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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Rußland und Iaxa"

Bezeichnung "Dach der Welt" für die Pamirhvchebeue angebracht ist. Ein Schlag¬
wort -- nichts weiter! Die Neiseinfuhr aus Korea ist sehr gering, sie hat im
Jahre 1898 kaum 5 Prozent der gesamten Reiseinfuhr in Japan betragen
(55 Prozent lieferten die französischen, 25 Prozent die englischen Kolonien).
"Korea, das Italien des Ostens" ist eben auch nur ein Schlagwort. Denn das
Klima Koreas hat noch weniger Ähnlichkeit mit dem Italiens, als mit dem des
benachbarten Japans. Der größte Nachteil Koreas für die Japaner ist aber die
Nachbarschaft mit Nußland, die allerdings England gerade den größten Vorteil
verspricht. Starke Nachbarn verursachen einander immer Sorgen, und Reibereien
zwischen ihnen bleiben nicht aus. Wenn Japan das vermeiden will, so muß
es Korea seinein Schicksal überlassen, es weiter vegetieren lassen und sich selber
über die lange Kette seiner Inseln nach Süden hin auszudehnen suchen. Gerade
seiner südlichsten Besitzung, der Insel Formosa gegenüber liegt die chinesische
Provinz Fu-kieng, an deren Gestaden sich außer dem Vertragshafen Amoy
eine Reihe geeigneter Ankerplätze für die japanische Flotte finden lassen würde,
die, wie schon bemerkt worden ist, solcher in Formosa entbehrt.

Japan hat bei den gemeinsamen Operationen mit den europäische" Mächten
nicht geringe Opfer an Soldaten und Geld gebracht und hat darum natürlich
ein Recht auf Entschädigung, wenn auch der englisch-deutsche Vertrag die
Unantastbarkeit des chinesischen Landbesitzes feierlich proklamiert -....... beide
Mächte haben ja ihr Schäfchen im Trocknen, Deutschland Kiautschou, England
Wei-hai-wei, Honkong und Kauluug --, und zudem wird der Vertrag nicht
berührt, wenn Japan einen ihm wirklich unentbehrlichen Hafen bei Formosa
nur auf gewisse Zeit pachtet. Es wäre ungerecht, ihm etwas zu verweigern,
was andre schon haben, nur weil es versäumt hat, mit deu andern im Jahre
1897/98 zugleich zu handeln.

Rußland wünscht Japan sicherlich den besten Erfolg. Seine guten Wünsche,
die durch die gemeinsame militärische Aktion in China wiederhergestellten freund¬
nachbarlich guten Beziehungen und wieder erstauducn Sympathien bieten ein
Unterpfand einer ungestörten friedlichen Entwicklung in der Zukunft.

Frankreich und Deutschland werden ihre Interessen kaum berührt scheu,
England vielleicht, das nach dem Muster Kapstadt-Kairo möglicherweise einen
ununterbrochnem Besitz von Hongkong bis Wei-hai-wei geplant hat. Aber
schließlich muß jeder Appetit einmal seine Grenzen finden: wenn man seine
Arme so weit ausstrecken will, muß etwas mehr Kraft darin sein, als das
Toepfer meerbeherrscheude Albion gezeigt hat.




Rußland und Iaxa»

Bezeichnung „Dach der Welt" für die Pamirhvchebeue angebracht ist. Ein Schlag¬
wort — nichts weiter! Die Neiseinfuhr aus Korea ist sehr gering, sie hat im
Jahre 1898 kaum 5 Prozent der gesamten Reiseinfuhr in Japan betragen
(55 Prozent lieferten die französischen, 25 Prozent die englischen Kolonien).
„Korea, das Italien des Ostens" ist eben auch nur ein Schlagwort. Denn das
Klima Koreas hat noch weniger Ähnlichkeit mit dem Italiens, als mit dem des
benachbarten Japans. Der größte Nachteil Koreas für die Japaner ist aber die
Nachbarschaft mit Nußland, die allerdings England gerade den größten Vorteil
verspricht. Starke Nachbarn verursachen einander immer Sorgen, und Reibereien
zwischen ihnen bleiben nicht aus. Wenn Japan das vermeiden will, so muß
es Korea seinein Schicksal überlassen, es weiter vegetieren lassen und sich selber
über die lange Kette seiner Inseln nach Süden hin auszudehnen suchen. Gerade
seiner südlichsten Besitzung, der Insel Formosa gegenüber liegt die chinesische
Provinz Fu-kieng, an deren Gestaden sich außer dem Vertragshafen Amoy
eine Reihe geeigneter Ankerplätze für die japanische Flotte finden lassen würde,
die, wie schon bemerkt worden ist, solcher in Formosa entbehrt.

Japan hat bei den gemeinsamen Operationen mit den europäische« Mächten
nicht geringe Opfer an Soldaten und Geld gebracht und hat darum natürlich
ein Recht auf Entschädigung, wenn auch der englisch-deutsche Vertrag die
Unantastbarkeit des chinesischen Landbesitzes feierlich proklamiert -....... beide
Mächte haben ja ihr Schäfchen im Trocknen, Deutschland Kiautschou, England
Wei-hai-wei, Honkong und Kauluug —, und zudem wird der Vertrag nicht
berührt, wenn Japan einen ihm wirklich unentbehrlichen Hafen bei Formosa
nur auf gewisse Zeit pachtet. Es wäre ungerecht, ihm etwas zu verweigern,
was andre schon haben, nur weil es versäumt hat, mit deu andern im Jahre
1897/98 zugleich zu handeln.

Rußland wünscht Japan sicherlich den besten Erfolg. Seine guten Wünsche,
die durch die gemeinsame militärische Aktion in China wiederhergestellten freund¬
nachbarlich guten Beziehungen und wieder erstauducn Sympathien bieten ein
Unterpfand einer ungestörten friedlichen Entwicklung in der Zukunft.

Frankreich und Deutschland werden ihre Interessen kaum berührt scheu,
England vielleicht, das nach dem Muster Kapstadt-Kairo möglicherweise einen
ununterbrochnem Besitz von Hongkong bis Wei-hai-wei geplant hat. Aber
schließlich muß jeder Appetit einmal seine Grenzen finden: wenn man seine
Arme so weit ausstrecken will, muß etwas mehr Kraft darin sein, als das
Toepfer meerbeherrscheude Albion gezeigt hat.




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[0072] Rußland und Iaxa» Bezeichnung „Dach der Welt" für die Pamirhvchebeue angebracht ist. Ein Schlag¬ wort — nichts weiter! Die Neiseinfuhr aus Korea ist sehr gering, sie hat im Jahre 1898 kaum 5 Prozent der gesamten Reiseinfuhr in Japan betragen (55 Prozent lieferten die französischen, 25 Prozent die englischen Kolonien). „Korea, das Italien des Ostens" ist eben auch nur ein Schlagwort. Denn das Klima Koreas hat noch weniger Ähnlichkeit mit dem Italiens, als mit dem des benachbarten Japans. Der größte Nachteil Koreas für die Japaner ist aber die Nachbarschaft mit Nußland, die allerdings England gerade den größten Vorteil verspricht. Starke Nachbarn verursachen einander immer Sorgen, und Reibereien zwischen ihnen bleiben nicht aus. Wenn Japan das vermeiden will, so muß es Korea seinein Schicksal überlassen, es weiter vegetieren lassen und sich selber über die lange Kette seiner Inseln nach Süden hin auszudehnen suchen. Gerade seiner südlichsten Besitzung, der Insel Formosa gegenüber liegt die chinesische Provinz Fu-kieng, an deren Gestaden sich außer dem Vertragshafen Amoy eine Reihe geeigneter Ankerplätze für die japanische Flotte finden lassen würde, die, wie schon bemerkt worden ist, solcher in Formosa entbehrt. Japan hat bei den gemeinsamen Operationen mit den europäische« Mächten nicht geringe Opfer an Soldaten und Geld gebracht und hat darum natürlich ein Recht auf Entschädigung, wenn auch der englisch-deutsche Vertrag die Unantastbarkeit des chinesischen Landbesitzes feierlich proklamiert -....... beide Mächte haben ja ihr Schäfchen im Trocknen, Deutschland Kiautschou, England Wei-hai-wei, Honkong und Kauluug —, und zudem wird der Vertrag nicht berührt, wenn Japan einen ihm wirklich unentbehrlichen Hafen bei Formosa nur auf gewisse Zeit pachtet. Es wäre ungerecht, ihm etwas zu verweigern, was andre schon haben, nur weil es versäumt hat, mit deu andern im Jahre 1897/98 zugleich zu handeln. Rußland wünscht Japan sicherlich den besten Erfolg. Seine guten Wünsche, die durch die gemeinsame militärische Aktion in China wiederhergestellten freund¬ nachbarlich guten Beziehungen und wieder erstauducn Sympathien bieten ein Unterpfand einer ungestörten friedlichen Entwicklung in der Zukunft. Frankreich und Deutschland werden ihre Interessen kaum berührt scheu, England vielleicht, das nach dem Muster Kapstadt-Kairo möglicherweise einen ununterbrochnem Besitz von Hongkong bis Wei-hai-wei geplant hat. Aber schließlich muß jeder Appetit einmal seine Grenzen finden: wenn man seine Arme so weit ausstrecken will, muß etwas mehr Kraft darin sein, als das Toepfer meerbeherrscheude Albion gezeigt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/72>, abgerufen am 05.06.2024.