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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Paul Heyse

Übrigens auch gelegentlich selbst " , so hat er sich später damit auch manchen
unfreundlichen Widersacher geschaffen. Manchmal sieht er Gespenster, d. h, er
sucht und sieht in manchen Dingen Spitzen und Dornen, wo keine sind. Als
Moritz Busch, der damalige Redakteur der Grenzboten, ihm mitteilt, daß
seine Aufsätze über Posen den Beifall Bismarcks gefunden haben, "wußte" er,
daß seine Briefe "bestellte Arbeit" gewesen waren. Das klingt, wie wenn er
wider sein Wissen das Unglück gehabt hätte, ein Prcßreptil zu werden. Aus
Bismarcks Beifall allein ergab sich das keineswegs. Und wenn Schneider mit
seiner Arbeit wirklich der Regierung einen erwünschten Dienst geleistet hatte,
so gereichte ihm dies weder zum Unglück noch zur Unehre. Denn er hatte
mit reinem Willen und als ein ""abhängiger, freier Mann seine Kraft für
eine gute und patriotische Sache eingesetzt. Es ist wahrlich kein Makel, wenn
man mit reinen Händen für ein gutes und edles Ziel thätig ist, in dessen Er¬
strebung man sich auch mit der Staatsregierung begegnet. Aus Schneiders
Darstellung klingt aber ein leises Bedauern heraus. Seine alten Beziehungen
zum doktrinären Liberalismus der damaligen Zeit mögen ihm dabei in den
Gliedern gelegen haben. Er erwies sich in der Schrodaer Zeit als ein ehr¬
licher, wahrhaftiger und selbständiger Mann. An dem "Wettlaufe, den Orthv-
doxismus und Frömmelei Ende der fünfziger Jahre einschlugen, und an den
Demonstrationen der damaligen Zeit" (Loyalitütsadressen) hat er sich nicht be¬
teiligt. Diesen Auswüchsen gegenüber hat er tapfer "gestreikt."

Im Jahre 1862 erst holte er mit seiner Frau die Hochzeitsreise nach,
d. h. er fuhr mit ihr auf zehn Tage nach Berlin. Wie nett und gesund ist
das gegenüber dem konventionellen Unfug, der heutzutage mit den Hochzeits¬
reisen getrieben wird.

(Schluß folgt)




Paul Heyse

M/I^M> Mensch, mit deinem Tichten ist wenig auszurichten, ließ der
Prediger, der den vierundzwanzigjährigen Paul Heyse mit der
Tochter Franz Knglers zu trauen hatte, die Hochzeitsgesellschaft
in der Kirche singen, worauf er dann freilich in der Traurede
Inoch eine freundliche Anspielung auf die poetische Zukunft des
Bräutigams machte. Jetzt giebt uns der siebzigjährige in einen: wundervollen
Buche (Jugenderinnerungen und Bekenntnisse, Berlin, Hertz) über das dennoch
Aufgerichtete einen fesselnden Überblick. Anmutig erzählt er darin von seinem
Elternhause in dem alten Berlin, von seiner urgesunden, originellen und
witzigen Mutter ("Kinder, meine Reden sind nicht so schwach, daß sie gehalten


Paul Heyse

Übrigens auch gelegentlich selbst " , so hat er sich später damit auch manchen
unfreundlichen Widersacher geschaffen. Manchmal sieht er Gespenster, d. h, er
sucht und sieht in manchen Dingen Spitzen und Dornen, wo keine sind. Als
Moritz Busch, der damalige Redakteur der Grenzboten, ihm mitteilt, daß
seine Aufsätze über Posen den Beifall Bismarcks gefunden haben, „wußte" er,
daß seine Briefe „bestellte Arbeit" gewesen waren. Das klingt, wie wenn er
wider sein Wissen das Unglück gehabt hätte, ein Prcßreptil zu werden. Aus
Bismarcks Beifall allein ergab sich das keineswegs. Und wenn Schneider mit
seiner Arbeit wirklich der Regierung einen erwünschten Dienst geleistet hatte,
so gereichte ihm dies weder zum Unglück noch zur Unehre. Denn er hatte
mit reinem Willen und als ein «»abhängiger, freier Mann seine Kraft für
eine gute und patriotische Sache eingesetzt. Es ist wahrlich kein Makel, wenn
man mit reinen Händen für ein gutes und edles Ziel thätig ist, in dessen Er¬
strebung man sich auch mit der Staatsregierung begegnet. Aus Schneiders
Darstellung klingt aber ein leises Bedauern heraus. Seine alten Beziehungen
zum doktrinären Liberalismus der damaligen Zeit mögen ihm dabei in den
Gliedern gelegen haben. Er erwies sich in der Schrodaer Zeit als ein ehr¬
licher, wahrhaftiger und selbständiger Mann. An dem „Wettlaufe, den Orthv-
doxismus und Frömmelei Ende der fünfziger Jahre einschlugen, und an den
Demonstrationen der damaligen Zeit" (Loyalitütsadressen) hat er sich nicht be¬
teiligt. Diesen Auswüchsen gegenüber hat er tapfer „gestreikt."

Im Jahre 1862 erst holte er mit seiner Frau die Hochzeitsreise nach,
d. h. er fuhr mit ihr auf zehn Tage nach Berlin. Wie nett und gesund ist
das gegenüber dem konventionellen Unfug, der heutzutage mit den Hochzeits¬
reisen getrieben wird.

(Schluß folgt)




Paul Heyse

M/I^M> Mensch, mit deinem Tichten ist wenig auszurichten, ließ der
Prediger, der den vierundzwanzigjährigen Paul Heyse mit der
Tochter Franz Knglers zu trauen hatte, die Hochzeitsgesellschaft
in der Kirche singen, worauf er dann freilich in der Traurede
Inoch eine freundliche Anspielung auf die poetische Zukunft des
Bräutigams machte. Jetzt giebt uns der siebzigjährige in einen: wundervollen
Buche (Jugenderinnerungen und Bekenntnisse, Berlin, Hertz) über das dennoch
Aufgerichtete einen fesselnden Überblick. Anmutig erzählt er darin von seinem
Elternhause in dem alten Berlin, von seiner urgesunden, originellen und
witzigen Mutter („Kinder, meine Reden sind nicht so schwach, daß sie gehalten


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[0036] Paul Heyse Übrigens auch gelegentlich selbst " , so hat er sich später damit auch manchen unfreundlichen Widersacher geschaffen. Manchmal sieht er Gespenster, d. h, er sucht und sieht in manchen Dingen Spitzen und Dornen, wo keine sind. Als Moritz Busch, der damalige Redakteur der Grenzboten, ihm mitteilt, daß seine Aufsätze über Posen den Beifall Bismarcks gefunden haben, „wußte" er, daß seine Briefe „bestellte Arbeit" gewesen waren. Das klingt, wie wenn er wider sein Wissen das Unglück gehabt hätte, ein Prcßreptil zu werden. Aus Bismarcks Beifall allein ergab sich das keineswegs. Und wenn Schneider mit seiner Arbeit wirklich der Regierung einen erwünschten Dienst geleistet hatte, so gereichte ihm dies weder zum Unglück noch zur Unehre. Denn er hatte mit reinem Willen und als ein «»abhängiger, freier Mann seine Kraft für eine gute und patriotische Sache eingesetzt. Es ist wahrlich kein Makel, wenn man mit reinen Händen für ein gutes und edles Ziel thätig ist, in dessen Er¬ strebung man sich auch mit der Staatsregierung begegnet. Aus Schneiders Darstellung klingt aber ein leises Bedauern heraus. Seine alten Beziehungen zum doktrinären Liberalismus der damaligen Zeit mögen ihm dabei in den Gliedern gelegen haben. Er erwies sich in der Schrodaer Zeit als ein ehr¬ licher, wahrhaftiger und selbständiger Mann. An dem „Wettlaufe, den Orthv- doxismus und Frömmelei Ende der fünfziger Jahre einschlugen, und an den Demonstrationen der damaligen Zeit" (Loyalitütsadressen) hat er sich nicht be¬ teiligt. Diesen Auswüchsen gegenüber hat er tapfer „gestreikt." Im Jahre 1862 erst holte er mit seiner Frau die Hochzeitsreise nach, d. h. er fuhr mit ihr auf zehn Tage nach Berlin. Wie nett und gesund ist das gegenüber dem konventionellen Unfug, der heutzutage mit den Hochzeits¬ reisen getrieben wird. (Schluß folgt) Paul Heyse M/I^M> Mensch, mit deinem Tichten ist wenig auszurichten, ließ der Prediger, der den vierundzwanzigjährigen Paul Heyse mit der Tochter Franz Knglers zu trauen hatte, die Hochzeitsgesellschaft in der Kirche singen, worauf er dann freilich in der Traurede Inoch eine freundliche Anspielung auf die poetische Zukunft des Bräutigams machte. Jetzt giebt uns der siebzigjährige in einen: wundervollen Buche (Jugenderinnerungen und Bekenntnisse, Berlin, Hertz) über das dennoch Aufgerichtete einen fesselnden Überblick. Anmutig erzählt er darin von seinem Elternhause in dem alten Berlin, von seiner urgesunden, originellen und witzigen Mutter („Kinder, meine Reden sind nicht so schwach, daß sie gehalten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/36>, abgerufen am 22.05.2024.