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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschland

friedlich bis ins Mark hinein ist und auch seinem kleinsten Nachbar leine
Befürchtungen vor kriegerischen Überraschungen einflößt, sondern vor allein die
Erkenntnis, daß es sich von deutscher Seite her um Eroberungen wirtschaft¬
licher Natur handelt. Was sich im langsamen Zuge aus den Weiten der Welt
auf Holland zu bewegt, davon hört es den Wind schon auf der deutschen
Grenze pfeifen. Nicht die Anlage eines Kriegshafens an der Krot giebt dem
""befangnen Urteil in Holland Anlaß zu Besorgnis, sondern die Vorbereitungen,
die von der deutschen Regierung getroffen werden, die Stadt Emden zu einem
großen Handelshafen zu macheu und damit einen weitern breiten Zutritt zum
Meere z" gewinnen, das uns in den letzten Jahrzehnten schon so vertraut
geworden ist.

Die Answeitmig und die Vertiefung des Emder HnfeubassiuS zugleich
mit der Verbreiterung der Schlcnscnnnlagen war das erste, was die Regierung
that, um der fast nur noch in der Erinnerung dämmernden Stadt wieder That¬
kraft einzuflößen, das zweite war die Anlegung des Ems-Iadekanals, der die
Bestimmung hatte, Enden auch von der oldenburgischen Seite Zuzug zu bringen.
Diesen Vcraustaltuuge" sah die holländische Negierung mit einer Ruhe zu, die
wenig oder gar keine Erschütterung erlitt, freilich in der Gewöhnung von
früher her die ausreichende Erklärung fand. Auch die hannöversche Regierung
hatte schon was in ihren Kräften stand gethan, die Stadt ihrer zähen Ver-
schlicknng zu entreißen, aber es war eben beim alten geblieben.

Da kamen die achtziger Jahre und mit ihnen der wunderbare Aufschwung
im Handel und in der Industrie, der Deutschland in diesen Dingen an die
zweite Stelle der führenden Staaten rückte. Enden nahm trotz der Verbesserung
seiner Hafenanlagen nicht teil daran, höchstens daß man von einer Vermehrung
der Heriugsslvtte um einige Schiffe hörte. Aber die Negierung ließ den Lauf
der Ems lind den Dollart nicht außer acht. Wenn der deutsche Handel in
der ganzen Welt seine kühnen Vorstöße machte und immer mehr Raum ge¬
wann, so durfte doch auf vaterländischen Boden das Hinterland dieses Flusses
nicht länger als nötig unter der Ausbeutung des fremden Handclsgeistcs liegen
bleiben. Ostfrieslnnd hatte sich schon immer als die natürliche Fortsetzung des
westfälischen Emslandes betrachtet, nud diesem Gedanken entsprechend war gleich
nach der Annexion von Hannover die Landdrostei Aurich unter die Eiscnbähn-
verwaltnng in Minister gestellt worden. Es war deshalb eine strenge Folge¬
richtigkeit, wenn mit dem Ban des Dortmund-Emskanals eine noch engere
Verknüpfung der ostfriesischen Küste mit dem hinter ihr liegenden Lande an¬
gebahnt wurde.

Über die Bedeutung des Dortmund-Einskanals ist seiner Zeit, wie es bei
einer so großen Anlage ganz natürlich ist, viel geredet und geschrieben worden.
Daß es sich bloß kanfmänirisch betrachtet zunächst darum handelte, der eng¬
lischen Kohle durch Verminderung der Transportkosten der deutschen aus
dem Rnhrgebiete Konkurrenz zu machen, leuchtet jedem ein, war aber für die
Regierung, die auf einer höhern Warte steht, weder der erste noch der ans-


Holland und Deutschland

friedlich bis ins Mark hinein ist und auch seinem kleinsten Nachbar leine
Befürchtungen vor kriegerischen Überraschungen einflößt, sondern vor allein die
Erkenntnis, daß es sich von deutscher Seite her um Eroberungen wirtschaft¬
licher Natur handelt. Was sich im langsamen Zuge aus den Weiten der Welt
auf Holland zu bewegt, davon hört es den Wind schon auf der deutschen
Grenze pfeifen. Nicht die Anlage eines Kriegshafens an der Krot giebt dem
»»befangnen Urteil in Holland Anlaß zu Besorgnis, sondern die Vorbereitungen,
die von der deutschen Regierung getroffen werden, die Stadt Emden zu einem
großen Handelshafen zu macheu und damit einen weitern breiten Zutritt zum
Meere z» gewinnen, das uns in den letzten Jahrzehnten schon so vertraut
geworden ist.

Die Answeitmig und die Vertiefung des Emder HnfeubassiuS zugleich
mit der Verbreiterung der Schlcnscnnnlagen war das erste, was die Regierung
that, um der fast nur noch in der Erinnerung dämmernden Stadt wieder That¬
kraft einzuflößen, das zweite war die Anlegung des Ems-Iadekanals, der die
Bestimmung hatte, Enden auch von der oldenburgischen Seite Zuzug zu bringen.
Diesen Vcraustaltuuge» sah die holländische Negierung mit einer Ruhe zu, die
wenig oder gar keine Erschütterung erlitt, freilich in der Gewöhnung von
früher her die ausreichende Erklärung fand. Auch die hannöversche Regierung
hatte schon was in ihren Kräften stand gethan, die Stadt ihrer zähen Ver-
schlicknng zu entreißen, aber es war eben beim alten geblieben.

Da kamen die achtziger Jahre und mit ihnen der wunderbare Aufschwung
im Handel und in der Industrie, der Deutschland in diesen Dingen an die
zweite Stelle der führenden Staaten rückte. Enden nahm trotz der Verbesserung
seiner Hafenanlagen nicht teil daran, höchstens daß man von einer Vermehrung
der Heriugsslvtte um einige Schiffe hörte. Aber die Negierung ließ den Lauf
der Ems lind den Dollart nicht außer acht. Wenn der deutsche Handel in
der ganzen Welt seine kühnen Vorstöße machte und immer mehr Raum ge¬
wann, so durfte doch auf vaterländischen Boden das Hinterland dieses Flusses
nicht länger als nötig unter der Ausbeutung des fremden Handclsgeistcs liegen
bleiben. Ostfrieslnnd hatte sich schon immer als die natürliche Fortsetzung des
westfälischen Emslandes betrachtet, nud diesem Gedanken entsprechend war gleich
nach der Annexion von Hannover die Landdrostei Aurich unter die Eiscnbähn-
verwaltnng in Minister gestellt worden. Es war deshalb eine strenge Folge¬
richtigkeit, wenn mit dem Ban des Dortmund-Emskanals eine noch engere
Verknüpfung der ostfriesischen Küste mit dem hinter ihr liegenden Lande an¬
gebahnt wurde.

Über die Bedeutung des Dortmund-Einskanals ist seiner Zeit, wie es bei
einer so großen Anlage ganz natürlich ist, viel geredet und geschrieben worden.
Daß es sich bloß kanfmänirisch betrachtet zunächst darum handelte, der eng¬
lischen Kohle durch Verminderung der Transportkosten der deutschen aus
dem Rnhrgebiete Konkurrenz zu machen, leuchtet jedem ein, war aber für die
Regierung, die auf einer höhern Warte steht, weder der erste noch der ans-


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[0164] Holland und Deutschland friedlich bis ins Mark hinein ist und auch seinem kleinsten Nachbar leine Befürchtungen vor kriegerischen Überraschungen einflößt, sondern vor allein die Erkenntnis, daß es sich von deutscher Seite her um Eroberungen wirtschaft¬ licher Natur handelt. Was sich im langsamen Zuge aus den Weiten der Welt auf Holland zu bewegt, davon hört es den Wind schon auf der deutschen Grenze pfeifen. Nicht die Anlage eines Kriegshafens an der Krot giebt dem »»befangnen Urteil in Holland Anlaß zu Besorgnis, sondern die Vorbereitungen, die von der deutschen Regierung getroffen werden, die Stadt Emden zu einem großen Handelshafen zu macheu und damit einen weitern breiten Zutritt zum Meere z» gewinnen, das uns in den letzten Jahrzehnten schon so vertraut geworden ist. Die Answeitmig und die Vertiefung des Emder HnfeubassiuS zugleich mit der Verbreiterung der Schlcnscnnnlagen war das erste, was die Regierung that, um der fast nur noch in der Erinnerung dämmernden Stadt wieder That¬ kraft einzuflößen, das zweite war die Anlegung des Ems-Iadekanals, der die Bestimmung hatte, Enden auch von der oldenburgischen Seite Zuzug zu bringen. Diesen Vcraustaltuuge» sah die holländische Negierung mit einer Ruhe zu, die wenig oder gar keine Erschütterung erlitt, freilich in der Gewöhnung von früher her die ausreichende Erklärung fand. Auch die hannöversche Regierung hatte schon was in ihren Kräften stand gethan, die Stadt ihrer zähen Ver- schlicknng zu entreißen, aber es war eben beim alten geblieben. Da kamen die achtziger Jahre und mit ihnen der wunderbare Aufschwung im Handel und in der Industrie, der Deutschland in diesen Dingen an die zweite Stelle der führenden Staaten rückte. Enden nahm trotz der Verbesserung seiner Hafenanlagen nicht teil daran, höchstens daß man von einer Vermehrung der Heriugsslvtte um einige Schiffe hörte. Aber die Negierung ließ den Lauf der Ems lind den Dollart nicht außer acht. Wenn der deutsche Handel in der ganzen Welt seine kühnen Vorstöße machte und immer mehr Raum ge¬ wann, so durfte doch auf vaterländischen Boden das Hinterland dieses Flusses nicht länger als nötig unter der Ausbeutung des fremden Handclsgeistcs liegen bleiben. Ostfrieslnnd hatte sich schon immer als die natürliche Fortsetzung des westfälischen Emslandes betrachtet, nud diesem Gedanken entsprechend war gleich nach der Annexion von Hannover die Landdrostei Aurich unter die Eiscnbähn- verwaltnng in Minister gestellt worden. Es war deshalb eine strenge Folge¬ richtigkeit, wenn mit dem Ban des Dortmund-Emskanals eine noch engere Verknüpfung der ostfriesischen Küste mit dem hinter ihr liegenden Lande an¬ gebahnt wurde. Über die Bedeutung des Dortmund-Einskanals ist seiner Zeit, wie es bei einer so großen Anlage ganz natürlich ist, viel geredet und geschrieben worden. Daß es sich bloß kanfmänirisch betrachtet zunächst darum handelte, der eng¬ lischen Kohle durch Verminderung der Transportkosten der deutschen aus dem Rnhrgebiete Konkurrenz zu machen, leuchtet jedem ein, war aber für die Regierung, die auf einer höhern Warte steht, weder der erste noch der ans-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/164>, abgerufen am 06.06.2024.