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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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schlaggebende Beweggrund, Das war der, und darüber haben sich die Minister
der verschiednen Ressorts in den Parlamentsverhandlungen sattsam allsge-
sprochen, den Handel an der deutschen Westgrenze den Rhein hinunter auf
das diesseitige Gebiet zu ziehn und ihn damit möglichst von den holländischen
Häfen unabhängig zu machen. Freilich war von diesem Standpunkt aus der
geplante Kanal nicht als ein in sich geschlossenes Werk, sondern als eine Anlage
betrachtet, die erst dann als bis zu einem gewissen Grade vollendet erscheine"
konnte, wenn sie vou Dortmund bis an den Rhein fortgeführt wurde,

Deal die Verbindung mit der Elbe oder der Ban des sogenannten
Mittellaudkauals wurde zwar anch eine außerordentliche Förderung der an
der Eins liegenden Interessen bedeuten, aber doch nicht in höherm Maße, als
dies bei der Weser und der Elbe der Fall ist, und andrerseits hat sie mit
den holländischen Angelegenheiten nichts zu thun. Diese werden lediglich von
zwei Fragen umschlossen, vou denen die erste leicht beantwortet ist. Daß das
rheinisch-westfälische Industriegebiet vou den Massengütern, die es erzeugt, und
die es bis dahin den Rhein hat hinabfahren lassen, einen großen Prozentsatz
an die neue Wasserstraße abgeben wird, darüber braucht weiter kein Wort
verloren zu werden, weil zum Teil die Thatsache schon vorliegt. Was aber die
zweite Frage anbetrifft, so kommt es für deu Augenblick weniger darauf an, ob
sich ein größerer Teil der von Süden her kommenden Güter vom Rhein auf die
Emsliuie wird abdrängen lassen, sondern darauf, daß die Regierung ernsthaft
beginnt, Stellung zu ihr zu nehmen.

Der Rhein ist von allen deutschen Ströme" der verkehrsreichste, aber
während sein Ober- und sein Mittellauf von deutschen Grenzen umschlossen
sind, liege" seine Mündungen nud der größte Teil seines lluterlaufs auf dem
Gebiet des fremden Staats, Nicht, als ob dies deu rechtliche" Sinn zur Er-
oberung anstächet" dürfte, aber es regt mit gutem Rechte die Erwägung an,
ob die dadurch geschaffnen Nachteile nicht auf anderen Wege auf ein Mindest¬
maß zurückgeführt werden können. Solange Deutschland in sich zerklüftet und
uneinig war, und das Königreich Preußen, das wegen seiner westlichen Pro¬
vinzen das größte Interesse an der Sache hatte, andre, größere und wichtigere
Aufgaben vor sich sah, war nicht daran zu deuten, wie dem handelspolitischen
Übergewicht Hollands dnrch Anlegung vou Kanälen begegnet werden könnte.
So hat denn auch dieser Staat die Gunst seiner Lage in einer Weise aus¬
gebeutet, die ihm, wenn man nicht andre als materielle Rücksichten in dem
Zusammenhang der Dinge suchen will, um so weniger verdacht werden konnte,
als durchaus nicht einzusehen war, daß sich die politische Gestaltung Deutsch¬
lands jemals ändern könnte.

(Fortsetzung folgt)




schlaggebende Beweggrund, Das war der, und darüber haben sich die Minister
der verschiednen Ressorts in den Parlamentsverhandlungen sattsam allsge-
sprochen, den Handel an der deutschen Westgrenze den Rhein hinunter auf
das diesseitige Gebiet zu ziehn und ihn damit möglichst von den holländischen
Häfen unabhängig zu machen. Freilich war von diesem Standpunkt aus der
geplante Kanal nicht als ein in sich geschlossenes Werk, sondern als eine Anlage
betrachtet, die erst dann als bis zu einem gewissen Grade vollendet erscheine»
konnte, wenn sie vou Dortmund bis an den Rhein fortgeführt wurde,

Deal die Verbindung mit der Elbe oder der Ban des sogenannten
Mittellaudkauals wurde zwar anch eine außerordentliche Förderung der an
der Eins liegenden Interessen bedeuten, aber doch nicht in höherm Maße, als
dies bei der Weser und der Elbe der Fall ist, und andrerseits hat sie mit
den holländischen Angelegenheiten nichts zu thun. Diese werden lediglich von
zwei Fragen umschlossen, vou denen die erste leicht beantwortet ist. Daß das
rheinisch-westfälische Industriegebiet vou den Massengütern, die es erzeugt, und
die es bis dahin den Rhein hat hinabfahren lassen, einen großen Prozentsatz
an die neue Wasserstraße abgeben wird, darüber braucht weiter kein Wort
verloren zu werden, weil zum Teil die Thatsache schon vorliegt. Was aber die
zweite Frage anbetrifft, so kommt es für deu Augenblick weniger darauf an, ob
sich ein größerer Teil der von Süden her kommenden Güter vom Rhein auf die
Emsliuie wird abdrängen lassen, sondern darauf, daß die Regierung ernsthaft
beginnt, Stellung zu ihr zu nehmen.

Der Rhein ist von allen deutschen Ströme» der verkehrsreichste, aber
während sein Ober- und sein Mittellauf von deutschen Grenzen umschlossen
sind, liege» seine Mündungen nud der größte Teil seines lluterlaufs auf dem
Gebiet des fremden Staats, Nicht, als ob dies deu rechtliche» Sinn zur Er-
oberung anstächet» dürfte, aber es regt mit gutem Rechte die Erwägung an,
ob die dadurch geschaffnen Nachteile nicht auf anderen Wege auf ein Mindest¬
maß zurückgeführt werden können. Solange Deutschland in sich zerklüftet und
uneinig war, und das Königreich Preußen, das wegen seiner westlichen Pro¬
vinzen das größte Interesse an der Sache hatte, andre, größere und wichtigere
Aufgaben vor sich sah, war nicht daran zu deuten, wie dem handelspolitischen
Übergewicht Hollands dnrch Anlegung vou Kanälen begegnet werden könnte.
So hat denn auch dieser Staat die Gunst seiner Lage in einer Weise aus¬
gebeutet, die ihm, wenn man nicht andre als materielle Rücksichten in dem
Zusammenhang der Dinge suchen will, um so weniger verdacht werden konnte,
als durchaus nicht einzusehen war, daß sich die politische Gestaltung Deutsch¬
lands jemals ändern könnte.

(Fortsetzung folgt)




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[0165] schlaggebende Beweggrund, Das war der, und darüber haben sich die Minister der verschiednen Ressorts in den Parlamentsverhandlungen sattsam allsge- sprochen, den Handel an der deutschen Westgrenze den Rhein hinunter auf das diesseitige Gebiet zu ziehn und ihn damit möglichst von den holländischen Häfen unabhängig zu machen. Freilich war von diesem Standpunkt aus der geplante Kanal nicht als ein in sich geschlossenes Werk, sondern als eine Anlage betrachtet, die erst dann als bis zu einem gewissen Grade vollendet erscheine» konnte, wenn sie vou Dortmund bis an den Rhein fortgeführt wurde, Deal die Verbindung mit der Elbe oder der Ban des sogenannten Mittellaudkauals wurde zwar anch eine außerordentliche Förderung der an der Eins liegenden Interessen bedeuten, aber doch nicht in höherm Maße, als dies bei der Weser und der Elbe der Fall ist, und andrerseits hat sie mit den holländischen Angelegenheiten nichts zu thun. Diese werden lediglich von zwei Fragen umschlossen, vou denen die erste leicht beantwortet ist. Daß das rheinisch-westfälische Industriegebiet vou den Massengütern, die es erzeugt, und die es bis dahin den Rhein hat hinabfahren lassen, einen großen Prozentsatz an die neue Wasserstraße abgeben wird, darüber braucht weiter kein Wort verloren zu werden, weil zum Teil die Thatsache schon vorliegt. Was aber die zweite Frage anbetrifft, so kommt es für deu Augenblick weniger darauf an, ob sich ein größerer Teil der von Süden her kommenden Güter vom Rhein auf die Emsliuie wird abdrängen lassen, sondern darauf, daß die Regierung ernsthaft beginnt, Stellung zu ihr zu nehmen. Der Rhein ist von allen deutschen Ströme» der verkehrsreichste, aber während sein Ober- und sein Mittellauf von deutschen Grenzen umschlossen sind, liege» seine Mündungen nud der größte Teil seines lluterlaufs auf dem Gebiet des fremden Staats, Nicht, als ob dies deu rechtliche» Sinn zur Er- oberung anstächet» dürfte, aber es regt mit gutem Rechte die Erwägung an, ob die dadurch geschaffnen Nachteile nicht auf anderen Wege auf ein Mindest¬ maß zurückgeführt werden können. Solange Deutschland in sich zerklüftet und uneinig war, und das Königreich Preußen, das wegen seiner westlichen Pro¬ vinzen das größte Interesse an der Sache hatte, andre, größere und wichtigere Aufgaben vor sich sah, war nicht daran zu deuten, wie dem handelspolitischen Übergewicht Hollands dnrch Anlegung vou Kanälen begegnet werden könnte. So hat denn auch dieser Staat die Gunst seiner Lage in einer Weise aus¬ gebeutet, die ihm, wenn man nicht andre als materielle Rücksichten in dem Zusammenhang der Dinge suchen will, um so weniger verdacht werden konnte, als durchaus nicht einzusehen war, daß sich die politische Gestaltung Deutsch¬ lands jemals ändern könnte. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/165>, abgerufen am 13.05.2024.