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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Neukolonisatio" Südamerikas

Kulturleben einnimmt, auch die Arbeit, die die Leute drüben leisten, bewertet
werden kann. Wie Italien der modernen Kultur näher steht als Spanien und
das zum Tributnrstant Albions herabgesuukue Portugal, so erheben sich die
Leistungen der Italiener in Bezug auf die Erzeugung neuer Werte über die
der Spanier und Portugiesen, Da der Deutsche, dem wir den Schweizer und
den Deutsch-Österreicher zugeselle", an sittlicher Energie nud Bildung über dem
Italiener und dem Slawen steht, so haben seiue kolonisatorischen Leistungen eine
entsprechend höhere Bedeutung. Diese Völker und Rassen aber sind es -- die
Franzoseu noch mitgerechnet --, die für die Einwandruug in Südamerika
bisher weitaus in erster Reihe in Betracht kamen.

Wenn wir von den Länder" am Stillen Ozean absehen, die als eigent¬
liche Einwandrnngsländer eine geringere Rolle spielen, und die kleinen Laplata-
republiteu nebst dein Binnenstnat Bolivien und dem tropischen Venezuela eben¬
falls beiseite lassen, so mag es genügen, hier für die beiden Länder, die an
Wichtigkeit für die europäische Besiedlung überhaupt voran stehn, Argentinien
und Brasilien, die Beteiligung der einzelnen Volker an der Kulturarbeit zu
beleuchten. Die 1850226 Einwandrer, die nach der amtlichen Statistik von
1857 bis 1399 Argentinien aufgesucht haben -- mit Abzug der Rückwandrung --,
verteilen sich der Nationalität uach folgendermaßen:


[Beginn Spaltensatz]
Italiener ,. 1146407
Spanier. 340636
Franzosen.. 159477
Engländer .33610
Österreicher29674
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Deutsche .27074
[Spaltenumbruch]
Belgier . . .18965
Nüssen . . .19802
Holländer . ,4978
Portugiesen3 363
Dänen . . .2327
Nordamerikaner1688
Schweden . .1054
[Ende Spaltensatz]

Wenn nun auch in Handel und Wandel in den großen Städten, besonders in
der Hauptstadt Buenos Aires, die Engländer, die Deutschen, die Franzosen usw.
eine Hauptrolle spielen, so kommen doch für die eigentliche Kolonisation, be¬
sonders der Zahl nach, die Italiener vor allen in Betracht. Es ist deshalb
kein Wunder, daß das italienische Element in Politik und sozialem Leben am
Laplata vielfach eine geradezu herrschende Stellung einnimmt, und Argentinien
von den Italienern als ihre nuovg, It^U-z bezeichnet wird. Dem entspricht auch
die unverblümte Sprache, die die italienische Regierung Argentinien noch mehr
als Brasilien gegenüber in Währung der nationalen Interessen führt. Schon
seit Jahren sucht diese durchzusetzen, daß alle in Argentinien von italienischen
Eltern gebornen Kinder als italienische Staatsangehörige anerkannt werden,
und im italienischen Senat wurde im Jahre 1899 in einer Jnterpellation an
die Regierung verlangt, diese möchte von der argentinischen fordern, daß die
italienische Sprache neben der spanischen als offizielle Sprache anerkannt werde.
Wenn es nun auch nicht so weit kam, so ist doch die Einführung des Italie¬
nischen in die Gemeindeschulen nur noch eine Frage der Zeit, besonders auch
bei der bedrohlich raschen Vermehrung der rein italienischen Schulen. Immer-


Die Neukolonisatio» Südamerikas

Kulturleben einnimmt, auch die Arbeit, die die Leute drüben leisten, bewertet
werden kann. Wie Italien der modernen Kultur näher steht als Spanien und
das zum Tributnrstant Albions herabgesuukue Portugal, so erheben sich die
Leistungen der Italiener in Bezug auf die Erzeugung neuer Werte über die
der Spanier und Portugiesen, Da der Deutsche, dem wir den Schweizer und
den Deutsch-Österreicher zugeselle», an sittlicher Energie nud Bildung über dem
Italiener und dem Slawen steht, so haben seiue kolonisatorischen Leistungen eine
entsprechend höhere Bedeutung. Diese Völker und Rassen aber sind es — die
Franzoseu noch mitgerechnet —, die für die Einwandruug in Südamerika
bisher weitaus in erster Reihe in Betracht kamen.

Wenn wir von den Länder» am Stillen Ozean absehen, die als eigent¬
liche Einwandrnngsländer eine geringere Rolle spielen, und die kleinen Laplata-
republiteu nebst dein Binnenstnat Bolivien und dem tropischen Venezuela eben¬
falls beiseite lassen, so mag es genügen, hier für die beiden Länder, die an
Wichtigkeit für die europäische Besiedlung überhaupt voran stehn, Argentinien
und Brasilien, die Beteiligung der einzelnen Volker an der Kulturarbeit zu
beleuchten. Die 1850226 Einwandrer, die nach der amtlichen Statistik von
1857 bis 1399 Argentinien aufgesucht haben — mit Abzug der Rückwandrung —,
verteilen sich der Nationalität uach folgendermaßen:


[Beginn Spaltensatz]
Italiener ,. 1146407
Spanier. 340636
Franzosen.. 159477
Engländer .33610
Österreicher29674
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Belgier . . .18965
Nüssen . . .19802
Holländer . ,4978
Portugiesen3 363
Dänen . . .2327
Nordamerikaner1688
Schweden . .1054
[Ende Spaltensatz]

Wenn nun auch in Handel und Wandel in den großen Städten, besonders in
der Hauptstadt Buenos Aires, die Engländer, die Deutschen, die Franzosen usw.
eine Hauptrolle spielen, so kommen doch für die eigentliche Kolonisation, be¬
sonders der Zahl nach, die Italiener vor allen in Betracht. Es ist deshalb
kein Wunder, daß das italienische Element in Politik und sozialem Leben am
Laplata vielfach eine geradezu herrschende Stellung einnimmt, und Argentinien
von den Italienern als ihre nuovg, It^U-z bezeichnet wird. Dem entspricht auch
die unverblümte Sprache, die die italienische Regierung Argentinien noch mehr
als Brasilien gegenüber in Währung der nationalen Interessen führt. Schon
seit Jahren sucht diese durchzusetzen, daß alle in Argentinien von italienischen
Eltern gebornen Kinder als italienische Staatsangehörige anerkannt werden,
und im italienischen Senat wurde im Jahre 1899 in einer Jnterpellation an
die Regierung verlangt, diese möchte von der argentinischen fordern, daß die
italienische Sprache neben der spanischen als offizielle Sprache anerkannt werde.
Wenn es nun auch nicht so weit kam, so ist doch die Einführung des Italie¬
nischen in die Gemeindeschulen nur noch eine Frage der Zeit, besonders auch
bei der bedrohlich raschen Vermehrung der rein italienischen Schulen. Immer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/109>, abgerufen am 28.05.2024.