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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Philipp Jakob Spener

Freiburg, Lyon it"d namentlich Basel und Genf, In Genf sollte Spener die
beiden Männer kennen lernen, die seine spätere Richtung und wissenschaftliche
Thätigkeit bestimmten: den frühern Jesuiten und spätern reformierten Mystiker
und Pietisten Jean de Labadie und den berühmten französischen Heraldiker,
gleichfalls Jesuiten, Claude Fran^vis Meuestrier. Doch fände" beide bei
Spener keinen ungepflügten Boden. War zu seiner theologischen Richtung
schon voll seinem Lehrer Stoll und nicht weniger von seiner Gönnerin, der
frommen Gräfin Agathe von Rappoltstein, gebornen Gräfin Solms, der Grund
gelegt worden, so bezeugt für die Genealogie und Heraldik Spener selbst, daß
er sich von Jugend auf damit beschäftigt habe.

In Lyon wurden Speners Beziehungen zu Mencstrier enger. Dieser
schenkte ihm seine zahlreichen heraldischen Schriften, ermunterte ihn zu wissen¬
schaftlicher Thätigkeit ans diesem Gebiete und stellte ihm die Benutzung seiner
Schriften zu diesem Zwecke frei. Nach Straßburg zurückgekehrt, hielt Spener
dort unter unteren Vorlesungen über Heraldik. Im Jahre 1663 erhielt er
die Stelle eines Freipredigers am dortigen Münster. Am 23. Juni 1663
erwarb er die Würde eines Doktors der Theologie. Drei Jahre wirkte er
"och in Straßburg als hochaugesehener Prediger und Universitätslehrer. Seine
Ernennung zum Professor der Geschichte stand bevor. Da trat an ihn der
Ruf zu größerm Wirken heran; man ersah ihn zum Senior der Geistlichkeit,
"des Predigerministeriums," wie es offiziell hieß, in der freien Reichsstadt am
Main. Am 3. Juli 1666 hielt er in Straßburg im dichtgefüllten Münster
seine Abschiedspredigt. Am 20. Juli langte er mit seiner Frau Susanne
Erhardt, der Tochter des Straßburger Patriziers Johann Jakob Erhcirdt, mit
der er sich um Tage seiner Doktorpromotion vermählt hatte, seiner Schwieger¬
mutter und zwei Brüdern in Frankfurt an.

Am 1. August 1666 hielt er in der Barfüßerkirche seine Antrittspredigt.
Zwanzig Jahre hatte Spener hier als Geistlicher und Seelsorger gewirkt, als
er einen Ruf zu einer noch größer", einflußreichern und angesehenern Stellung
erhielt- zum Amt des Oberhofpredigers in Dresden. Unzweifelhaft verdankte
er diese ehrenvolle Berufung seinem Ansehen als evangelischer Theolog. Mit¬
gewirkt hat aber offenbar auch, daß die Aufmerksamkeit des Kurfürsten Johann
Georg III, durch eine im Jahre 1660 verfaßte ausgezeichnete Schrift Speners
über das kurfürstlich sächsische Wappen auf ihn gelenkt war. Am 11. März
1686 traf die Berufung zum Oberhofprediger, Kirchenrat und Mitglied des
Konsistoriums bei ihm ein. Am 16. Juni hielt er seine Abschiedspredigt und
traf bald darauf in Dresden ein. Am 11. Juli predigte er zu": erstenmal
zu Dresden in der Hofkapelle. Doch hier war seines Bleibens nicht lange.
Nach wenig Jahren fiel er bei dem Kurfürsten, dem er am 22. Februar 1689
in einem Briefe "aus Trieb seines Gewissens" als Beichtvater wegen seines
Lebenswandels freimütige Vorstellungen gemacht hatte, in völlige Ungnade
und erhielt schließlich am 1. April 1691 durch den Präsidenten des Geheimen
Rats und Oberkämmerer Freiherrn Nikolaus von Gersdorf den Abschied "ins


Philipp Jakob Spener

Freiburg, Lyon it»d namentlich Basel und Genf, In Genf sollte Spener die
beiden Männer kennen lernen, die seine spätere Richtung und wissenschaftliche
Thätigkeit bestimmten: den frühern Jesuiten und spätern reformierten Mystiker
und Pietisten Jean de Labadie und den berühmten französischen Heraldiker,
gleichfalls Jesuiten, Claude Fran^vis Meuestrier. Doch fände» beide bei
Spener keinen ungepflügten Boden. War zu seiner theologischen Richtung
schon voll seinem Lehrer Stoll und nicht weniger von seiner Gönnerin, der
frommen Gräfin Agathe von Rappoltstein, gebornen Gräfin Solms, der Grund
gelegt worden, so bezeugt für die Genealogie und Heraldik Spener selbst, daß
er sich von Jugend auf damit beschäftigt habe.

In Lyon wurden Speners Beziehungen zu Mencstrier enger. Dieser
schenkte ihm seine zahlreichen heraldischen Schriften, ermunterte ihn zu wissen¬
schaftlicher Thätigkeit ans diesem Gebiete und stellte ihm die Benutzung seiner
Schriften zu diesem Zwecke frei. Nach Straßburg zurückgekehrt, hielt Spener
dort unter unteren Vorlesungen über Heraldik. Im Jahre 1663 erhielt er
die Stelle eines Freipredigers am dortigen Münster. Am 23. Juni 1663
erwarb er die Würde eines Doktors der Theologie. Drei Jahre wirkte er
»och in Straßburg als hochaugesehener Prediger und Universitätslehrer. Seine
Ernennung zum Professor der Geschichte stand bevor. Da trat an ihn der
Ruf zu größerm Wirken heran; man ersah ihn zum Senior der Geistlichkeit,
„des Predigerministeriums," wie es offiziell hieß, in der freien Reichsstadt am
Main. Am 3. Juli 1666 hielt er in Straßburg im dichtgefüllten Münster
seine Abschiedspredigt. Am 20. Juli langte er mit seiner Frau Susanne
Erhardt, der Tochter des Straßburger Patriziers Johann Jakob Erhcirdt, mit
der er sich um Tage seiner Doktorpromotion vermählt hatte, seiner Schwieger¬
mutter und zwei Brüdern in Frankfurt an.

Am 1. August 1666 hielt er in der Barfüßerkirche seine Antrittspredigt.
Zwanzig Jahre hatte Spener hier als Geistlicher und Seelsorger gewirkt, als
er einen Ruf zu einer noch größer», einflußreichern und angesehenern Stellung
erhielt- zum Amt des Oberhofpredigers in Dresden. Unzweifelhaft verdankte
er diese ehrenvolle Berufung seinem Ansehen als evangelischer Theolog. Mit¬
gewirkt hat aber offenbar auch, daß die Aufmerksamkeit des Kurfürsten Johann
Georg III, durch eine im Jahre 1660 verfaßte ausgezeichnete Schrift Speners
über das kurfürstlich sächsische Wappen auf ihn gelenkt war. Am 11. März
1686 traf die Berufung zum Oberhofprediger, Kirchenrat und Mitglied des
Konsistoriums bei ihm ein. Am 16. Juni hielt er seine Abschiedspredigt und
traf bald darauf in Dresden ein. Am 11. Juli predigte er zu»: erstenmal
zu Dresden in der Hofkapelle. Doch hier war seines Bleibens nicht lange.
Nach wenig Jahren fiel er bei dem Kurfürsten, dem er am 22. Februar 1689
in einem Briefe „aus Trieb seines Gewissens" als Beichtvater wegen seines
Lebenswandels freimütige Vorstellungen gemacht hatte, in völlige Ungnade
und erhielt schließlich am 1. April 1691 durch den Präsidenten des Geheimen
Rats und Oberkämmerer Freiherrn Nikolaus von Gersdorf den Abschied „ins


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[0619] Philipp Jakob Spener Freiburg, Lyon it»d namentlich Basel und Genf, In Genf sollte Spener die beiden Männer kennen lernen, die seine spätere Richtung und wissenschaftliche Thätigkeit bestimmten: den frühern Jesuiten und spätern reformierten Mystiker und Pietisten Jean de Labadie und den berühmten französischen Heraldiker, gleichfalls Jesuiten, Claude Fran^vis Meuestrier. Doch fände» beide bei Spener keinen ungepflügten Boden. War zu seiner theologischen Richtung schon voll seinem Lehrer Stoll und nicht weniger von seiner Gönnerin, der frommen Gräfin Agathe von Rappoltstein, gebornen Gräfin Solms, der Grund gelegt worden, so bezeugt für die Genealogie und Heraldik Spener selbst, daß er sich von Jugend auf damit beschäftigt habe. In Lyon wurden Speners Beziehungen zu Mencstrier enger. Dieser schenkte ihm seine zahlreichen heraldischen Schriften, ermunterte ihn zu wissen¬ schaftlicher Thätigkeit ans diesem Gebiete und stellte ihm die Benutzung seiner Schriften zu diesem Zwecke frei. Nach Straßburg zurückgekehrt, hielt Spener dort unter unteren Vorlesungen über Heraldik. Im Jahre 1663 erhielt er die Stelle eines Freipredigers am dortigen Münster. Am 23. Juni 1663 erwarb er die Würde eines Doktors der Theologie. Drei Jahre wirkte er »och in Straßburg als hochaugesehener Prediger und Universitätslehrer. Seine Ernennung zum Professor der Geschichte stand bevor. Da trat an ihn der Ruf zu größerm Wirken heran; man ersah ihn zum Senior der Geistlichkeit, „des Predigerministeriums," wie es offiziell hieß, in der freien Reichsstadt am Main. Am 3. Juli 1666 hielt er in Straßburg im dichtgefüllten Münster seine Abschiedspredigt. Am 20. Juli langte er mit seiner Frau Susanne Erhardt, der Tochter des Straßburger Patriziers Johann Jakob Erhcirdt, mit der er sich um Tage seiner Doktorpromotion vermählt hatte, seiner Schwieger¬ mutter und zwei Brüdern in Frankfurt an. Am 1. August 1666 hielt er in der Barfüßerkirche seine Antrittspredigt. Zwanzig Jahre hatte Spener hier als Geistlicher und Seelsorger gewirkt, als er einen Ruf zu einer noch größer», einflußreichern und angesehenern Stellung erhielt- zum Amt des Oberhofpredigers in Dresden. Unzweifelhaft verdankte er diese ehrenvolle Berufung seinem Ansehen als evangelischer Theolog. Mit¬ gewirkt hat aber offenbar auch, daß die Aufmerksamkeit des Kurfürsten Johann Georg III, durch eine im Jahre 1660 verfaßte ausgezeichnete Schrift Speners über das kurfürstlich sächsische Wappen auf ihn gelenkt war. Am 11. März 1686 traf die Berufung zum Oberhofprediger, Kirchenrat und Mitglied des Konsistoriums bei ihm ein. Am 16. Juni hielt er seine Abschiedspredigt und traf bald darauf in Dresden ein. Am 11. Juli predigte er zu»: erstenmal zu Dresden in der Hofkapelle. Doch hier war seines Bleibens nicht lange. Nach wenig Jahren fiel er bei dem Kurfürsten, dem er am 22. Februar 1689 in einem Briefe „aus Trieb seines Gewissens" als Beichtvater wegen seines Lebenswandels freimütige Vorstellungen gemacht hatte, in völlige Ungnade und erhielt schließlich am 1. April 1691 durch den Präsidenten des Geheimen Rats und Oberkämmerer Freiherrn Nikolaus von Gersdorf den Abschied „ins

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/619>, abgerufen am 15.06.2024.