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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Nettkolonisation Südamerikas

stürzung, und da der andre wenig Umstände zu machen anfing, sah er sich nach
Hilfe um. Da kamen die fünf Männer van ehedem wieder, und ihr Führer
sagte zu ihm: Gieb uns mir den gebührenden Lohn für unsre Mühe, so wollen
wir dir helfen den Schatz heben, und dann laßt uns alle in redlichem Wetteifer
arbeiten, daß der Segen des Schatzes nicht nur uns, sondern anch den Nach¬
barn ringsum zugute komme. Obgleich der arme Reiche noch immer den
Schatz mir liebsten allein behalten hätte, besann er sich doch schließlich eines
bessern, nahm die angebotne Hilfe an, und als er den Fremden zusah, wie
sie es sich sauer werden ließen, dabei aber die Arbeit mich ordentlich steckte,
da legte er selbst schließlich mit Hand an und trug sein Teil dazu bei, daß
der Schatz am Ende glücklich gehoben wurde."

Aber kehren wir zur nüchternen Wirklichkeit zurück. Mau klagt so viel
über den Mangel des Deutschen an nationalem Selbstgefühl. Aber gerade
diese unsre Schwäche soll hier unsre Stärke werden, gegenüber einer Rasse, in
der der Deutsche erfahrungsgemäß nicht untergeht, der er aber entschieden
sympathischer ist als der Angelsachse, und mit deren Sprache und Sitten er
sich leichter befreundet. Ebenso ist uicht gesagt, daß wir nicht die Sünden
der ehemaligen Kleinstaaterei und nationalen Ohnmacht, denen zufolge so viele
Deutsche über das Meer in fremdstaatlichc Länder zogen, nachträglich noch mög¬
lichst gut machen sollen, und zwar dnrch eine großartige Wandrungspolitik,
dnrch die das Deutschtum außerhalb des Reichs für den überseeischen Kampf
gegen den Imperialismus herangezogen würde. Jahr für Jahr fließt die
überschüssige Volkskraft ans den deutschen Siedlungen in Ungarn, Südruß-
land, den Balkanstaaten als erwünschter Völkerdünger meist nach Nordamerika
ab in nichtdeutsche Staaten, wo sie ihr Volkstum früher oder später verlieren.
So gut ferner Engländer oder Nordamerikaner mit finnländischen, magyarischen
oder slawischen Answnndrern kolonisieren könne", wäre dies auch deutschem
Kapital nud Unternehmungsgeist möglich. Diesen Nassen gegenüber kann mich
der Deutsche von heute schon als Herr auftreten. In Südamerika selbst liegen
übrigens schon geschlossene deutsche Siedlungen in Gebieten, wo sie unmöglich
auf die Dauer gedeihen können, und von wo sie nach andern Ländern ver¬
pflanzt werden könnten. Ebenso hat die zivilisatorische Arbeit unter den
dortigen, bekanntlich der Kultur im Vergleich mit ihren nordamerikanischen
Vettern zugänglichern Indianern noch eine große Zukunft. Auch mancher
junge Farmer oder Handwerker deutscher Abstammung in der Union würde
sich Wohl gern in den Dienst einer die Politik der offnen Thür vertretenden
kolonisatorischen Bewegung stellen.

Wenn wir sodann in Deutschland selbst dafür sorgen müssen, daß kein
fühlbarer Verlust von Handarbeitern durch Abwandrnng nach überseeischen
Ländern entsteht, so thut andrerseits dringend not die Begünstigung der Aus¬
wanderung für die nicht hnndarbcitenden Klassen, die Schaffung von Möglich¬
keiten eines bessern Fortkommens der diesen entstammenden Söhne und Töchter
w Ausland, ohne sie fremden Nationen in die Arme zu treiben. Oder mit
andern Worten: wie in England immer die obern Schichten vor allem toto-


Die Nettkolonisation Südamerikas

stürzung, und da der andre wenig Umstände zu machen anfing, sah er sich nach
Hilfe um. Da kamen die fünf Männer van ehedem wieder, und ihr Führer
sagte zu ihm: Gieb uns mir den gebührenden Lohn für unsre Mühe, so wollen
wir dir helfen den Schatz heben, und dann laßt uns alle in redlichem Wetteifer
arbeiten, daß der Segen des Schatzes nicht nur uns, sondern anch den Nach¬
barn ringsum zugute komme. Obgleich der arme Reiche noch immer den
Schatz mir liebsten allein behalten hätte, besann er sich doch schließlich eines
bessern, nahm die angebotne Hilfe an, und als er den Fremden zusah, wie
sie es sich sauer werden ließen, dabei aber die Arbeit mich ordentlich steckte,
da legte er selbst schließlich mit Hand an und trug sein Teil dazu bei, daß
der Schatz am Ende glücklich gehoben wurde."

Aber kehren wir zur nüchternen Wirklichkeit zurück. Mau klagt so viel
über den Mangel des Deutschen an nationalem Selbstgefühl. Aber gerade
diese unsre Schwäche soll hier unsre Stärke werden, gegenüber einer Rasse, in
der der Deutsche erfahrungsgemäß nicht untergeht, der er aber entschieden
sympathischer ist als der Angelsachse, und mit deren Sprache und Sitten er
sich leichter befreundet. Ebenso ist uicht gesagt, daß wir nicht die Sünden
der ehemaligen Kleinstaaterei und nationalen Ohnmacht, denen zufolge so viele
Deutsche über das Meer in fremdstaatlichc Länder zogen, nachträglich noch mög¬
lichst gut machen sollen, und zwar dnrch eine großartige Wandrungspolitik,
dnrch die das Deutschtum außerhalb des Reichs für den überseeischen Kampf
gegen den Imperialismus herangezogen würde. Jahr für Jahr fließt die
überschüssige Volkskraft ans den deutschen Siedlungen in Ungarn, Südruß-
land, den Balkanstaaten als erwünschter Völkerdünger meist nach Nordamerika
ab in nichtdeutsche Staaten, wo sie ihr Volkstum früher oder später verlieren.
So gut ferner Engländer oder Nordamerikaner mit finnländischen, magyarischen
oder slawischen Answnndrern kolonisieren könne», wäre dies auch deutschem
Kapital nud Unternehmungsgeist möglich. Diesen Nassen gegenüber kann mich
der Deutsche von heute schon als Herr auftreten. In Südamerika selbst liegen
übrigens schon geschlossene deutsche Siedlungen in Gebieten, wo sie unmöglich
auf die Dauer gedeihen können, und von wo sie nach andern Ländern ver¬
pflanzt werden könnten. Ebenso hat die zivilisatorische Arbeit unter den
dortigen, bekanntlich der Kultur im Vergleich mit ihren nordamerikanischen
Vettern zugänglichern Indianern noch eine große Zukunft. Auch mancher
junge Farmer oder Handwerker deutscher Abstammung in der Union würde
sich Wohl gern in den Dienst einer die Politik der offnen Thür vertretenden
kolonisatorischen Bewegung stellen.

Wenn wir sodann in Deutschland selbst dafür sorgen müssen, daß kein
fühlbarer Verlust von Handarbeitern durch Abwandrnng nach überseeischen
Ländern entsteht, so thut andrerseits dringend not die Begünstigung der Aus¬
wanderung für die nicht hnndarbcitenden Klassen, die Schaffung von Möglich¬
keiten eines bessern Fortkommens der diesen entstammenden Söhne und Töchter
w Ausland, ohne sie fremden Nationen in die Arme zu treiben. Oder mit
andern Worten: wie in England immer die obern Schichten vor allem toto-


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[0227] Die Nettkolonisation Südamerikas stürzung, und da der andre wenig Umstände zu machen anfing, sah er sich nach Hilfe um. Da kamen die fünf Männer van ehedem wieder, und ihr Führer sagte zu ihm: Gieb uns mir den gebührenden Lohn für unsre Mühe, so wollen wir dir helfen den Schatz heben, und dann laßt uns alle in redlichem Wetteifer arbeiten, daß der Segen des Schatzes nicht nur uns, sondern anch den Nach¬ barn ringsum zugute komme. Obgleich der arme Reiche noch immer den Schatz mir liebsten allein behalten hätte, besann er sich doch schließlich eines bessern, nahm die angebotne Hilfe an, und als er den Fremden zusah, wie sie es sich sauer werden ließen, dabei aber die Arbeit mich ordentlich steckte, da legte er selbst schließlich mit Hand an und trug sein Teil dazu bei, daß der Schatz am Ende glücklich gehoben wurde." Aber kehren wir zur nüchternen Wirklichkeit zurück. Mau klagt so viel über den Mangel des Deutschen an nationalem Selbstgefühl. Aber gerade diese unsre Schwäche soll hier unsre Stärke werden, gegenüber einer Rasse, in der der Deutsche erfahrungsgemäß nicht untergeht, der er aber entschieden sympathischer ist als der Angelsachse, und mit deren Sprache und Sitten er sich leichter befreundet. Ebenso ist uicht gesagt, daß wir nicht die Sünden der ehemaligen Kleinstaaterei und nationalen Ohnmacht, denen zufolge so viele Deutsche über das Meer in fremdstaatlichc Länder zogen, nachträglich noch mög¬ lichst gut machen sollen, und zwar dnrch eine großartige Wandrungspolitik, dnrch die das Deutschtum außerhalb des Reichs für den überseeischen Kampf gegen den Imperialismus herangezogen würde. Jahr für Jahr fließt die überschüssige Volkskraft ans den deutschen Siedlungen in Ungarn, Südruß- land, den Balkanstaaten als erwünschter Völkerdünger meist nach Nordamerika ab in nichtdeutsche Staaten, wo sie ihr Volkstum früher oder später verlieren. So gut ferner Engländer oder Nordamerikaner mit finnländischen, magyarischen oder slawischen Answnndrern kolonisieren könne», wäre dies auch deutschem Kapital nud Unternehmungsgeist möglich. Diesen Nassen gegenüber kann mich der Deutsche von heute schon als Herr auftreten. In Südamerika selbst liegen übrigens schon geschlossene deutsche Siedlungen in Gebieten, wo sie unmöglich auf die Dauer gedeihen können, und von wo sie nach andern Ländern ver¬ pflanzt werden könnten. Ebenso hat die zivilisatorische Arbeit unter den dortigen, bekanntlich der Kultur im Vergleich mit ihren nordamerikanischen Vettern zugänglichern Indianern noch eine große Zukunft. Auch mancher junge Farmer oder Handwerker deutscher Abstammung in der Union würde sich Wohl gern in den Dienst einer die Politik der offnen Thür vertretenden kolonisatorischen Bewegung stellen. Wenn wir sodann in Deutschland selbst dafür sorgen müssen, daß kein fühlbarer Verlust von Handarbeitern durch Abwandrnng nach überseeischen Ländern entsteht, so thut andrerseits dringend not die Begünstigung der Aus¬ wanderung für die nicht hnndarbcitenden Klassen, die Schaffung von Möglich¬ keiten eines bessern Fortkommens der diesen entstammenden Söhne und Töchter w Ausland, ohne sie fremden Nationen in die Arme zu treiben. Oder mit andern Worten: wie in England immer die obern Schichten vor allem toto-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/227>, abgerufen am 23.05.2024.