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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Rußland "ut Japan

und stieg bis mut Jahre 1898, einige örtliche Anomalien abgerechnet, auf
1,23 Prozent.

Die Bevölkerung betrug 1890 40453000 Seelen auf einem Gebiet von
24794 Qu.-ni*); am 1. Januar 1899 hatte sie sich auf 43760000 Seelen
gehoben. Inzwischen waren Formosa und die Pescatore-Inseln mit einer
Bevölkerung von 2781000 Köpfen und einem Flächeninhalt von 2268 Qu.-Ri
zum Reiche hinzugekommen. Formosa ist also nur halb so stark bewohnt als
das eigentliche Japan und könnte schon eine,: Teil des Bevölkerungsüberschusses
aufnehmen; aber es darf nicht vergessen werden, daß die Insel sehr gebirgig
und von halbwilden Volksstämmen bewohnt ist, deren Befriedung eine Auf¬
gabe zu sein scheint, wie sie Nußland etwa im Kaukasus gestellt worden ist.
Brauchbare Hufen fehlen, überhaupt ist das Küstengebiet wenig entwickelt,
noch viel weniger als in Japan.

Die Hauptnahrung der japanischen Bevölkerung ist der Reis, dessen
Konsum von Jahr zu Jahr zunimmt, und zwar in steigendem Maße. Wenn
man die Menge der Reisausfuhr von der der Nciscinfnhr absetzt, so erhält
man Zahlen, die deutlich reden. Noch im Jahre 1894 betrug der Wert der
Differenz der Ausfuhr gegen die Einfuhr uur 2282000. im Jahre 1898
dagegen 42300000 Yen."-*) In derselben Zeitspanne hatte sich die mit Reis
bebaute Fläche nur um 3 Prozent vergrößert; annähernd ebenso große Zu¬
nahmen waren für die mit andern Getreidearten bebauten Flüchen zu ver¬
zeichnen.

Die angeführten Zahlen beweisen genugsam die obige Behauptung, daß
sich in Japan eine Übervölkerung fühlbar macht, und daß es nur zwei Wege
giebt, sich für die Zukunft gegen ihre Folgen zu sicherm, nämlich entweder den
Bevölkerungsüberschuß irgend wohin abzuleiten, oder Japan zu einem Industrie¬
land zu machen, die Industrie soweit zu entwickeln, daß durch die Ausfuhr
ihrer Erzeugnisse nach auswärtige!! Märkten die Einfuhr von Rohprodukten
überwogen wird. Aber ans diesem letzten Wege wird Japan bei der heutigen
Lage der Dinge, wo sämtliche europäischen Mächte um die Herrschaft ans dem
Weltmarkt ringen, nur sehr schwer vorwärts kommen. Noch im Jahre 1898
betrug der Wert der japanischen Ausfuhr 165754000 Yen, der Wert der
Einfuhr aber 277502000 Yen.

Japan müßte sich also neue Kolonisationsgebiete erschließen, die das
Mutterland mit Getreide versorgen und zugleich Absatzmärkte für seine In¬
dustrie werden könnten. Da richten sich die Augen der Japaner ganz
natürlich auf das Festland, und es wäre, wenigstens nach der Ansicht eng¬
lischer Diplomaten und Wirtschaftspolitiker, das einfachste, daß sie sich in Korea
häuslich einrichteten, für England sicher auch das erwünschteste. Aber Korea
ist so wenig geeignet, die "Kornkammer Japans" zu werden, wie die unsinnige




*) 1 Qu.-Ri 18,42 Quadratkilometer.
*°") l Yen etwa soviel als ein Rubel, also 2,20 Mark.
Rußland »ut Japan

und stieg bis mut Jahre 1898, einige örtliche Anomalien abgerechnet, auf
1,23 Prozent.

Die Bevölkerung betrug 1890 40453000 Seelen auf einem Gebiet von
24794 Qu.-ni*); am 1. Januar 1899 hatte sie sich auf 43760000 Seelen
gehoben. Inzwischen waren Formosa und die Pescatore-Inseln mit einer
Bevölkerung von 2781000 Köpfen und einem Flächeninhalt von 2268 Qu.-Ri
zum Reiche hinzugekommen. Formosa ist also nur halb so stark bewohnt als
das eigentliche Japan und könnte schon eine,: Teil des Bevölkerungsüberschusses
aufnehmen; aber es darf nicht vergessen werden, daß die Insel sehr gebirgig
und von halbwilden Volksstämmen bewohnt ist, deren Befriedung eine Auf¬
gabe zu sein scheint, wie sie Nußland etwa im Kaukasus gestellt worden ist.
Brauchbare Hufen fehlen, überhaupt ist das Küstengebiet wenig entwickelt,
noch viel weniger als in Japan.

Die Hauptnahrung der japanischen Bevölkerung ist der Reis, dessen
Konsum von Jahr zu Jahr zunimmt, und zwar in steigendem Maße. Wenn
man die Menge der Reisausfuhr von der der Nciscinfnhr absetzt, so erhält
man Zahlen, die deutlich reden. Noch im Jahre 1894 betrug der Wert der
Differenz der Ausfuhr gegen die Einfuhr uur 2282000. im Jahre 1898
dagegen 42300000 Yen."-*) In derselben Zeitspanne hatte sich die mit Reis
bebaute Fläche nur um 3 Prozent vergrößert; annähernd ebenso große Zu¬
nahmen waren für die mit andern Getreidearten bebauten Flüchen zu ver¬
zeichnen.

Die angeführten Zahlen beweisen genugsam die obige Behauptung, daß
sich in Japan eine Übervölkerung fühlbar macht, und daß es nur zwei Wege
giebt, sich für die Zukunft gegen ihre Folgen zu sicherm, nämlich entweder den
Bevölkerungsüberschuß irgend wohin abzuleiten, oder Japan zu einem Industrie¬
land zu machen, die Industrie soweit zu entwickeln, daß durch die Ausfuhr
ihrer Erzeugnisse nach auswärtige!! Märkten die Einfuhr von Rohprodukten
überwogen wird. Aber ans diesem letzten Wege wird Japan bei der heutigen
Lage der Dinge, wo sämtliche europäischen Mächte um die Herrschaft ans dem
Weltmarkt ringen, nur sehr schwer vorwärts kommen. Noch im Jahre 1898
betrug der Wert der japanischen Ausfuhr 165754000 Yen, der Wert der
Einfuhr aber 277502000 Yen.

Japan müßte sich also neue Kolonisationsgebiete erschließen, die das
Mutterland mit Getreide versorgen und zugleich Absatzmärkte für seine In¬
dustrie werden könnten. Da richten sich die Augen der Japaner ganz
natürlich auf das Festland, und es wäre, wenigstens nach der Ansicht eng¬
lischer Diplomaten und Wirtschaftspolitiker, das einfachste, daß sie sich in Korea
häuslich einrichteten, für England sicher auch das erwünschteste. Aber Korea
ist so wenig geeignet, die „Kornkammer Japans" zu werden, wie die unsinnige




*) 1 Qu.-Ri 18,42 Quadratkilometer.
*°") l Yen etwa soviel als ein Rubel, also 2,20 Mark.
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[0071] Rußland »ut Japan und stieg bis mut Jahre 1898, einige örtliche Anomalien abgerechnet, auf 1,23 Prozent. Die Bevölkerung betrug 1890 40453000 Seelen auf einem Gebiet von 24794 Qu.-ni*); am 1. Januar 1899 hatte sie sich auf 43760000 Seelen gehoben. Inzwischen waren Formosa und die Pescatore-Inseln mit einer Bevölkerung von 2781000 Köpfen und einem Flächeninhalt von 2268 Qu.-Ri zum Reiche hinzugekommen. Formosa ist also nur halb so stark bewohnt als das eigentliche Japan und könnte schon eine,: Teil des Bevölkerungsüberschusses aufnehmen; aber es darf nicht vergessen werden, daß die Insel sehr gebirgig und von halbwilden Volksstämmen bewohnt ist, deren Befriedung eine Auf¬ gabe zu sein scheint, wie sie Nußland etwa im Kaukasus gestellt worden ist. Brauchbare Hufen fehlen, überhaupt ist das Küstengebiet wenig entwickelt, noch viel weniger als in Japan. Die Hauptnahrung der japanischen Bevölkerung ist der Reis, dessen Konsum von Jahr zu Jahr zunimmt, und zwar in steigendem Maße. Wenn man die Menge der Reisausfuhr von der der Nciscinfnhr absetzt, so erhält man Zahlen, die deutlich reden. Noch im Jahre 1894 betrug der Wert der Differenz der Ausfuhr gegen die Einfuhr uur 2282000. im Jahre 1898 dagegen 42300000 Yen."-*) In derselben Zeitspanne hatte sich die mit Reis bebaute Fläche nur um 3 Prozent vergrößert; annähernd ebenso große Zu¬ nahmen waren für die mit andern Getreidearten bebauten Flüchen zu ver¬ zeichnen. Die angeführten Zahlen beweisen genugsam die obige Behauptung, daß sich in Japan eine Übervölkerung fühlbar macht, und daß es nur zwei Wege giebt, sich für die Zukunft gegen ihre Folgen zu sicherm, nämlich entweder den Bevölkerungsüberschuß irgend wohin abzuleiten, oder Japan zu einem Industrie¬ land zu machen, die Industrie soweit zu entwickeln, daß durch die Ausfuhr ihrer Erzeugnisse nach auswärtige!! Märkten die Einfuhr von Rohprodukten überwogen wird. Aber ans diesem letzten Wege wird Japan bei der heutigen Lage der Dinge, wo sämtliche europäischen Mächte um die Herrschaft ans dem Weltmarkt ringen, nur sehr schwer vorwärts kommen. Noch im Jahre 1898 betrug der Wert der japanischen Ausfuhr 165754000 Yen, der Wert der Einfuhr aber 277502000 Yen. Japan müßte sich also neue Kolonisationsgebiete erschließen, die das Mutterland mit Getreide versorgen und zugleich Absatzmärkte für seine In¬ dustrie werden könnten. Da richten sich die Augen der Japaner ganz natürlich auf das Festland, und es wäre, wenigstens nach der Ansicht eng¬ lischer Diplomaten und Wirtschaftspolitiker, das einfachste, daß sie sich in Korea häuslich einrichteten, für England sicher auch das erwünschteste. Aber Korea ist so wenig geeignet, die „Kornkammer Japans" zu werden, wie die unsinnige *) 1 Qu.-Ri 18,42 Quadratkilometer. *°") l Yen etwa soviel als ein Rubel, also 2,20 Mark.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/71>, abgerufen am 31.10.2024.