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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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el" Naturgesetz, Aber mindestens ebenso gewiß ist es, daß sich die Gegen¬
wirkung nicht in>f der Linie der Heysischen Dramatik bewegen wird, und es
wäre überflüssig nach allein, was darüber von vielen Seiten gesagt worden ist,
das Warum zu erörtern, "Hans Lange" und "Kolberg" haben sich auf der
Bühne gehalten. Er kann für sich anführen, daß von denen, die seit Schillers
Zeiten uach höhern dichterischen Zielen gestrebt haben, keiner bei seinen Leb¬
zeiten mehr als zwei oder drei Stücke die Gunst des Publikums hat über¬
dauern sehen, Heinrich von Kleist wurde erst nach seinem Tode anerkannt,
Grillparzer erst am Abend seines Lebens, von Hebbel hat sich nur die Maria
Magdalena behauptet, von Otto Ludwig kaum der Erbförster, von Gustav
Freytag außer den Journalisten höchstens die Valentine, Was Hesse uns
über den Verfall des Schauspiels, das Vordrängen der Oper und den dort
und hier maßgebenden Einfluß des bloßen Unterhaltnngsbednrfnisses sagt,
bleibt währ und beherzigenswert, und was er über seine persönlichen Erfah-
rungen als Theaterdichter hinzufügt, zeigt uns ihn ans der Höhe, die er als
Schriftsteller überhaupt einnimmt.

Endlich die Prosanovelle, die hauptsächlich er bei uns (sie ist ja roma¬
nischen Ursprungs) nach Form und Stil geschaffen hat. Er legt an Beispielen
dar, wie weit sie von ihm erlebt, wie weit sie erfunden ist, wo ihn innere
Impulse, wo ihn die Gesetze der Gattung leiteten. Jeder wird daS mit Genuß
lesen, es soll hier nicht ausgezogen werden. Er muß es sich schon gefallen
lassen, daß Nur ihn auch hier zu allermeist als "Künstler" ansehen und -- ver¬
ehren, denn er ist der Meister, anch in der Sprache der Abhandlung, wovon
dieses Buch ein Zeugnis ist. Wir legen es bewundernd aus der Hand, Wie
der Wohllaut schöner Verse umspielen uns die klar und spiegelhell dahin¬
fließenden Sätze, Nichts ist pathetisch, alles einfach, keine gesuchte, aber auch
keine verbrauchte Wendung, jedes Wort steht an seinein Platze und trifft,
nichts klischeemüßiges, alles frisch und wie für diesen Sinn und diese Sache
geprägt. Wenn unter den Tänzen und Sprüngen der Modernen alle Ma߬
stäbe ins Schwanken geraten, bei ihm können Nur fühlen und lernen, was
"klassisch" ist. Mag er es manchmal um sich bellen und kläffen hören, er
kann dazu schweigen: Bilde, Künstler, rede nicht. Seine Kunst und dieses
^. Buch macht ihm keiner nach.




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el» Naturgesetz, Aber mindestens ebenso gewiß ist es, daß sich die Gegen¬
wirkung nicht in>f der Linie der Heysischen Dramatik bewegen wird, und es
wäre überflüssig nach allein, was darüber von vielen Seiten gesagt worden ist,
das Warum zu erörtern, „Hans Lange" und „Kolberg" haben sich auf der
Bühne gehalten. Er kann für sich anführen, daß von denen, die seit Schillers
Zeiten uach höhern dichterischen Zielen gestrebt haben, keiner bei seinen Leb¬
zeiten mehr als zwei oder drei Stücke die Gunst des Publikums hat über¬
dauern sehen, Heinrich von Kleist wurde erst nach seinem Tode anerkannt,
Grillparzer erst am Abend seines Lebens, von Hebbel hat sich nur die Maria
Magdalena behauptet, von Otto Ludwig kaum der Erbförster, von Gustav
Freytag außer den Journalisten höchstens die Valentine, Was Hesse uns
über den Verfall des Schauspiels, das Vordrängen der Oper und den dort
und hier maßgebenden Einfluß des bloßen Unterhaltnngsbednrfnisses sagt,
bleibt währ und beherzigenswert, und was er über seine persönlichen Erfah-
rungen als Theaterdichter hinzufügt, zeigt uns ihn ans der Höhe, die er als
Schriftsteller überhaupt einnimmt.

Endlich die Prosanovelle, die hauptsächlich er bei uns (sie ist ja roma¬
nischen Ursprungs) nach Form und Stil geschaffen hat. Er legt an Beispielen
dar, wie weit sie von ihm erlebt, wie weit sie erfunden ist, wo ihn innere
Impulse, wo ihn die Gesetze der Gattung leiteten. Jeder wird daS mit Genuß
lesen, es soll hier nicht ausgezogen werden. Er muß es sich schon gefallen
lassen, daß Nur ihn auch hier zu allermeist als „Künstler" ansehen und — ver¬
ehren, denn er ist der Meister, anch in der Sprache der Abhandlung, wovon
dieses Buch ein Zeugnis ist. Wir legen es bewundernd aus der Hand, Wie
der Wohllaut schöner Verse umspielen uns die klar und spiegelhell dahin¬
fließenden Sätze, Nichts ist pathetisch, alles einfach, keine gesuchte, aber auch
keine verbrauchte Wendung, jedes Wort steht an seinein Platze und trifft,
nichts klischeemüßiges, alles frisch und wie für diesen Sinn und diese Sache
geprägt. Wenn unter den Tänzen und Sprüngen der Modernen alle Ma߬
stäbe ins Schwanken geraten, bei ihm können Nur fühlen und lernen, was
„klassisch" ist. Mag er es manchmal um sich bellen und kläffen hören, er
kann dazu schweigen: Bilde, Künstler, rede nicht. Seine Kunst und dieses
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/42>, abgerufen am 15.05.2024.