, seine Entwicklung und in die Wege, auf
denen er geworden ist, was er ist, so haben diese Lebenserinnerungen vollen
Anspruch auf Beachtung auch in weitern. über die Lehrerwelt hinausgehenden
Kreisen.*) Darum können und wollen auch die Grenzboten um so weniger
an ihnen vorübergehn, als der Geheimrat Schneider vor Jahren zu ihren Mit¬
arbeitern gezählt hat.

Schneider ist in seinem Leben auch litterarisch mannigfach hervorgetreten.
Namentlich die von ihm veröffentlichten Vortrüge, insbesondre der über Schleier-



*) Ein halbes Jahrhundert im Dienste von Kirche und Schule. Lebens¬
erinnerungen von v. Dr. Karl Schneider, Wirklichem Geheimen Oberregierungsrat. Berlin,
Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung), 1900. 488 Seiten Oktav.


Karl Schneider

n der preußischen Lehrerwclt und auch über sie hinaus Hai dieser
Name einen wohlverdienten, guten Klang. Seit dem Jahre 1872
hat der Geheimrat v. Schneider den bestimmenden Einfluß auf
die Gestaltung der preußischen Volksschule und des preußischen
Lehrerbilduugswesens ausgeübt. Unter fünf Untcrrichtsministern
war er der erste und, wie mau ohne Einschränkung sagen darf, ausschlag¬
gebende technische Berater für Volksschul- und Seminarangelegenheiten. Alle
fünf, so verschieden sie waren, Falk, von Puttkamer, von Goßler. Graf Zedlitz
und Bosse haben ihm volles Vertrauen geschenkt und reiche Anerkennung ge¬
zollt. Von den Lehrern wurde er zum Teil gefürchtet, zum weitaus größern
Teil aber verehrt und geliebt. Er hat die Stiehlschen Regulative beseitigt.
Schon diese Beseitigung war — wir kommen darauf zurück — eine That,
die seinen Namen unvergeßlich macht. Aber weit mehr bedeutet es, daß er
der Schöpfer der an die Stelle der Regulative getretner Allgemeinen Be¬
stimmungen vom 15. Oktober 1872 war. Sie gelten noch heute. Wenn man
bedenkt, wie kurzlebig heutzutage die Gesetze zu sein pflegen, so liegt in dieser
langen Geltungsdauer einer bloßen administrativen Ordnung — noch dazu
auf einem so wichtigen und viel umstrittnen Gebiet — ein Zeugnis der Be¬
währung, wie es nur wenig Männer in leitender Stellung ausweisen können.
Der Maun, dem dieser Wurf gelungen ist. kann kein Durchschnittsmensch sein.
Er muß über den Durchschnitt hoch hinausragen. Wenn ein hervorragender
Mann solcher Art, der auf unser Volksleben und dessen Zukunft einen so
tiefen und nachhaltigen Einfluß geübt hat — nichts wirkt so sicher in die Zu¬
kunft hinein, wie Schule und Erziehung —, wenn der uns einen Einblick ge¬
währt in seine Lebensführungen, seine Entwicklung und in die Wege, auf
denen er geworden ist, was er ist, so haben diese Lebenserinnerungen vollen
Anspruch auf Beachtung auch in weitern. über die Lehrerwelt hinausgehenden
Kreisen.*) Darum können und wollen auch die Grenzboten um so weniger
an ihnen vorübergehn, als der Geheimrat Schneider vor Jahren zu ihren Mit¬
arbeitern gezählt hat.

Schneider ist in seinem Leben auch litterarisch mannigfach hervorgetreten.
Namentlich die von ihm veröffentlichten Vortrüge, insbesondre der über Schleier-



*) Ein halbes Jahrhundert im Dienste von Kirche und Schule. Lebens¬
erinnerungen von v. Dr. Karl Schneider, Wirklichem Geheimen Oberregierungsrat. Berlin,
Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung), 1900. 488 Seiten Oktav.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/27>, abgerufen am 16.05.2024.