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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschland

die betont werden muß, daß der deutsche Handel, von der Konkurrenz getrieben,
die Reichsregierung dahin gebracht hat, durch eigne Kabellegung in den Wett¬
bewerb mit England einzutreten. Vor ungefähr Jahresfrist ist Deutschland
durch einen nur ihm gehörenden Telegraphen mit Amerika in Verbindung ge¬
bracht worden, und so werden seine Beziehungen wenigstens mit dieser Hälfte
der Erde von der englischen Vorherrschaft befreit sein. Zu welchem Vorteil
des deutschen Handels, auch darüber soll hier nicht gesprochen werden, aber
um so größern Nachdruck muß die Bemerkung erhalten, daß eben so gewiß,
wie der Handel zu seiner Förderung auf dem Felde des Friedens die Ent¬
wicklung vorwärts gestoßen hat, er auch zu seinem Schutze für deu Fall des
Krieges die Flottenbewcgung nicht ins Stocken geraten lassen wird.

Das biologische Gesetz waltet über uns, und wie wir von ihm gezwungen
werden, "die Wurzeln, die uns den Lebenssaft zuführen, so weit und so tief
zu senken, wie nur irgend das Land und das Wasser uns gestatten," so wird
es uns mit derselben Unwiderstehlichkeit zu der Vermehrung des notwendigen
Schutzes treiben, die im Verhältnis zur Weite unsers Lebens steht. Eine
geistige Bewegung, die einer innern Notwendigkeit folgt, nimmt, wenn sie ein¬
mal einen gewissen Grad überschritten hat, an äußerer Kraft und äußerm Um¬
fang genau in dem Maße zu, als die Erkenntnis der innern Berechtigung
wächst. Nicht bloß Menschen wachsen mit ihren höhern Zielen. Kaum'sind
es drei Jahre her, und schon liegt die Zeit, wo die Phrase von den uferlosen
Plänen die Gemüter schreckte, wie ein böser Traum hinter uns. Viele, viele
Leute, denen eine Flotte ersten Ranges heute etwas selbstverständliches ist,
waren noch vor vier Jahren eifrig für flottes Abstreichen von den Marine¬
vorlagen der Regierung. Aber sie möchten nicht gern an die Zeit erinnert
werden, und so wollen wir uns nur darüber freuen, daß ihre innere Umwand¬
lung die Stoßkraft der Bewegung so unermeßlich verstärkt hat.

Die Bewegung wird nicht eher stille stehn, als bis sie ihr Ziel erreicht
hat, das heißt, bis eine deutsche Flotte auf dem Meere schwimmt, die auch der
englischen gegenüber die volle Aktionsfreiheit hat. So stark auf dein Wasser
wie auf dem Lande, dann mag sich die Welt in Freundschaft oder in Feind¬
schaft mit uns abfinden. Der Starke wird vielleicht die Feindschaft, vielleicht
auch das Gegenteil wählen. Aber Holland thut gut, nur in Freundschaft zu
uns zu stehn, nicht unsertwegen, sondern um seiner selbst willen.

Denn Aörirmnig. tar-i as. Sö, wie es einst so stolz die Italiener von der
ltÄig, sagten, aber das in Wirklichkeit und ohne Schaumschlagen. Soll das heißen,
daß wir es ohne Bundesgenossen machen werden? Nein, die starken Bundes¬
genossen werden sich bei uns einfinden, und das wird eine weitere Bestätigung
des Satzes sein, weil die Kraft die Stärke aus sich selber anzieht. Aber der
schwachen können wir entraten, das mögen sich die Holländer gesagt sein lassen.
Wohl aber können wir selbst den schwächsten gebrauchen, wenn er den guten
Willen zeigt. Die kürzlich gebrachte Nachricht, daß die holländische Regierung
mit einer starken Vermehrung ihrer Flotte umgehe, hat ohne weiteres keine


Holland und Deutschland

die betont werden muß, daß der deutsche Handel, von der Konkurrenz getrieben,
die Reichsregierung dahin gebracht hat, durch eigne Kabellegung in den Wett¬
bewerb mit England einzutreten. Vor ungefähr Jahresfrist ist Deutschland
durch einen nur ihm gehörenden Telegraphen mit Amerika in Verbindung ge¬
bracht worden, und so werden seine Beziehungen wenigstens mit dieser Hälfte
der Erde von der englischen Vorherrschaft befreit sein. Zu welchem Vorteil
des deutschen Handels, auch darüber soll hier nicht gesprochen werden, aber
um so größern Nachdruck muß die Bemerkung erhalten, daß eben so gewiß,
wie der Handel zu seiner Förderung auf dem Felde des Friedens die Ent¬
wicklung vorwärts gestoßen hat, er auch zu seinem Schutze für deu Fall des
Krieges die Flottenbewcgung nicht ins Stocken geraten lassen wird.

Das biologische Gesetz waltet über uns, und wie wir von ihm gezwungen
werden, „die Wurzeln, die uns den Lebenssaft zuführen, so weit und so tief
zu senken, wie nur irgend das Land und das Wasser uns gestatten," so wird
es uns mit derselben Unwiderstehlichkeit zu der Vermehrung des notwendigen
Schutzes treiben, die im Verhältnis zur Weite unsers Lebens steht. Eine
geistige Bewegung, die einer innern Notwendigkeit folgt, nimmt, wenn sie ein¬
mal einen gewissen Grad überschritten hat, an äußerer Kraft und äußerm Um¬
fang genau in dem Maße zu, als die Erkenntnis der innern Berechtigung
wächst. Nicht bloß Menschen wachsen mit ihren höhern Zielen. Kaum'sind
es drei Jahre her, und schon liegt die Zeit, wo die Phrase von den uferlosen
Plänen die Gemüter schreckte, wie ein böser Traum hinter uns. Viele, viele
Leute, denen eine Flotte ersten Ranges heute etwas selbstverständliches ist,
waren noch vor vier Jahren eifrig für flottes Abstreichen von den Marine¬
vorlagen der Regierung. Aber sie möchten nicht gern an die Zeit erinnert
werden, und so wollen wir uns nur darüber freuen, daß ihre innere Umwand¬
lung die Stoßkraft der Bewegung so unermeßlich verstärkt hat.

Die Bewegung wird nicht eher stille stehn, als bis sie ihr Ziel erreicht
hat, das heißt, bis eine deutsche Flotte auf dem Meere schwimmt, die auch der
englischen gegenüber die volle Aktionsfreiheit hat. So stark auf dein Wasser
wie auf dem Lande, dann mag sich die Welt in Freundschaft oder in Feind¬
schaft mit uns abfinden. Der Starke wird vielleicht die Feindschaft, vielleicht
auch das Gegenteil wählen. Aber Holland thut gut, nur in Freundschaft zu
uns zu stehn, nicht unsertwegen, sondern um seiner selbst willen.

Denn Aörirmnig. tar-i as. Sö, wie es einst so stolz die Italiener von der
ltÄig, sagten, aber das in Wirklichkeit und ohne Schaumschlagen. Soll das heißen,
daß wir es ohne Bundesgenossen machen werden? Nein, die starken Bundes¬
genossen werden sich bei uns einfinden, und das wird eine weitere Bestätigung
des Satzes sein, weil die Kraft die Stärke aus sich selber anzieht. Aber der
schwachen können wir entraten, das mögen sich die Holländer gesagt sein lassen.
Wohl aber können wir selbst den schwächsten gebrauchen, wenn er den guten
Willen zeigt. Die kürzlich gebrachte Nachricht, daß die holländische Regierung
mit einer starken Vermehrung ihrer Flotte umgehe, hat ohne weiteres keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/279>, abgerufen am 30.05.2024.