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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Donljchwnd

einen gotischen Dom, ohne einen Blick in sein Inneres gethan zu haben,
wegen der von außen angelehnten Stützen einen Pfcilerbnn nennen wollten.

Das Donnern der Kanonen und das Krachen zusammenstürzender Burg¬
mauern hallt weiter durch die Räume der Geschichte, als der friedliche Geist
und der stille Gang der Verhandlungen, dnrch die die politische und wirtschaft¬
liche Einigung herbeigeführt wird, und doch sind sie das wesentliche im Gang
der Ereignisse. Überall, wohin im Fortschreiten des brandenburgischen Staats
bis zu seiner Krönung in der dentschen Einheit unser Blick fällt, ist es so,
und niemals, wie wütend auch das Toben der Schlachten all unser Ohr schallt,
ist es der Geist der Eroberung, der sie veranlaßt, solidem die Notwendigkeit
der bessern Ordnung, die Einlaß begehrt. Wie der erste Kurfürst so traf auch
Joachim der Erste seinen frondierendcn Adel, der die Regelung von Handel
und Wandel auf den Heerstraßen in die eigne stahlbewehrte Rechte nehmen
wollte, mit scharfem Schwert und legte ihm das Handwerk so energisch, daß
die Ritter und Herren zu offner Empörung zu schreiten gedachten. Aber die
Anstalten, die er traf, der drohenden Bewegung erfolgreich zu begegnen,
waren nicht bloß Maßregeln zum Schlitze seiner Person und seiner Dhnastie,
sondern damit zugleich dienten sie zur Aufrechterhaltung der Ordnung, in deren
Namen seine Vorfahre" ins Land gekommen waren.

Bei der in damaliger Zeit geltenden Ständegliederung eine geordnete
Staatswirtschaft nnr anzubahnen, war ein schweres Stück Arbeit, aber doppelt
schwer wurde es, sie unter einem Kampf von Gegensätzen aufrecht zu erhalten,
wie sie am Ende des Mittelalters die Welt auseinander rissen. Unter den
schweren Bedrängnissen des Dreißigjährigen Kriegs, während dem alle diese
Gegensätze unter und gegen einander wüteten, schien die Mark wieder eingehn
zu sollen, aber dank der Stetigkeit des Staats- und Wirtschaftsgedankens,
die im Geschlecht der Hohenzollern so wunderbar lebendig ist, kam es anders.
Der Große Kurfürst brach die Rechte und Freiheiten der Stände im Interesse
des einen alles Gegensätzliche in sich verschlingenden Staates. Das war eine
harte Notwendigkeit, aber unter der Beamten- lind Soldatenhcrrschaft, die er
auf den Trümmern des niedergeworfn"! Lebens aufrichtete, schoß ein Blühen
und Gedeihen bürgerlicher Wohlfahrt in die Saat, das nach den Schrecken
des erlebten Kriegs mehr Staunen erregte, als was sonst in Deutschland die
Lebenskraft seines Volkes bewies.

Oft scheint die starke Lebensrichtung in einem Geschlechte für eine Zeit bloß
schlafen zu geh" und sich nach einem frischen Erwachen desto stärker wieder auf-
zurichten. Friedrich Wilhelm I., der sogenannte Soldatenkönig, trügt diesen
Namen uicht von der ersten oder der hervorragendsten Neigung, durch die sein
Charakter bestimmt wird, sondern von der Begleiterscheinung, die, wie stark
sie auch sein mochte, doch für jene nnr den Halt und die Stütze hergab. Vor
allein war dieser Monarch, der seine souverAnet^ auf einen rovlmr as broneo
gründete, der volkslvirtschaftliche und volksfürsorgliche Herrscher; und wenn er
eine glänzende Rüstung trug, die schwerer war als die jedes andern seiner


Holland und Donljchwnd

einen gotischen Dom, ohne einen Blick in sein Inneres gethan zu haben,
wegen der von außen angelehnten Stützen einen Pfcilerbnn nennen wollten.

Das Donnern der Kanonen und das Krachen zusammenstürzender Burg¬
mauern hallt weiter durch die Räume der Geschichte, als der friedliche Geist
und der stille Gang der Verhandlungen, dnrch die die politische und wirtschaft¬
liche Einigung herbeigeführt wird, und doch sind sie das wesentliche im Gang
der Ereignisse. Überall, wohin im Fortschreiten des brandenburgischen Staats
bis zu seiner Krönung in der dentschen Einheit unser Blick fällt, ist es so,
und niemals, wie wütend auch das Toben der Schlachten all unser Ohr schallt,
ist es der Geist der Eroberung, der sie veranlaßt, solidem die Notwendigkeit
der bessern Ordnung, die Einlaß begehrt. Wie der erste Kurfürst so traf auch
Joachim der Erste seinen frondierendcn Adel, der die Regelung von Handel
und Wandel auf den Heerstraßen in die eigne stahlbewehrte Rechte nehmen
wollte, mit scharfem Schwert und legte ihm das Handwerk so energisch, daß
die Ritter und Herren zu offner Empörung zu schreiten gedachten. Aber die
Anstalten, die er traf, der drohenden Bewegung erfolgreich zu begegnen,
waren nicht bloß Maßregeln zum Schlitze seiner Person und seiner Dhnastie,
sondern damit zugleich dienten sie zur Aufrechterhaltung der Ordnung, in deren
Namen seine Vorfahre» ins Land gekommen waren.

Bei der in damaliger Zeit geltenden Ständegliederung eine geordnete
Staatswirtschaft nnr anzubahnen, war ein schweres Stück Arbeit, aber doppelt
schwer wurde es, sie unter einem Kampf von Gegensätzen aufrecht zu erhalten,
wie sie am Ende des Mittelalters die Welt auseinander rissen. Unter den
schweren Bedrängnissen des Dreißigjährigen Kriegs, während dem alle diese
Gegensätze unter und gegen einander wüteten, schien die Mark wieder eingehn
zu sollen, aber dank der Stetigkeit des Staats- und Wirtschaftsgedankens,
die im Geschlecht der Hohenzollern so wunderbar lebendig ist, kam es anders.
Der Große Kurfürst brach die Rechte und Freiheiten der Stände im Interesse
des einen alles Gegensätzliche in sich verschlingenden Staates. Das war eine
harte Notwendigkeit, aber unter der Beamten- lind Soldatenhcrrschaft, die er
auf den Trümmern des niedergeworfn«! Lebens aufrichtete, schoß ein Blühen
und Gedeihen bürgerlicher Wohlfahrt in die Saat, das nach den Schrecken
des erlebten Kriegs mehr Staunen erregte, als was sonst in Deutschland die
Lebenskraft seines Volkes bewies.

Oft scheint die starke Lebensrichtung in einem Geschlechte für eine Zeit bloß
schlafen zu geh» und sich nach einem frischen Erwachen desto stärker wieder auf-
zurichten. Friedrich Wilhelm I., der sogenannte Soldatenkönig, trügt diesen
Namen uicht von der ersten oder der hervorragendsten Neigung, durch die sein
Charakter bestimmt wird, sondern von der Begleiterscheinung, die, wie stark
sie auch sein mochte, doch für jene nnr den Halt und die Stütze hergab. Vor
allein war dieser Monarch, der seine souverAnet^ auf einen rovlmr as broneo
gründete, der volkslvirtschaftliche und volksfürsorgliche Herrscher; und wenn er
eine glänzende Rüstung trug, die schwerer war als die jedes andern seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/210>, abgerufen am 06.06.2024.