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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Zeitschrift fiir deutsche Wortforschung, herausgegeben von Friedrich Kluge, Strajj-
burg, Trübner, 19VV

Die Geschichte des Grimmschen Wörterbuchs sowie die eigne lexikographische
Thätigkeit haben wohl den Verfasser des mit Fug und Recht vielgerühmten "Etymo¬
logischen Wörterbuchs der deutschen Sprache" auf die Gründling dieser Zeitschrift
hingelenkt. Wäre vor fünfzig Jahren eine solche Sammelstätte gemeinschaftlicher
Forschung dem nationalen Werke der Brüder Grimm zu gute gekommen, so würde
diesem Schmerzenskinde ein günstigeres Geschick bereitet worden sein: es hätte
das Riesenwerk rascher und in allen feinen Teilen auch rin gleichmäßigerer Voll¬
ständigkeit und Vollkommenheit seinem Abschlüsse zugeführt werden können. Sein
Fortschritt würde nicht durch die auch für deu unverdrossensten Gelehrten verdrießliche
Notwendigkeit, hundert plötzlich auftauchende Nebcnfrngen in mühsamer und doch oft
ergebnisloser Untersuchung zu erledigen, gehemmt und allen Beteiligten die Freude an
dem trotz mancher Mängel ruhmvollen Werke bisweilen verbittert worden sein.

In der neuen Zeitschrift hofft Friedrich Kluge alle, denen die Pflege des
geliebten Deutsch am Herzen liegt, zu gemeinsamer Thätigkeit zu vereinigen, um
noch ungelöste Rätsel der Muttersprache aufzuhellen und über Herkunft, Sinn und
Bedeutungsentwicklung eines Wortes die von deu Wörterbüchern noch versagte
Auskunft zu erteilen. "Die Zeitschrift will -- so heißt es in der Ankündigung des
Verlegers, aus der Wohl doch der Herausgeber zu uns redet -- den lebendigen
Fluß in der Entwicklung der Sprache beobachten und feststelle"; sie will alle neuen
Ergebnisse der Wortforschung sammeln, vorhandne Lücken in unsern Wörterbüchern
nnfdecken und ergänzen, mit einem Wort: das Verständnis der Muttersprache
durch ernsthafte Arbeit beleben und vertiefen." Die drei ersten Hefte,
die zeigen, daß diese Aufgabe in den rechten Händen liegt, empfehlen die Bestre¬
bungen des Herausgebers nicht "ur dessen engern Fachgenossen, sondern den ge¬
bildeten Ständen überhaupt, vor allem den Lehrern, die mit dem deutschen Unter¬
richte betraut sind, und deu Mitgliedern des deutschen Sprachvereins, kurz allen
"teutschgesinnten Genossenschaften." Friedrich Kluge hat schon weitern Kreisen dnrch
liebenswürdige Behandlung verschiedner anziehender Gegenstände aus der deutschen
Sprachgeschichte Beweis und Bürgschaft gegeben, daß er selbst wissenschaftlichen
Ernst und Gründlichkeit der Forschung mit fließender Darstellung zu verbinden
weiß und darum von der neuen Zeitschrift Trockenheit und Langeweile fernhalten
wird. Was die erschienenen Hefte bieten, ist eine reiche, mit mancherlei Früchten
gefüllte Schüssel und wohlgecignet, Erwartungen der verschiedensten Art zu be¬
friedigen. Greifen wir zur Charakteristik der Zeitschrift einige Überschriften heraus
und deuten das Ergebnis einzelner Aufsätze kurz an, um die Leser der Grenzboten
zur Einsicht in die fesselnden Untersuchungen selbst anzureizen.

In einer Anzahl kleinerer Artikel werden landläufige Erklärungen von Wörter"
wie Blaustrumpf, Strohwitwer, Katzenjammer, Sommerfrische, Philister,
nassauern, unverfroren, durchfallen, ulken n. a. besser begründet, geschichtlich
beleuchtet oder auch widerlegt und durch einleuchtendere Deutungen ersetzt. Ein
hübsches Aufsätzchen des Herausgebers handelt von der Verschiedenheit in der
Bildung von Volksnamen wie Badener und Badenser, Kasseler und Kasselaner,
Jenenser, Hallenser, Weimaraner, Hannoveraner, AnHalter und Auhaltiner usw.
Den Laien zu eignen Beobachtungen anzuregen sind zwanglose Betrachtungen ge¬
eignet, wie die über reduplizierende Wortbildungen der Kindersprache (z.B. Lili,
Lulu, Mimi, Wauwau, Wewe). Während die etwas altväterische Behandlungs-
weise so umfangreicher grammatischer Untersuchungen, wie die des nun heimgegangn"!


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Zeitschrift fiir deutsche Wortforschung, herausgegeben von Friedrich Kluge, Strajj-
burg, Trübner, 19VV

Die Geschichte des Grimmschen Wörterbuchs sowie die eigne lexikographische
Thätigkeit haben wohl den Verfasser des mit Fug und Recht vielgerühmten „Etymo¬
logischen Wörterbuchs der deutschen Sprache" auf die Gründling dieser Zeitschrift
hingelenkt. Wäre vor fünfzig Jahren eine solche Sammelstätte gemeinschaftlicher
Forschung dem nationalen Werke der Brüder Grimm zu gute gekommen, so würde
diesem Schmerzenskinde ein günstigeres Geschick bereitet worden sein: es hätte
das Riesenwerk rascher und in allen feinen Teilen auch rin gleichmäßigerer Voll¬
ständigkeit und Vollkommenheit seinem Abschlüsse zugeführt werden können. Sein
Fortschritt würde nicht durch die auch für deu unverdrossensten Gelehrten verdrießliche
Notwendigkeit, hundert plötzlich auftauchende Nebcnfrngen in mühsamer und doch oft
ergebnisloser Untersuchung zu erledigen, gehemmt und allen Beteiligten die Freude an
dem trotz mancher Mängel ruhmvollen Werke bisweilen verbittert worden sein.

In der neuen Zeitschrift hofft Friedrich Kluge alle, denen die Pflege des
geliebten Deutsch am Herzen liegt, zu gemeinsamer Thätigkeit zu vereinigen, um
noch ungelöste Rätsel der Muttersprache aufzuhellen und über Herkunft, Sinn und
Bedeutungsentwicklung eines Wortes die von deu Wörterbüchern noch versagte
Auskunft zu erteilen. „Die Zeitschrift will — so heißt es in der Ankündigung des
Verlegers, aus der Wohl doch der Herausgeber zu uns redet — den lebendigen
Fluß in der Entwicklung der Sprache beobachten und feststelle»; sie will alle neuen
Ergebnisse der Wortforschung sammeln, vorhandne Lücken in unsern Wörterbüchern
nnfdecken und ergänzen, mit einem Wort: das Verständnis der Muttersprache
durch ernsthafte Arbeit beleben und vertiefen." Die drei ersten Hefte,
die zeigen, daß diese Aufgabe in den rechten Händen liegt, empfehlen die Bestre¬
bungen des Herausgebers nicht »ur dessen engern Fachgenossen, sondern den ge¬
bildeten Ständen überhaupt, vor allem den Lehrern, die mit dem deutschen Unter¬
richte betraut sind, und deu Mitgliedern des deutschen Sprachvereins, kurz allen
„teutschgesinnten Genossenschaften." Friedrich Kluge hat schon weitern Kreisen dnrch
liebenswürdige Behandlung verschiedner anziehender Gegenstände aus der deutschen
Sprachgeschichte Beweis und Bürgschaft gegeben, daß er selbst wissenschaftlichen
Ernst und Gründlichkeit der Forschung mit fließender Darstellung zu verbinden
weiß und darum von der neuen Zeitschrift Trockenheit und Langeweile fernhalten
wird. Was die erschienenen Hefte bieten, ist eine reiche, mit mancherlei Früchten
gefüllte Schüssel und wohlgecignet, Erwartungen der verschiedensten Art zu be¬
friedigen. Greifen wir zur Charakteristik der Zeitschrift einige Überschriften heraus
und deuten das Ergebnis einzelner Aufsätze kurz an, um die Leser der Grenzboten
zur Einsicht in die fesselnden Untersuchungen selbst anzureizen.

In einer Anzahl kleinerer Artikel werden landläufige Erklärungen von Wörter«
wie Blaustrumpf, Strohwitwer, Katzenjammer, Sommerfrische, Philister,
nassauern, unverfroren, durchfallen, ulken n. a. besser begründet, geschichtlich
beleuchtet oder auch widerlegt und durch einleuchtendere Deutungen ersetzt. Ein
hübsches Aufsätzchen des Herausgebers handelt von der Verschiedenheit in der
Bildung von Volksnamen wie Badener und Badenser, Kasseler und Kasselaner,
Jenenser, Hallenser, Weimaraner, Hannoveraner, AnHalter und Auhaltiner usw.
Den Laien zu eignen Beobachtungen anzuregen sind zwanglose Betrachtungen ge¬
eignet, wie die über reduplizierende Wortbildungen der Kindersprache (z.B. Lili,
Lulu, Mimi, Wauwau, Wewe). Während die etwas altväterische Behandlungs-
weise so umfangreicher grammatischer Untersuchungen, wie die des nun heimgegangn«!


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[0063] Ätteratilr Zeitschrift fiir deutsche Wortforschung, herausgegeben von Friedrich Kluge, Strajj- burg, Trübner, 19VV Die Geschichte des Grimmschen Wörterbuchs sowie die eigne lexikographische Thätigkeit haben wohl den Verfasser des mit Fug und Recht vielgerühmten „Etymo¬ logischen Wörterbuchs der deutschen Sprache" auf die Gründling dieser Zeitschrift hingelenkt. Wäre vor fünfzig Jahren eine solche Sammelstätte gemeinschaftlicher Forschung dem nationalen Werke der Brüder Grimm zu gute gekommen, so würde diesem Schmerzenskinde ein günstigeres Geschick bereitet worden sein: es hätte das Riesenwerk rascher und in allen feinen Teilen auch rin gleichmäßigerer Voll¬ ständigkeit und Vollkommenheit seinem Abschlüsse zugeführt werden können. Sein Fortschritt würde nicht durch die auch für deu unverdrossensten Gelehrten verdrießliche Notwendigkeit, hundert plötzlich auftauchende Nebcnfrngen in mühsamer und doch oft ergebnisloser Untersuchung zu erledigen, gehemmt und allen Beteiligten die Freude an dem trotz mancher Mängel ruhmvollen Werke bisweilen verbittert worden sein. In der neuen Zeitschrift hofft Friedrich Kluge alle, denen die Pflege des geliebten Deutsch am Herzen liegt, zu gemeinsamer Thätigkeit zu vereinigen, um noch ungelöste Rätsel der Muttersprache aufzuhellen und über Herkunft, Sinn und Bedeutungsentwicklung eines Wortes die von deu Wörterbüchern noch versagte Auskunft zu erteilen. „Die Zeitschrift will — so heißt es in der Ankündigung des Verlegers, aus der Wohl doch der Herausgeber zu uns redet — den lebendigen Fluß in der Entwicklung der Sprache beobachten und feststelle»; sie will alle neuen Ergebnisse der Wortforschung sammeln, vorhandne Lücken in unsern Wörterbüchern nnfdecken und ergänzen, mit einem Wort: das Verständnis der Muttersprache durch ernsthafte Arbeit beleben und vertiefen." Die drei ersten Hefte, die zeigen, daß diese Aufgabe in den rechten Händen liegt, empfehlen die Bestre¬ bungen des Herausgebers nicht »ur dessen engern Fachgenossen, sondern den ge¬ bildeten Ständen überhaupt, vor allem den Lehrern, die mit dem deutschen Unter¬ richte betraut sind, und deu Mitgliedern des deutschen Sprachvereins, kurz allen „teutschgesinnten Genossenschaften." Friedrich Kluge hat schon weitern Kreisen dnrch liebenswürdige Behandlung verschiedner anziehender Gegenstände aus der deutschen Sprachgeschichte Beweis und Bürgschaft gegeben, daß er selbst wissenschaftlichen Ernst und Gründlichkeit der Forschung mit fließender Darstellung zu verbinden weiß und darum von der neuen Zeitschrift Trockenheit und Langeweile fernhalten wird. Was die erschienenen Hefte bieten, ist eine reiche, mit mancherlei Früchten gefüllte Schüssel und wohlgecignet, Erwartungen der verschiedensten Art zu be¬ friedigen. Greifen wir zur Charakteristik der Zeitschrift einige Überschriften heraus und deuten das Ergebnis einzelner Aufsätze kurz an, um die Leser der Grenzboten zur Einsicht in die fesselnden Untersuchungen selbst anzureizen. In einer Anzahl kleinerer Artikel werden landläufige Erklärungen von Wörter« wie Blaustrumpf, Strohwitwer, Katzenjammer, Sommerfrische, Philister, nassauern, unverfroren, durchfallen, ulken n. a. besser begründet, geschichtlich beleuchtet oder auch widerlegt und durch einleuchtendere Deutungen ersetzt. Ein hübsches Aufsätzchen des Herausgebers handelt von der Verschiedenheit in der Bildung von Volksnamen wie Badener und Badenser, Kasseler und Kasselaner, Jenenser, Hallenser, Weimaraner, Hannoveraner, AnHalter und Auhaltiner usw. Den Laien zu eignen Beobachtungen anzuregen sind zwanglose Betrachtungen ge¬ eignet, wie die über reduplizierende Wortbildungen der Kindersprache (z.B. Lili, Lulu, Mimi, Wauwau, Wewe). Während die etwas altväterische Behandlungs- weise so umfangreicher grammatischer Untersuchungen, wie die des nun heimgegangn«!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/63>, abgerufen am 31.10.2024.