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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
von Fritz Andürs Dritte Reihe
^. Kleine Füchse

le Hnushaltuugspension für junge Mädchen im Hcinse des Herrn
Superintendenten Friccius in Waltcroda erfreute sich eines großen
Ansehens, und zwar dies weniger des Herrn Superintendenten als
der Frau Superintendentin wegen, die, das mußte ihr der Neid
lassen, ihr Handwerk perstand. -- Wie to in inen nur superintendents
dazu, sagte Frau Pastor Knackstiesel mit der ihr eigentümlichen Be-
tonung beim Missivnsnähen, eine Pension einzurichten. Es stört doch so sehr das
Familienleben, und mein lieber Manu sagt auch immer, er verdenke es Super¬
intendent?, sich solche Schehne aufzulegen, und wenn man nicht einmal mehr im
Hause seineu Schlnfrock anziehn dürfe, dann höre schließlich alles ans.

Das aber hatte sich der Superintendent längst selbst gesagt. -- Nicht des
Schlafrocks wegen. Vielmehr war er der Ansicht, daß es nicht vom Übel sein
würde, wenn Herr Pastor Knackstiefel etwas weniger Schlafrock trüge. Aber der
Herr Superintendent hatte Pier Söhne, von denen der eine Leutnant bei der
Artillerie war, während der andre es bis zum Referendar gebracht hat. Sehr
feudal, sehr dem Wunsche der Frau Snpcriuteudentin entsprechend, aber auch sehr
derer! Und dazu kamen die von Jahr zu Jahr sinkenden Ackerpnchten, sodaß die
Lage schwierig geworden sein würde, wenn sich nicht die Frnn Snperintendcntin,
wie sie es in wirtschaftlichen Nöten zu thun pflegte, ins Mittel geschlagen hätte.
Sie gründete eine Hnushaltuugspension. -- Gott verhüte, sagte sie, daß ich mich
wegen des Titels Superintendent überheben sollte; aber die Leute sind einmal so,
sie geben etwas ans das Äußere, und "im Hanse des Herrn Superintendenten" --
das zieht. Dn sollst sehen, wir kriegen junge Mädchen soviel, als wir wollen.
Und es ist anch wahr, zu jedem Pastor würde ich meine Tochter auch nicht ins
Haus geben.

Aber vielleicht zu jedem Superintendenten'? sagte der Herr Superintendent
und machte sein spitzes Gesicht.

Er war ein kleiner, feiner, alter Herr, und seine Frau war breit, groß, stattlich
ü"^ freundlichem und mütterlichem Aussehen. Frau Snperintendentin beachtete
den Einwurf nicht weiter, sondern fuhr fort, mit ihrem lieben Manne zu über¬
legen, wie die Pension einzurichten sei, wobei -- ein Zeichen, wie recht sie in
allen Dingen hatte immer das herauskam, was sie sich zuerst gedacht hatte.

Aber die Sache hatte noch einen andern Grund. Frau Superintendent wollte
etwas zum Pflegen haben. Die Söhne waren fort, das Haus stand leer, nud der
liebe Mann war darin wunderlich, daß er durchaus nicht gepflegt sein wollte. Er
konnte ungeduldig werden, wenn er mit zu viel häuslicher Fürsorge umgeben wurde.
Und über diese Zurückweisung war die Frau Snperintendeutin, die doch so gern




Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
von Fritz Andürs Dritte Reihe
^. Kleine Füchse

le Hnushaltuugspension für junge Mädchen im Hcinse des Herrn
Superintendenten Friccius in Waltcroda erfreute sich eines großen
Ansehens, und zwar dies weniger des Herrn Superintendenten als
der Frau Superintendentin wegen, die, das mußte ihr der Neid
lassen, ihr Handwerk perstand. — Wie to in inen nur superintendents
dazu, sagte Frau Pastor Knackstiesel mit der ihr eigentümlichen Be-
tonung beim Missivnsnähen, eine Pension einzurichten. Es stört doch so sehr das
Familienleben, und mein lieber Manu sagt auch immer, er verdenke es Super¬
intendent?, sich solche Schehne aufzulegen, und wenn man nicht einmal mehr im
Hause seineu Schlnfrock anziehn dürfe, dann höre schließlich alles ans.

Das aber hatte sich der Superintendent längst selbst gesagt. — Nicht des
Schlafrocks wegen. Vielmehr war er der Ansicht, daß es nicht vom Übel sein
würde, wenn Herr Pastor Knackstiefel etwas weniger Schlafrock trüge. Aber der
Herr Superintendent hatte Pier Söhne, von denen der eine Leutnant bei der
Artillerie war, während der andre es bis zum Referendar gebracht hat. Sehr
feudal, sehr dem Wunsche der Frau Snpcriuteudentin entsprechend, aber auch sehr
derer! Und dazu kamen die von Jahr zu Jahr sinkenden Ackerpnchten, sodaß die
Lage schwierig geworden sein würde, wenn sich nicht die Frnn Snperintendcntin,
wie sie es in wirtschaftlichen Nöten zu thun pflegte, ins Mittel geschlagen hätte.
Sie gründete eine Hnushaltuugspension. — Gott verhüte, sagte sie, daß ich mich
wegen des Titels Superintendent überheben sollte; aber die Leute sind einmal so,
sie geben etwas ans das Äußere, und „im Hanse des Herrn Superintendenten" —
das zieht. Dn sollst sehen, wir kriegen junge Mädchen soviel, als wir wollen.
Und es ist anch wahr, zu jedem Pastor würde ich meine Tochter auch nicht ins
Haus geben.

Aber vielleicht zu jedem Superintendenten'? sagte der Herr Superintendent
und machte sein spitzes Gesicht.

Er war ein kleiner, feiner, alter Herr, und seine Frau war breit, groß, stattlich
ü"^ freundlichem und mütterlichem Aussehen. Frau Snperintendentin beachtete
den Einwurf nicht weiter, sondern fuhr fort, mit ihrem lieben Manne zu über¬
legen, wie die Pension einzurichten sei, wobei — ein Zeichen, wie recht sie in
allen Dingen hatte immer das herauskam, was sie sich zuerst gedacht hatte.

Aber die Sache hatte noch einen andern Grund. Frau Superintendent wollte
etwas zum Pflegen haben. Die Söhne waren fort, das Haus stand leer, nud der
liebe Mann war darin wunderlich, daß er durchaus nicht gepflegt sein wollte. Er
konnte ungeduldig werden, wenn er mit zu viel häuslicher Fürsorge umgeben wurde.
Und über diese Zurückweisung war die Frau Snperintendeutin, die doch so gern


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[0047] [Abbildung] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben von Fritz Andürs Dritte Reihe ^. Kleine Füchse le Hnushaltuugspension für junge Mädchen im Hcinse des Herrn Superintendenten Friccius in Waltcroda erfreute sich eines großen Ansehens, und zwar dies weniger des Herrn Superintendenten als der Frau Superintendentin wegen, die, das mußte ihr der Neid lassen, ihr Handwerk perstand. — Wie to in inen nur superintendents dazu, sagte Frau Pastor Knackstiesel mit der ihr eigentümlichen Be- tonung beim Missivnsnähen, eine Pension einzurichten. Es stört doch so sehr das Familienleben, und mein lieber Manu sagt auch immer, er verdenke es Super¬ intendent?, sich solche Schehne aufzulegen, und wenn man nicht einmal mehr im Hause seineu Schlnfrock anziehn dürfe, dann höre schließlich alles ans. Das aber hatte sich der Superintendent längst selbst gesagt. — Nicht des Schlafrocks wegen. Vielmehr war er der Ansicht, daß es nicht vom Übel sein würde, wenn Herr Pastor Knackstiefel etwas weniger Schlafrock trüge. Aber der Herr Superintendent hatte Pier Söhne, von denen der eine Leutnant bei der Artillerie war, während der andre es bis zum Referendar gebracht hat. Sehr feudal, sehr dem Wunsche der Frau Snpcriuteudentin entsprechend, aber auch sehr derer! Und dazu kamen die von Jahr zu Jahr sinkenden Ackerpnchten, sodaß die Lage schwierig geworden sein würde, wenn sich nicht die Frnn Snperintendcntin, wie sie es in wirtschaftlichen Nöten zu thun pflegte, ins Mittel geschlagen hätte. Sie gründete eine Hnushaltuugspension. — Gott verhüte, sagte sie, daß ich mich wegen des Titels Superintendent überheben sollte; aber die Leute sind einmal so, sie geben etwas ans das Äußere, und „im Hanse des Herrn Superintendenten" — das zieht. Dn sollst sehen, wir kriegen junge Mädchen soviel, als wir wollen. Und es ist anch wahr, zu jedem Pastor würde ich meine Tochter auch nicht ins Haus geben. Aber vielleicht zu jedem Superintendenten'? sagte der Herr Superintendent und machte sein spitzes Gesicht. Er war ein kleiner, feiner, alter Herr, und seine Frau war breit, groß, stattlich ü"^ freundlichem und mütterlichem Aussehen. Frau Snperintendentin beachtete den Einwurf nicht weiter, sondern fuhr fort, mit ihrem lieben Manne zu über¬ legen, wie die Pension einzurichten sei, wobei — ein Zeichen, wie recht sie in allen Dingen hatte immer das herauskam, was sie sich zuerst gedacht hatte. Aber die Sache hatte noch einen andern Grund. Frau Superintendent wollte etwas zum Pflegen haben. Die Söhne waren fort, das Haus stand leer, nud der liebe Mann war darin wunderlich, daß er durchaus nicht gepflegt sein wollte. Er konnte ungeduldig werden, wenn er mit zu viel häuslicher Fürsorge umgeben wurde. Und über diese Zurückweisung war die Frau Snperintendeutin, die doch so gern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/47>, abgerufen am 15.05.2024.