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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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laufe, ohne daß nur von einem durchgängigen Fortschritte der einen gegenüber der
ander" reden dürfe. Von diesem Standpunkt aus charakterisiert der Verfasser das klassische
Altertum nach allen seinen Seiten und in seinen Entwicklungsstufen, deren Parallele
mit der Entwicklung der modernen Völker er zugleich geistvoll nachweist. Die antike
Welt aber ging innerlich nicht durch die Barbaren zu Grunde, sondern an einer
ungeheuern 'llmwandlnng der Weltanschauung um etwa 300 v, Chr.; "sie begrub
die alten Ideale nicht wie die Leiche des Erblassers, sie warf sie von sich wie ein
verschlissenes Kleid," und indem sich bald nachher der römische Occident politisch
von, griechische" Orient trennte, verfiel er der Barbarei. Einen kurzen Abschnitt
der deutschen Geschichte behandelt in ähnlicher Weise, alle ihre Gebiete nmspnnncud
und alle die in ihm wirksamen Kräfte gerecht und scharfsinnig abwägend, die Neu¬
jahrsrede von 1900, nämlich das neunzehnte Jahrhundert; aber er beginnt dieses
mit der französischen Revolution von 1789 und schließt es -- sehr richtig -- mit
dein Tode .Kaiser Wilhelms I. 1888 ab. Vielleicht am weitesten zieht den .Kreis
der Betrachtung trotz ihrer Kürze die großartige Rede zum Kaisergeburtstage 1898
.Volk, Staat/Sprache." Auch hier tritt Wilamowitz weitverbreiteten Meinungen
scharf entgegen. Die Sprache allein schafft noch kein Volk, Staat und Volk siud
zweierlei/ und die Volksindividnalität allein giebt noch kein Recht auf staatliche
Selbständigkeit; dieses Recht gewährt nnr eine selbständige, individuelle Kultur.
Vollendet also -- so muß man ergänzen -- wird die Ausbildung eiuer Nationa¬
lität erst durch den nationale" Staat. Es hat große geschichtliche Perioden ge¬
geben, wo die Nationalität gegenüber universalen Mächten, wie dem Kaisertum und
der Kirche im Abendlande, dem Islam im Morgenlande gar nichts bedeutete; aber
durch den Maugel an staatlicher Selbständigkeit und selbst mit dem Verlust der
Sprache geht die Volksart keineswegs immer zu Grunde; vielmehr haben Iberer,
Kelten, Jllyrier. uuarische Kleinasiaten die Kultur der Länder, in die sie aufgingen,
aufs stärkste beeinflußt. Die Juden leben noch heute als eine geschlossene Gruppe
der semitischen Rasse fort, obwohl sie seit Jahrtausenden niemals einen Staat ge¬
bildet und ihre heimische Sprache längst mit den Sprachen der Völker, unter denen
sie sich niedergelassen haben, vertauscht haben, und wieder die Griechen haben, jahr¬
hundertelang ahne eignen Staat, ihre Sprache. Volksart und Kultur behauptet, die
auch heute weit über die engen Grenzen des Königreichs Hellas Hinansreichen und
von dessen Schicksalen nicht abhängig sind. Ein Volk seiner Muttersprache zu ent¬
wöhnen und ihm dafür eine fremde zu geben, kann nnr einer überlegnen Kultur,
niemals der Staatsgewalt gelingen. So'hat Rom den Westen romanisiert, freilich
erst, nachdem es die widerstrebenden Völker gewaltsam niedergetreten hatte, und
diese Kultur war deshalb "keine lebendige Kultur," sondern gab nur eine formelle
Schulung durch die Rhetorik. Dagegen haben die hellenistischen Könige des Ostens
nach Alexanders des Großen Grundsätzen die Völker zwar ihrer mvnnrchischen Herr¬
schaft, aber nicht der Herrschaft ihrer Rasse unterworfen; hellenisiert wurden sie
lediglich durch die ungeheure Überlegenheit der hellenischen Kultur, die überall von
autonomen griechischen' Stadtgemeinden vertreten wurde. Wir Deutschen sollen uns
deshalb freuen über jede relie wirklich selbständige und wertvolle Kultur an unsern
Grenzen wie über die dänische und die russische. Aber die Geschichte kennt kein Existenz-
recht eines kulturlosen Volks oder seiner Sprache. Ist ein solches von einer höher"
Kultur abhängig geworden, so gehört es mich in Wahrheit dem Volkstum an, dessen
Kultur es beherrscht; den notwendigen völligen Aufsaugungsprozeß soll mau von oben
vorsichtig fördern, "gewaltsame Hast wird 'ihn nnr hemmen oder gar Rückbildungen
hervorrufen." Ein Wort für unsre liberalen Pvlenfresser. "Wer diese (deutsche) .Kultur
bewußt oder unbewußt als Lebenselement in seiner Seele trägt, der ist ein Deutscher;
Rasse, Sprache, Staatsangehörigkeit sind alle nicht entscheidend." Das Wesen und die
Aufgaben der Philologie in der Gegenwart (Herrschaft über die Sprache, geseh


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laufe, ohne daß nur von einem durchgängigen Fortschritte der einen gegenüber der
ander» reden dürfe. Von diesem Standpunkt aus charakterisiert der Verfasser das klassische
Altertum nach allen seinen Seiten und in seinen Entwicklungsstufen, deren Parallele
mit der Entwicklung der modernen Völker er zugleich geistvoll nachweist. Die antike
Welt aber ging innerlich nicht durch die Barbaren zu Grunde, sondern an einer
ungeheuern 'llmwandlnng der Weltanschauung um etwa 300 v, Chr.; „sie begrub
die alten Ideale nicht wie die Leiche des Erblassers, sie warf sie von sich wie ein
verschlissenes Kleid," und indem sich bald nachher der römische Occident politisch
von, griechische» Orient trennte, verfiel er der Barbarei. Einen kurzen Abschnitt
der deutschen Geschichte behandelt in ähnlicher Weise, alle ihre Gebiete nmspnnncud
und alle die in ihm wirksamen Kräfte gerecht und scharfsinnig abwägend, die Neu¬
jahrsrede von 1900, nämlich das neunzehnte Jahrhundert; aber er beginnt dieses
mit der französischen Revolution von 1789 und schließt es — sehr richtig — mit
dein Tode .Kaiser Wilhelms I. 1888 ab. Vielleicht am weitesten zieht den .Kreis
der Betrachtung trotz ihrer Kürze die großartige Rede zum Kaisergeburtstage 1898
.Volk, Staat/Sprache." Auch hier tritt Wilamowitz weitverbreiteten Meinungen
scharf entgegen. Die Sprache allein schafft noch kein Volk, Staat und Volk siud
zweierlei/ und die Volksindividnalität allein giebt noch kein Recht auf staatliche
Selbständigkeit; dieses Recht gewährt nnr eine selbständige, individuelle Kultur.
Vollendet also — so muß man ergänzen — wird die Ausbildung eiuer Nationa¬
lität erst durch den nationale» Staat. Es hat große geschichtliche Perioden ge¬
geben, wo die Nationalität gegenüber universalen Mächten, wie dem Kaisertum und
der Kirche im Abendlande, dem Islam im Morgenlande gar nichts bedeutete; aber
durch den Maugel an staatlicher Selbständigkeit und selbst mit dem Verlust der
Sprache geht die Volksart keineswegs immer zu Grunde; vielmehr haben Iberer,
Kelten, Jllyrier. uuarische Kleinasiaten die Kultur der Länder, in die sie aufgingen,
aufs stärkste beeinflußt. Die Juden leben noch heute als eine geschlossene Gruppe
der semitischen Rasse fort, obwohl sie seit Jahrtausenden niemals einen Staat ge¬
bildet und ihre heimische Sprache längst mit den Sprachen der Völker, unter denen
sie sich niedergelassen haben, vertauscht haben, und wieder die Griechen haben, jahr¬
hundertelang ahne eignen Staat, ihre Sprache. Volksart und Kultur behauptet, die
auch heute weit über die engen Grenzen des Königreichs Hellas Hinansreichen und
von dessen Schicksalen nicht abhängig sind. Ein Volk seiner Muttersprache zu ent¬
wöhnen und ihm dafür eine fremde zu geben, kann nnr einer überlegnen Kultur,
niemals der Staatsgewalt gelingen. So'hat Rom den Westen romanisiert, freilich
erst, nachdem es die widerstrebenden Völker gewaltsam niedergetreten hatte, und
diese Kultur war deshalb „keine lebendige Kultur," sondern gab nur eine formelle
Schulung durch die Rhetorik. Dagegen haben die hellenistischen Könige des Ostens
nach Alexanders des Großen Grundsätzen die Völker zwar ihrer mvnnrchischen Herr¬
schaft, aber nicht der Herrschaft ihrer Rasse unterworfen; hellenisiert wurden sie
lediglich durch die ungeheure Überlegenheit der hellenischen Kultur, die überall von
autonomen griechischen' Stadtgemeinden vertreten wurde. Wir Deutschen sollen uns
deshalb freuen über jede relie wirklich selbständige und wertvolle Kultur an unsern
Grenzen wie über die dänische und die russische. Aber die Geschichte kennt kein Existenz-
recht eines kulturlosen Volks oder seiner Sprache. Ist ein solches von einer höher»
Kultur abhängig geworden, so gehört es mich in Wahrheit dem Volkstum an, dessen
Kultur es beherrscht; den notwendigen völligen Aufsaugungsprozeß soll mau von oben
vorsichtig fördern, „gewaltsame Hast wird 'ihn nnr hemmen oder gar Rückbildungen
hervorrufen." Ein Wort für unsre liberalen Pvlenfresser. „Wer diese (deutsche) .Kultur
bewußt oder unbewußt als Lebenselement in seiner Seele trägt, der ist ein Deutscher;
Rasse, Sprache, Staatsangehörigkeit sind alle nicht entscheidend." Das Wesen und die
Aufgaben der Philologie in der Gegenwart (Herrschaft über die Sprache, geseh


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[0495] Litteratur laufe, ohne daß nur von einem durchgängigen Fortschritte der einen gegenüber der ander» reden dürfe. Von diesem Standpunkt aus charakterisiert der Verfasser das klassische Altertum nach allen seinen Seiten und in seinen Entwicklungsstufen, deren Parallele mit der Entwicklung der modernen Völker er zugleich geistvoll nachweist. Die antike Welt aber ging innerlich nicht durch die Barbaren zu Grunde, sondern an einer ungeheuern 'llmwandlnng der Weltanschauung um etwa 300 v, Chr.; „sie begrub die alten Ideale nicht wie die Leiche des Erblassers, sie warf sie von sich wie ein verschlissenes Kleid," und indem sich bald nachher der römische Occident politisch von, griechische» Orient trennte, verfiel er der Barbarei. Einen kurzen Abschnitt der deutschen Geschichte behandelt in ähnlicher Weise, alle ihre Gebiete nmspnnncud und alle die in ihm wirksamen Kräfte gerecht und scharfsinnig abwägend, die Neu¬ jahrsrede von 1900, nämlich das neunzehnte Jahrhundert; aber er beginnt dieses mit der französischen Revolution von 1789 und schließt es — sehr richtig — mit dein Tode .Kaiser Wilhelms I. 1888 ab. Vielleicht am weitesten zieht den .Kreis der Betrachtung trotz ihrer Kürze die großartige Rede zum Kaisergeburtstage 1898 .Volk, Staat/Sprache." Auch hier tritt Wilamowitz weitverbreiteten Meinungen scharf entgegen. Die Sprache allein schafft noch kein Volk, Staat und Volk siud zweierlei/ und die Volksindividnalität allein giebt noch kein Recht auf staatliche Selbständigkeit; dieses Recht gewährt nnr eine selbständige, individuelle Kultur. Vollendet also — so muß man ergänzen — wird die Ausbildung eiuer Nationa¬ lität erst durch den nationale» Staat. Es hat große geschichtliche Perioden ge¬ geben, wo die Nationalität gegenüber universalen Mächten, wie dem Kaisertum und der Kirche im Abendlande, dem Islam im Morgenlande gar nichts bedeutete; aber durch den Maugel an staatlicher Selbständigkeit und selbst mit dem Verlust der Sprache geht die Volksart keineswegs immer zu Grunde; vielmehr haben Iberer, Kelten, Jllyrier. uuarische Kleinasiaten die Kultur der Länder, in die sie aufgingen, aufs stärkste beeinflußt. Die Juden leben noch heute als eine geschlossene Gruppe der semitischen Rasse fort, obwohl sie seit Jahrtausenden niemals einen Staat ge¬ bildet und ihre heimische Sprache längst mit den Sprachen der Völker, unter denen sie sich niedergelassen haben, vertauscht haben, und wieder die Griechen haben, jahr¬ hundertelang ahne eignen Staat, ihre Sprache. Volksart und Kultur behauptet, die auch heute weit über die engen Grenzen des Königreichs Hellas Hinansreichen und von dessen Schicksalen nicht abhängig sind. Ein Volk seiner Muttersprache zu ent¬ wöhnen und ihm dafür eine fremde zu geben, kann nnr einer überlegnen Kultur, niemals der Staatsgewalt gelingen. So'hat Rom den Westen romanisiert, freilich erst, nachdem es die widerstrebenden Völker gewaltsam niedergetreten hatte, und diese Kultur war deshalb „keine lebendige Kultur," sondern gab nur eine formelle Schulung durch die Rhetorik. Dagegen haben die hellenistischen Könige des Ostens nach Alexanders des Großen Grundsätzen die Völker zwar ihrer mvnnrchischen Herr¬ schaft, aber nicht der Herrschaft ihrer Rasse unterworfen; hellenisiert wurden sie lediglich durch die ungeheure Überlegenheit der hellenischen Kultur, die überall von autonomen griechischen' Stadtgemeinden vertreten wurde. Wir Deutschen sollen uns deshalb freuen über jede relie wirklich selbständige und wertvolle Kultur an unsern Grenzen wie über die dänische und die russische. Aber die Geschichte kennt kein Existenz- recht eines kulturlosen Volks oder seiner Sprache. Ist ein solches von einer höher» Kultur abhängig geworden, so gehört es mich in Wahrheit dem Volkstum an, dessen Kultur es beherrscht; den notwendigen völligen Aufsaugungsprozeß soll mau von oben vorsichtig fördern, „gewaltsame Hast wird 'ihn nnr hemmen oder gar Rückbildungen hervorrufen." Ein Wort für unsre liberalen Pvlenfresser. „Wer diese (deutsche) .Kultur bewußt oder unbewußt als Lebenselement in seiner Seele trägt, der ist ein Deutscher; Rasse, Sprache, Staatsangehörigkeit sind alle nicht entscheidend." Das Wesen und die Aufgaben der Philologie in der Gegenwart (Herrschaft über die Sprache, geseh

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/495>, abgerufen am 12.06.2024.