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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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vor den Lords zeigen, doch die alleinige Verfügung über den Geldbeutel er¬
rungen haben. Ursprünglich und bis weit in die Regierung Eduards Hi,
hinein "lachten beide Häuser besondre Bewilligungen für die von ihnen ver-
tretnen Stände, Mit dem Verfall des Fendnlwesens sank die Steuerlast der
Peers, während zugleich das Aufblühe" der Städte und des von diesen be-
triebne" Handels die von den Gemeine" vertretnen Stände zu den Haupt-
quellen der Staatseinnahmen machte. Nur sich selbst vertretend mußten die
Lords den Genieinen die Festsetzung der Steuerkasten überlassen, Sie haben
mir die Wahl zwischen Annahme und Verwerfung einer Finnnzvorlage, ohne
daß ihnen eine Änderung erlaubt ist. Solche Vorlagen ihrer Beschlußfassung
ganz und gar vorzuenthalten, wie manche Radikalen mochten, geht nicht an,
da die Lords der Besteuerung ebensogut unterworfen sind wie andre Briten,
und sie keine Stimme bei de" Wähle" zum Unterhause haben. Rechtlich muß
man ihnen auch eine Änderung der Geldvorlagcn zugestehn, und noch 1861
hat sich Gladstone bei Gelegenheit der Aufhebung der Papierstener dahin aus¬
gesprochen. Das Oberhaus hat sich seines Rechtes, Geldvorlagen zu ändern,
nie begebe", thatsächlich aber hat es die Besteuerung dem Unterhause über¬
lassen, und der Brauch ist jetzt so gut wie verbrieftes Recht.

Die besondern Rechte des Unterhauses, um deren Bestätigung durch die
Krone der Sprecher bitten muß, sind andrer Art, sie bezieh" sich nicht auf
das Verhältnis zum Oberhause, sondern zur Krone selbst. Heute scheinen sie
so selbstverständlich, daß nun sich das Haus ohne sie kaum vorstelle" kann.
In frühern Jahrhunderten, als der Kampf zwischen .Krone und Parlament
uoch nicht entschieden war, thaten die Gemeinen gut, sie sich regelmäßig be-
krüftigeu zu lassen. Die Rechte umfassen freien Zutritt der Körperschaft zum
Monarchen, Freiheit der Rede in der Erörterung, Sicherheit vor Verhaftung
und die günstige Auslegung aller Schritte des Unterhauses durch den Mon¬
archen. Andre Rechte, die sich das Unterhaus in der Fülle seiner Macht an¬
gemaßt hatte, wie die eigne Aburteilung und Gefangensetzuug von Personen,
die es eines Vergehens gegen seine Würde bezichtigte, hat man stillschweigend
fallen lassen. E"tweder begnügt man sich mit einer demütigen Abbitte vor
den Schranken des Hauses, oder läßt die Gerichte ihres Amtes walten. Die¬
selben Rechte gegenüber der Krone, deren sich das Unterhaus erfrent, stehn
auch dem Oberhause zu, Die Peers haben daneben uoch das persönliche
Recht des Zutritts zum Monarchen, und die Ausübung richterlicher Gewalt,
die sich das Unterhaus für seine eigne" Angelegenheiten angemaßt hatte, ge¬
bührt ihnen gesetzlich, DaS Haus der Lords ist der oberste AppellationS-
Michtshof des ganzen Königreichs. ES muß aber hinzugefügt werden, daß
die Entscheidung der Fälle, die ihm unterbreitet werden, seit 1873 bloß bei
dem Lordkanzler und den eigens dazu bestellten richterlichen Lords liegt, denen
sich die Peers anschließen, die hohe Richterämter bekleidet haben.

Schon vorhin ist der Lordkanzler als der feste Punkt im ganzen parla¬
mentarischen Leben bezeichnet worden. Er vereinigt in seiner Person die höchste


vor den Lords zeigen, doch die alleinige Verfügung über den Geldbeutel er¬
rungen haben. Ursprünglich und bis weit in die Regierung Eduards Hi,
hinein »lachten beide Häuser besondre Bewilligungen für die von ihnen ver-
tretnen Stände, Mit dem Verfall des Fendnlwesens sank die Steuerlast der
Peers, während zugleich das Aufblühe» der Städte und des von diesen be-
triebne» Handels die von den Gemeine» vertretnen Stände zu den Haupt-
quellen der Staatseinnahmen machte. Nur sich selbst vertretend mußten die
Lords den Genieinen die Festsetzung der Steuerkasten überlassen, Sie haben
mir die Wahl zwischen Annahme und Verwerfung einer Finnnzvorlage, ohne
daß ihnen eine Änderung erlaubt ist. Solche Vorlagen ihrer Beschlußfassung
ganz und gar vorzuenthalten, wie manche Radikalen mochten, geht nicht an,
da die Lords der Besteuerung ebensogut unterworfen sind wie andre Briten,
und sie keine Stimme bei de» Wähle» zum Unterhause haben. Rechtlich muß
man ihnen auch eine Änderung der Geldvorlagcn zugestehn, und noch 1861
hat sich Gladstone bei Gelegenheit der Aufhebung der Papierstener dahin aus¬
gesprochen. Das Oberhaus hat sich seines Rechtes, Geldvorlagen zu ändern,
nie begebe», thatsächlich aber hat es die Besteuerung dem Unterhause über¬
lassen, und der Brauch ist jetzt so gut wie verbrieftes Recht.

Die besondern Rechte des Unterhauses, um deren Bestätigung durch die
Krone der Sprecher bitten muß, sind andrer Art, sie bezieh» sich nicht auf
das Verhältnis zum Oberhause, sondern zur Krone selbst. Heute scheinen sie
so selbstverständlich, daß nun sich das Haus ohne sie kaum vorstelle» kann.
In frühern Jahrhunderten, als der Kampf zwischen .Krone und Parlament
uoch nicht entschieden war, thaten die Gemeinen gut, sie sich regelmäßig be-
krüftigeu zu lassen. Die Rechte umfassen freien Zutritt der Körperschaft zum
Monarchen, Freiheit der Rede in der Erörterung, Sicherheit vor Verhaftung
und die günstige Auslegung aller Schritte des Unterhauses durch den Mon¬
archen. Andre Rechte, die sich das Unterhaus in der Fülle seiner Macht an¬
gemaßt hatte, wie die eigne Aburteilung und Gefangensetzuug von Personen,
die es eines Vergehens gegen seine Würde bezichtigte, hat man stillschweigend
fallen lassen. E»tweder begnügt man sich mit einer demütigen Abbitte vor
den Schranken des Hauses, oder läßt die Gerichte ihres Amtes walten. Die¬
selben Rechte gegenüber der Krone, deren sich das Unterhaus erfrent, stehn
auch dem Oberhause zu, Die Peers haben daneben uoch das persönliche
Recht des Zutritts zum Monarchen, und die Ausübung richterlicher Gewalt,
die sich das Unterhaus für seine eigne» Angelegenheiten angemaßt hatte, ge¬
bührt ihnen gesetzlich, DaS Haus der Lords ist der oberste AppellationS-
Michtshof des ganzen Königreichs. ES muß aber hinzugefügt werden, daß
die Entscheidung der Fälle, die ihm unterbreitet werden, seit 1873 bloß bei
dem Lordkanzler und den eigens dazu bestellten richterlichen Lords liegt, denen
sich die Peers anschließen, die hohe Richterämter bekleidet haben.

Schon vorhin ist der Lordkanzler als der feste Punkt im ganzen parla¬
mentarischen Leben bezeichnet worden. Er vereinigt in seiner Person die höchste


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/167>, abgerufen am 12.05.2024.