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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Ans der Werkstatt der Schulreform

einschlagen wird, läßt sich wohl aus einem Gutachten des Geheimrath Matthias
erkennen, worin an der gegenwärtig bestehenden Prüfnngsordnung besonders
getadelt wird, daß sie in den Befreiungen vom mündlichen Examen zu weit
gegangen sei. Beispielshalber sollte man in solchen Fächern, in denen nur
mündlich geprüft werde, Befreiungen nur dann eintrete"? lassen, wenn im Vor¬
zeugnis das Prädikat "gut" stehe; auf solche Weise werde man auch am
ehesten dem Übelstand steuern können, daß das Wissen in einzelnen Fächern,
zumal in der Geschichte, so sehr zurückgegangen sei.

Bei der Debatte über den letzten Punkt der Tagesordnung -- welche
Maßregeln sonst im Interesse des Hähern Schulwesens erforderlich seien --
richtete der Abgeordnete Kropatscheck an den Vertreter des Finanzministeriums
einen warmen Appell, die Mittel zu gewähren, daß im Interesse des höhern
Lehrerstandes die alten, noch nicht befriedigten Wünsche der Schulkonferenz
von 1890 erfüllt werden könnten. Der Geheime Oberregierungsrat Hinzpeter,
der schon damals für die Gleichstellung der akademisch gebildeten Lehrer mit
den Richtern eingetreten war, erklärte, heute wurde er seine Worte nicht mehr
so wählen wie vor zehn Jahren, sondern wahrscheinlich etwas energischer;
denn damals sei die Frage der Gleichberechtigung noch nicht ganz reif gewesen,
jetzt sei sie fast überreif. Einstimmig genehmigte schließlich die Konferenz den
von .Kropatscheck eingebrachten Antrag: Es sei darauf Bedacht zu nehmen,
daß der höhere Lehrerstand den Richtern erster Instanz in seinen Besoldnngs-
verhältnissen, auch wenn eine mechanische Gleichstellung in dieser Beziehung
uicht erforderlich erscheine, doch möglichst angenähert werde, da durchgreifende
Gründe für eine wesentliche Ungleichheit in der Bemessung der beiderseitige"
Gehälter nicht mehr bestünden.

Zu diesem letzten Punkte schließlich noch ein Wort. Die Durchführung
der um ihrem Abschluß stehenden Reform rechnet selbstverständlich mit einer
gesteigerten Thätigkeit der Lehrer, mit ihrer willigen und vollen Hingebung.
Aus diesem Grunde wäre gewiß zu wünschen, daß es der Unterrichtsverwal¬
tung, deren guter Wille bekannt ist, bald gelänge, durch Erfüllung alter zum
Teil von ihr selbst genährter Hoffnungen innerhalb des Lehrerstandes das
Maß von Kraft und Schafsensfreude, das bisher leider oft im Dienst einer
auf äußerliche Dinge gerichteten Agitation gebunden schien, für die Lösung
höherer und würdigerer Aufgaben frei zu machen. In dieser Überzeugung
wird anch die nicht kleine Zahl der Lehrer, denen das Ziel dieser Agitation
eine ouiA poswrior ist, der vorjährigen Unterrichtskonferenz dafür Dank wissen,
daß sie den Antrag Kropatschecks unter die Forderungen aufgenommen hat,
deren Verwirklichung sie im Interesse des Schulwesens für nötig erachtete.
Daß freilich ihr Votum diesesmal ebensowenig wie im Jahre 1890 die Finanz-
Verwaltung überzeugt hat, ist bekannt. Um so erfreulicher ist die Wahrnehmung,
wie seit Jahr und Tag die eigentliche, innere Reform ans der von der Kon¬
ferenz gezeigten und geebneten Bahn fortgeschritten ist. Wenn nicht alle
Zeichen trügen, wird es mit den jetzt gewählten Mitteln gelingen, den arg


Ans der Werkstatt der Schulreform

einschlagen wird, läßt sich wohl aus einem Gutachten des Geheimrath Matthias
erkennen, worin an der gegenwärtig bestehenden Prüfnngsordnung besonders
getadelt wird, daß sie in den Befreiungen vom mündlichen Examen zu weit
gegangen sei. Beispielshalber sollte man in solchen Fächern, in denen nur
mündlich geprüft werde, Befreiungen nur dann eintrete«? lassen, wenn im Vor¬
zeugnis das Prädikat „gut" stehe; auf solche Weise werde man auch am
ehesten dem Übelstand steuern können, daß das Wissen in einzelnen Fächern,
zumal in der Geschichte, so sehr zurückgegangen sei.

Bei der Debatte über den letzten Punkt der Tagesordnung — welche
Maßregeln sonst im Interesse des Hähern Schulwesens erforderlich seien —
richtete der Abgeordnete Kropatscheck an den Vertreter des Finanzministeriums
einen warmen Appell, die Mittel zu gewähren, daß im Interesse des höhern
Lehrerstandes die alten, noch nicht befriedigten Wünsche der Schulkonferenz
von 1890 erfüllt werden könnten. Der Geheime Oberregierungsrat Hinzpeter,
der schon damals für die Gleichstellung der akademisch gebildeten Lehrer mit
den Richtern eingetreten war, erklärte, heute wurde er seine Worte nicht mehr
so wählen wie vor zehn Jahren, sondern wahrscheinlich etwas energischer;
denn damals sei die Frage der Gleichberechtigung noch nicht ganz reif gewesen,
jetzt sei sie fast überreif. Einstimmig genehmigte schließlich die Konferenz den
von .Kropatscheck eingebrachten Antrag: Es sei darauf Bedacht zu nehmen,
daß der höhere Lehrerstand den Richtern erster Instanz in seinen Besoldnngs-
verhältnissen, auch wenn eine mechanische Gleichstellung in dieser Beziehung
uicht erforderlich erscheine, doch möglichst angenähert werde, da durchgreifende
Gründe für eine wesentliche Ungleichheit in der Bemessung der beiderseitige»
Gehälter nicht mehr bestünden.

Zu diesem letzten Punkte schließlich noch ein Wort. Die Durchführung
der um ihrem Abschluß stehenden Reform rechnet selbstverständlich mit einer
gesteigerten Thätigkeit der Lehrer, mit ihrer willigen und vollen Hingebung.
Aus diesem Grunde wäre gewiß zu wünschen, daß es der Unterrichtsverwal¬
tung, deren guter Wille bekannt ist, bald gelänge, durch Erfüllung alter zum
Teil von ihr selbst genährter Hoffnungen innerhalb des Lehrerstandes das
Maß von Kraft und Schafsensfreude, das bisher leider oft im Dienst einer
auf äußerliche Dinge gerichteten Agitation gebunden schien, für die Lösung
höherer und würdigerer Aufgaben frei zu machen. In dieser Überzeugung
wird anch die nicht kleine Zahl der Lehrer, denen das Ziel dieser Agitation
eine ouiA poswrior ist, der vorjährigen Unterrichtskonferenz dafür Dank wissen,
daß sie den Antrag Kropatschecks unter die Forderungen aufgenommen hat,
deren Verwirklichung sie im Interesse des Schulwesens für nötig erachtete.
Daß freilich ihr Votum diesesmal ebensowenig wie im Jahre 1890 die Finanz-
Verwaltung überzeugt hat, ist bekannt. Um so erfreulicher ist die Wahrnehmung,
wie seit Jahr und Tag die eigentliche, innere Reform ans der von der Kon¬
ferenz gezeigten und geebneten Bahn fortgeschritten ist. Wenn nicht alle
Zeichen trügen, wird es mit den jetzt gewählten Mitteln gelingen, den arg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/618>, abgerufen am 25.05.2024.