Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Holland und Deutschland

selbe Gewicht, dus sie bei andern Gelegenheiten gehabt hatten, nur daß sie
die unweit bedeutendern politischen Folgen nach sich zogen. In der frühern
Geschichtschreibung hat mau die Übertragung der Mark an den Hohenzoller"-
fürsteu rechtfertigen und sie davor verwahre" zu müssen geglaubt, als ob sie
den Charakter eines anstößigen GeldschacherS gehabt habe. Weshalb? König
Sigismund war dem Burggrafen eine Summe von schließlich 400000 Gold¬
gulden schuldig, die auf die Mark angewiesen wurde. Es war ein Handel,
der alle Tage vorkam und dem einen so wenig zur Unehre gereichte wie dem
andern. Der König glaubte, gut wegzukommen, wenn er das Geld nicht zurück¬
zuzahlen brauchte, und der Bnrggmf, wenn er das Land behalten konnte, und
am allerbesten kam dieses selbst weg.

Noch niemals sind einem Lande der Ordnungssinn und die Sparsamkeit
seines Fürsten besser bekommen, als der Mark Brandenburg das Wirtschafts¬
system, das Kurfürst Friedrich l, mit der überredender Stimme seiner faulen
Grete einführte. Die Burg Friesack sank in Trümmer, und die Pntlitze und
die Jtzeuplitze, die Rochows und die Bredows mußten zu Kreuze kriechen, aber
Bürger und Bauer richteten sich vom Boden auf und bekamen frische Lust, den
Acker zu bebaue" und auf Handel und Gewerbe auszugehn. Von dem Augen¬
blick an, wo die Oberhoheit des neuen Markgrafen allgemein anerkannt war,
gehörte Brandenburg zu den bestregierten Landschaften im Reiche, und das
blieb es ohne Ausnahme, so oft und so lange nicht die Schwäche des Ganzen
anch den Teil in Not und Gefahr brachte. Glücklich der Staat, der sich die
eigne" Verkehrtheiten und dus dadurch verschuldete Unglück zur Lehre sein
läßt. Aus den Drangsalen des Dreißigjährigen Kriegs und der französischen
Fremdherrschaft schnellte Brandenburg-Preußen, sich selbst zum Heile und andern
zur Nacheiferung, deshalb so schnell wieder empor, weil es mit verjüngter
Kraft jedesmal die Anwendung der Grundsätze wieder aufnahm, die bei der
Gründung des kleinen Stnatsweseus gegolten hatten. Von dem ehedem gründ¬
lich verachteten Brandenburg gilt das Wort der Schrift, daß der Stein, den
die Baumeister verworfen hatte", zum Eckstein wurde.

Denn zur nacheifern"g und damit zur Hebung der eignen Kräfte diente
das Beispiel dieses Staates in deutschen Landen, wie sehr man das auch
leugnen mag. Die Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates ist die
mit steigender Kraft anschwellende Predigt der Wahrheit, daß die wirtschaft¬
lichen Grundsätze, von denen man auf dem dürren märkischen Sandboden aus¬
ging, nicht bloß die Stützen des Ganzen in schwerer Zeit gewesen sind, sondern
mich die mächtige" Förderer seiner Wohlfahrt und seines Glücks. Das Leben.
der Völker wird gewöhnlich mehr von der glänzenden Seite ihres Wesens
betrachtet, die sich in der Bethätigung des Mutes und der Phantasie, des
Verstands und der Vernunft darstellt, als von der, die sich nur auf die Er¬
haltung und Durchführung des Daseins erstreckt. So sind die meisten Menschen
gewohnt, von Preußen als von einem vorzugsweise unter dem Begriff Militür-
suwt zu fassende" Gebilde zu spreche", und thun damit dasselbe, wie wenn sie


Grenzlinien l!l 1S01 2et
Holland und Deutschland

selbe Gewicht, dus sie bei andern Gelegenheiten gehabt hatten, nur daß sie
die unweit bedeutendern politischen Folgen nach sich zogen. In der frühern
Geschichtschreibung hat mau die Übertragung der Mark an den Hohenzoller»-
fürsteu rechtfertigen und sie davor verwahre» zu müssen geglaubt, als ob sie
den Charakter eines anstößigen GeldschacherS gehabt habe. Weshalb? König
Sigismund war dem Burggrafen eine Summe von schließlich 400000 Gold¬
gulden schuldig, die auf die Mark angewiesen wurde. Es war ein Handel,
der alle Tage vorkam und dem einen so wenig zur Unehre gereichte wie dem
andern. Der König glaubte, gut wegzukommen, wenn er das Geld nicht zurück¬
zuzahlen brauchte, und der Bnrggmf, wenn er das Land behalten konnte, und
am allerbesten kam dieses selbst weg.

Noch niemals sind einem Lande der Ordnungssinn und die Sparsamkeit
seines Fürsten besser bekommen, als der Mark Brandenburg das Wirtschafts¬
system, das Kurfürst Friedrich l, mit der überredender Stimme seiner faulen
Grete einführte. Die Burg Friesack sank in Trümmer, und die Pntlitze und
die Jtzeuplitze, die Rochows und die Bredows mußten zu Kreuze kriechen, aber
Bürger und Bauer richteten sich vom Boden auf und bekamen frische Lust, den
Acker zu bebaue» und auf Handel und Gewerbe auszugehn. Von dem Augen¬
blick an, wo die Oberhoheit des neuen Markgrafen allgemein anerkannt war,
gehörte Brandenburg zu den bestregierten Landschaften im Reiche, und das
blieb es ohne Ausnahme, so oft und so lange nicht die Schwäche des Ganzen
anch den Teil in Not und Gefahr brachte. Glücklich der Staat, der sich die
eigne» Verkehrtheiten und dus dadurch verschuldete Unglück zur Lehre sein
läßt. Aus den Drangsalen des Dreißigjährigen Kriegs und der französischen
Fremdherrschaft schnellte Brandenburg-Preußen, sich selbst zum Heile und andern
zur Nacheiferung, deshalb so schnell wieder empor, weil es mit verjüngter
Kraft jedesmal die Anwendung der Grundsätze wieder aufnahm, die bei der
Gründung des kleinen Stnatsweseus gegolten hatten. Von dem ehedem gründ¬
lich verachteten Brandenburg gilt das Wort der Schrift, daß der Stein, den
die Baumeister verworfen hatte», zum Eckstein wurde.

Denn zur nacheifern»g und damit zur Hebung der eignen Kräfte diente
das Beispiel dieses Staates in deutschen Landen, wie sehr man das auch
leugnen mag. Die Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates ist die
mit steigender Kraft anschwellende Predigt der Wahrheit, daß die wirtschaft¬
lichen Grundsätze, von denen man auf dem dürren märkischen Sandboden aus¬
ging, nicht bloß die Stützen des Ganzen in schwerer Zeit gewesen sind, sondern
mich die mächtige» Förderer seiner Wohlfahrt und seines Glücks. Das Leben.
der Völker wird gewöhnlich mehr von der glänzenden Seite ihres Wesens
betrachtet, die sich in der Bethätigung des Mutes und der Phantasie, des
Verstands und der Vernunft darstellt, als von der, die sich nur auf die Er¬
haltung und Durchführung des Daseins erstreckt. So sind die meisten Menschen
gewohnt, von Preußen als von einem vorzugsweise unter dem Begriff Militür-
suwt zu fassende» Gebilde zu spreche», und thun damit dasselbe, wie wenn sie


Grenzlinien l!l 1S01 2et
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235381"/>
          <fw type="header" place="top"> Holland und Deutschland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_952" prev="#ID_951"> selbe Gewicht, dus sie bei andern Gelegenheiten gehabt hatten, nur daß sie<lb/>
die unweit bedeutendern politischen Folgen nach sich zogen. In der frühern<lb/>
Geschichtschreibung hat mau die Übertragung der Mark an den Hohenzoller»-<lb/>
fürsteu rechtfertigen und sie davor verwahre» zu müssen geglaubt, als ob sie<lb/>
den Charakter eines anstößigen GeldschacherS gehabt habe. Weshalb? König<lb/>
Sigismund war dem Burggrafen eine Summe von schließlich 400000 Gold¬<lb/>
gulden schuldig, die auf die Mark angewiesen wurde. Es war ein Handel,<lb/>
der alle Tage vorkam und dem einen so wenig zur Unehre gereichte wie dem<lb/>
andern. Der König glaubte, gut wegzukommen, wenn er das Geld nicht zurück¬<lb/>
zuzahlen brauchte, und der Bnrggmf, wenn er das Land behalten konnte, und<lb/>
am allerbesten kam dieses selbst weg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_953"> Noch niemals sind einem Lande der Ordnungssinn und die Sparsamkeit<lb/>
seines Fürsten besser bekommen, als der Mark Brandenburg das Wirtschafts¬<lb/>
system, das Kurfürst Friedrich l, mit der überredender Stimme seiner faulen<lb/>
Grete einführte. Die Burg Friesack sank in Trümmer, und die Pntlitze und<lb/>
die Jtzeuplitze, die Rochows und die Bredows mußten zu Kreuze kriechen, aber<lb/>
Bürger und Bauer richteten sich vom Boden auf und bekamen frische Lust, den<lb/>
Acker zu bebaue» und auf Handel und Gewerbe auszugehn. Von dem Augen¬<lb/>
blick an, wo die Oberhoheit des neuen Markgrafen allgemein anerkannt war,<lb/>
gehörte Brandenburg zu den bestregierten Landschaften im Reiche, und das<lb/>
blieb es ohne Ausnahme, so oft und so lange nicht die Schwäche des Ganzen<lb/>
anch den Teil in Not und Gefahr brachte. Glücklich der Staat, der sich die<lb/>
eigne» Verkehrtheiten und dus dadurch verschuldete Unglück zur Lehre sein<lb/>
läßt. Aus den Drangsalen des Dreißigjährigen Kriegs und der französischen<lb/>
Fremdherrschaft schnellte Brandenburg-Preußen, sich selbst zum Heile und andern<lb/>
zur Nacheiferung, deshalb so schnell wieder empor, weil es mit verjüngter<lb/>
Kraft jedesmal die Anwendung der Grundsätze wieder aufnahm, die bei der<lb/>
Gründung des kleinen Stnatsweseus gegolten hatten. Von dem ehedem gründ¬<lb/>
lich verachteten Brandenburg gilt das Wort der Schrift, daß der Stein, den<lb/>
die Baumeister verworfen hatte», zum Eckstein wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_954" next="#ID_955"> Denn zur nacheifern»g und damit zur Hebung der eignen Kräfte diente<lb/>
das Beispiel dieses Staates in deutschen Landen, wie sehr man das auch<lb/>
leugnen mag. Die Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates ist die<lb/>
mit steigender Kraft anschwellende Predigt der Wahrheit, daß die wirtschaft¬<lb/>
lichen Grundsätze, von denen man auf dem dürren märkischen Sandboden aus¬<lb/>
ging, nicht bloß die Stützen des Ganzen in schwerer Zeit gewesen sind, sondern<lb/>
mich die mächtige» Förderer seiner Wohlfahrt und seines Glücks. Das Leben.<lb/>
der Völker wird gewöhnlich mehr von der glänzenden Seite ihres Wesens<lb/>
betrachtet, die sich in der Bethätigung des Mutes und der Phantasie, des<lb/>
Verstands und der Vernunft darstellt, als von der, die sich nur auf die Er¬<lb/>
haltung und Durchführung des Daseins erstreckt. So sind die meisten Menschen<lb/>
gewohnt, von Preußen als von einem vorzugsweise unter dem Begriff Militür-<lb/>
suwt zu fassende» Gebilde zu spreche», und thun damit dasselbe, wie wenn sie</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzlinien l!l 1S01 2et</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0209] Holland und Deutschland selbe Gewicht, dus sie bei andern Gelegenheiten gehabt hatten, nur daß sie die unweit bedeutendern politischen Folgen nach sich zogen. In der frühern Geschichtschreibung hat mau die Übertragung der Mark an den Hohenzoller»- fürsteu rechtfertigen und sie davor verwahre» zu müssen geglaubt, als ob sie den Charakter eines anstößigen GeldschacherS gehabt habe. Weshalb? König Sigismund war dem Burggrafen eine Summe von schließlich 400000 Gold¬ gulden schuldig, die auf die Mark angewiesen wurde. Es war ein Handel, der alle Tage vorkam und dem einen so wenig zur Unehre gereichte wie dem andern. Der König glaubte, gut wegzukommen, wenn er das Geld nicht zurück¬ zuzahlen brauchte, und der Bnrggmf, wenn er das Land behalten konnte, und am allerbesten kam dieses selbst weg. Noch niemals sind einem Lande der Ordnungssinn und die Sparsamkeit seines Fürsten besser bekommen, als der Mark Brandenburg das Wirtschafts¬ system, das Kurfürst Friedrich l, mit der überredender Stimme seiner faulen Grete einführte. Die Burg Friesack sank in Trümmer, und die Pntlitze und die Jtzeuplitze, die Rochows und die Bredows mußten zu Kreuze kriechen, aber Bürger und Bauer richteten sich vom Boden auf und bekamen frische Lust, den Acker zu bebaue» und auf Handel und Gewerbe auszugehn. Von dem Augen¬ blick an, wo die Oberhoheit des neuen Markgrafen allgemein anerkannt war, gehörte Brandenburg zu den bestregierten Landschaften im Reiche, und das blieb es ohne Ausnahme, so oft und so lange nicht die Schwäche des Ganzen anch den Teil in Not und Gefahr brachte. Glücklich der Staat, der sich die eigne» Verkehrtheiten und dus dadurch verschuldete Unglück zur Lehre sein läßt. Aus den Drangsalen des Dreißigjährigen Kriegs und der französischen Fremdherrschaft schnellte Brandenburg-Preußen, sich selbst zum Heile und andern zur Nacheiferung, deshalb so schnell wieder empor, weil es mit verjüngter Kraft jedesmal die Anwendung der Grundsätze wieder aufnahm, die bei der Gründung des kleinen Stnatsweseus gegolten hatten. Von dem ehedem gründ¬ lich verachteten Brandenburg gilt das Wort der Schrift, daß der Stein, den die Baumeister verworfen hatte», zum Eckstein wurde. Denn zur nacheifern»g und damit zur Hebung der eignen Kräfte diente das Beispiel dieses Staates in deutschen Landen, wie sehr man das auch leugnen mag. Die Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates ist die mit steigender Kraft anschwellende Predigt der Wahrheit, daß die wirtschaft¬ lichen Grundsätze, von denen man auf dem dürren märkischen Sandboden aus¬ ging, nicht bloß die Stützen des Ganzen in schwerer Zeit gewesen sind, sondern mich die mächtige» Förderer seiner Wohlfahrt und seines Glücks. Das Leben. der Völker wird gewöhnlich mehr von der glänzenden Seite ihres Wesens betrachtet, die sich in der Bethätigung des Mutes und der Phantasie, des Verstands und der Vernunft darstellt, als von der, die sich nur auf die Er¬ haltung und Durchführung des Daseins erstreckt. So sind die meisten Menschen gewohnt, von Preußen als von einem vorzugsweise unter dem Begriff Militür- suwt zu fassende» Gebilde zu spreche», und thun damit dasselbe, wie wenn sie Grenzlinien l!l 1S01 2et

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/209
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/209>, abgerufen am 05.06.2024.