Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Viktor Lmanucl III.

zum Quirinal zurückbringen ließ. Bei allen offiziellen Gelegenheiten und
amtlich angesagten Auffahrten begleitet dagegen eine Anzahl Leibgardisten den
Wagen des Königs. Ihre Zahl ist sogar nenerdings von vierzig auf hundert
gebracht worden, damit Attentaten möglichst vorgebeugt wird. Auch folgen dem
Könige bei solchen Gelegenheiten immer einige Geheimpolizisten in unauffälligen
Zweispännern. Der König hat sich im Interesse des Staatswvhls zu diesen
ihm durchaus widerstrebenden Maßnahmen bequemen müssen. Persönliche Furcht
kennt er nicht. Davon, wie von bemerkenswerter Geistesgegenwart, hat er
mehrfach Proben abgelegt. So z. B. als er auf dem Fort Tiburtino bei der
Sprengung von Dyuamitbüchsen verletzt wurde; seiue Umgebung erkannte das
erst, als nach seinem Weggehn dort, wo er gestanden hatte, Blutspuren sichtbar
wurden. Er hatte kein Wort davon gesagt und ließ sich erst im Quirinal
untersuchen. Ferner sei daran erinnert, wie fast er allein bei der Panik, die
bei der Beisetzung seines hohen Vaters in Rom an einer Stelle entstand -- es
war ein Gerüst zusammengebrochen, und mau vermutete einen neuen anarchistischen
Anschlag --, die Ruhe behielt und dadurch schlimmeren Unheil vorbeugte, und
wie er bei dein schweren Eisenbahnunglück in Rom gleich nach dem Leichen¬
begängnis, da das Bespannen eines Hofwagens Zeitverlust nach sich gezogen
hätte, mit der Königin zu Fuße den Quirinal verließ, in die erste beste Droschke
stieg und so nach dem Uufallsorte eilte.

Noch ein Wort über die Liebhabereien des jungen Königs. Allen voran
steht das Münzensainmcln. Ganz aus sich heraus hat der Knabe damit be¬
gonnen: ein Soldo Pius des Neunten, der zufällig in seine Hände fiel, gab
den ersten Anstoß. Durch bald schon planmäßiges Sammeln wurden bis 1900
nicht weniger als 22000 zum Teil recht seltne Münzen zusammengebracht, und
aus dem sammelnden Knaben wurde der erste Münzenkenner Italiens, unter
dessen Auspizien ein gewaltiges Werk zur Münzenkunde: das oorxus aummoruin
it^lloorcmr, begonnen wurde.

Für Dichtung und Musik soll Viktor Emanuel keine besondre Neigung
haben. In der Dichtung zieht der viel Lesende das Ernste, Gedankenvolle vor,
sodaß Dante sein Lieblingsdichter werden mußte. Im Klavierspiel hat er es
so weit gebracht, daß er nicht zu schwere Stücke von Schumann und Schubert
vom Blatte zu spielen verstand.^) Stärker machte sich sein Talent für das
Malen geltend; seinen Lehrern und Freunden schenkte er gelegentlich selbst cnt-
worfne und trefflich ausgeführte Landschaftsbilder. Gleich seinen Ahnen ist er auch
ein leidenschaftlicher Jäger, und jetzt im August wird er mitsamt der gleichfalls
jagdfrohen Königin im Aostathal dem 8t-unvo<zon> (Steinbock) nachstellen.

Rührend war das Verhältnis des Prinzen zu seinen Eltern: dem Vater
begegnete er jederzeit mit der größten Ehrfurcht, aber die Mutter war sein alles.
Das Tagebuch, das er vom Knabenalter an bis zur Verheiratung gewissenhaft



Der Vater und der Großvater waren gänzlich unmusikalisch. Der Großvater sagte
einmal beim Kanonendonner der Schlacht! Kop" in, mu"i<Ä t-Jip lo vvinpi'Wäo.
Viktor Lmanucl III.

zum Quirinal zurückbringen ließ. Bei allen offiziellen Gelegenheiten und
amtlich angesagten Auffahrten begleitet dagegen eine Anzahl Leibgardisten den
Wagen des Königs. Ihre Zahl ist sogar nenerdings von vierzig auf hundert
gebracht worden, damit Attentaten möglichst vorgebeugt wird. Auch folgen dem
Könige bei solchen Gelegenheiten immer einige Geheimpolizisten in unauffälligen
Zweispännern. Der König hat sich im Interesse des Staatswvhls zu diesen
ihm durchaus widerstrebenden Maßnahmen bequemen müssen. Persönliche Furcht
kennt er nicht. Davon, wie von bemerkenswerter Geistesgegenwart, hat er
mehrfach Proben abgelegt. So z. B. als er auf dem Fort Tiburtino bei der
Sprengung von Dyuamitbüchsen verletzt wurde; seiue Umgebung erkannte das
erst, als nach seinem Weggehn dort, wo er gestanden hatte, Blutspuren sichtbar
wurden. Er hatte kein Wort davon gesagt und ließ sich erst im Quirinal
untersuchen. Ferner sei daran erinnert, wie fast er allein bei der Panik, die
bei der Beisetzung seines hohen Vaters in Rom an einer Stelle entstand — es
war ein Gerüst zusammengebrochen, und mau vermutete einen neuen anarchistischen
Anschlag —, die Ruhe behielt und dadurch schlimmeren Unheil vorbeugte, und
wie er bei dein schweren Eisenbahnunglück in Rom gleich nach dem Leichen¬
begängnis, da das Bespannen eines Hofwagens Zeitverlust nach sich gezogen
hätte, mit der Königin zu Fuße den Quirinal verließ, in die erste beste Droschke
stieg und so nach dem Uufallsorte eilte.

Noch ein Wort über die Liebhabereien des jungen Königs. Allen voran
steht das Münzensainmcln. Ganz aus sich heraus hat der Knabe damit be¬
gonnen: ein Soldo Pius des Neunten, der zufällig in seine Hände fiel, gab
den ersten Anstoß. Durch bald schon planmäßiges Sammeln wurden bis 1900
nicht weniger als 22000 zum Teil recht seltne Münzen zusammengebracht, und
aus dem sammelnden Knaben wurde der erste Münzenkenner Italiens, unter
dessen Auspizien ein gewaltiges Werk zur Münzenkunde: das oorxus aummoruin
it^lloorcmr, begonnen wurde.

Für Dichtung und Musik soll Viktor Emanuel keine besondre Neigung
haben. In der Dichtung zieht der viel Lesende das Ernste, Gedankenvolle vor,
sodaß Dante sein Lieblingsdichter werden mußte. Im Klavierspiel hat er es
so weit gebracht, daß er nicht zu schwere Stücke von Schumann und Schubert
vom Blatte zu spielen verstand.^) Stärker machte sich sein Talent für das
Malen geltend; seinen Lehrern und Freunden schenkte er gelegentlich selbst cnt-
worfne und trefflich ausgeführte Landschaftsbilder. Gleich seinen Ahnen ist er auch
ein leidenschaftlicher Jäger, und jetzt im August wird er mitsamt der gleichfalls
jagdfrohen Königin im Aostathal dem 8t-unvo<zon> (Steinbock) nachstellen.

Rührend war das Verhältnis des Prinzen zu seinen Eltern: dem Vater
begegnete er jederzeit mit der größten Ehrfurcht, aber die Mutter war sein alles.
Das Tagebuch, das er vom Knabenalter an bis zur Verheiratung gewissenhaft



Der Vater und der Großvater waren gänzlich unmusikalisch. Der Großvater sagte
einmal beim Kanonendonner der Schlacht! Kop» in, mu»i<Ä t-Jip lo vvinpi'Wäo.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235512"/>
          <fw type="header" place="top"> Viktor Lmanucl III.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1567" prev="#ID_1566"> zum Quirinal zurückbringen ließ. Bei allen offiziellen Gelegenheiten und<lb/>
amtlich angesagten Auffahrten begleitet dagegen eine Anzahl Leibgardisten den<lb/>
Wagen des Königs. Ihre Zahl ist sogar nenerdings von vierzig auf hundert<lb/>
gebracht worden, damit Attentaten möglichst vorgebeugt wird. Auch folgen dem<lb/>
Könige bei solchen Gelegenheiten immer einige Geheimpolizisten in unauffälligen<lb/>
Zweispännern. Der König hat sich im Interesse des Staatswvhls zu diesen<lb/>
ihm durchaus widerstrebenden Maßnahmen bequemen müssen. Persönliche Furcht<lb/>
kennt er nicht. Davon, wie von bemerkenswerter Geistesgegenwart, hat er<lb/>
mehrfach Proben abgelegt. So z. B. als er auf dem Fort Tiburtino bei der<lb/>
Sprengung von Dyuamitbüchsen verletzt wurde; seiue Umgebung erkannte das<lb/>
erst, als nach seinem Weggehn dort, wo er gestanden hatte, Blutspuren sichtbar<lb/>
wurden. Er hatte kein Wort davon gesagt und ließ sich erst im Quirinal<lb/>
untersuchen. Ferner sei daran erinnert, wie fast er allein bei der Panik, die<lb/>
bei der Beisetzung seines hohen Vaters in Rom an einer Stelle entstand &#x2014; es<lb/>
war ein Gerüst zusammengebrochen, und mau vermutete einen neuen anarchistischen<lb/>
Anschlag &#x2014;, die Ruhe behielt und dadurch schlimmeren Unheil vorbeugte, und<lb/>
wie er bei dein schweren Eisenbahnunglück in Rom gleich nach dem Leichen¬<lb/>
begängnis, da das Bespannen eines Hofwagens Zeitverlust nach sich gezogen<lb/>
hätte, mit der Königin zu Fuße den Quirinal verließ, in die erste beste Droschke<lb/>
stieg und so nach dem Uufallsorte eilte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1568"> Noch ein Wort über die Liebhabereien des jungen Königs. Allen voran<lb/>
steht das Münzensainmcln. Ganz aus sich heraus hat der Knabe damit be¬<lb/>
gonnen: ein Soldo Pius des Neunten, der zufällig in seine Hände fiel, gab<lb/>
den ersten Anstoß. Durch bald schon planmäßiges Sammeln wurden bis 1900<lb/>
nicht weniger als 22000 zum Teil recht seltne Münzen zusammengebracht, und<lb/>
aus dem sammelnden Knaben wurde der erste Münzenkenner Italiens, unter<lb/>
dessen Auspizien ein gewaltiges Werk zur Münzenkunde: das oorxus aummoruin<lb/>
it^lloorcmr, begonnen wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1569"> Für Dichtung und Musik soll Viktor Emanuel keine besondre Neigung<lb/>
haben. In der Dichtung zieht der viel Lesende das Ernste, Gedankenvolle vor,<lb/>
sodaß Dante sein Lieblingsdichter werden mußte. Im Klavierspiel hat er es<lb/>
so weit gebracht, daß er nicht zu schwere Stücke von Schumann und Schubert<lb/>
vom Blatte zu spielen verstand.^) Stärker machte sich sein Talent für das<lb/>
Malen geltend; seinen Lehrern und Freunden schenkte er gelegentlich selbst cnt-<lb/>
worfne und trefflich ausgeführte Landschaftsbilder. Gleich seinen Ahnen ist er auch<lb/>
ein leidenschaftlicher Jäger, und jetzt im August wird er mitsamt der gleichfalls<lb/>
jagdfrohen Königin im Aostathal dem 8t-unvo&lt;zon&gt; (Steinbock) nachstellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1570" next="#ID_1571"> Rührend war das Verhältnis des Prinzen zu seinen Eltern: dem Vater<lb/>
begegnete er jederzeit mit der größten Ehrfurcht, aber die Mutter war sein alles.<lb/>
Das Tagebuch, das er vom Knabenalter an bis zur Verheiratung gewissenhaft</p><lb/>
          <note xml:id="FID_15" place="foot"> Der Vater und der Großvater waren gänzlich unmusikalisch. Der Großvater sagte<lb/>
einmal beim Kanonendonner der Schlacht! Kop» in, mu»i&lt;Ä t-Jip lo vvinpi'Wäo.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0340] Viktor Lmanucl III. zum Quirinal zurückbringen ließ. Bei allen offiziellen Gelegenheiten und amtlich angesagten Auffahrten begleitet dagegen eine Anzahl Leibgardisten den Wagen des Königs. Ihre Zahl ist sogar nenerdings von vierzig auf hundert gebracht worden, damit Attentaten möglichst vorgebeugt wird. Auch folgen dem Könige bei solchen Gelegenheiten immer einige Geheimpolizisten in unauffälligen Zweispännern. Der König hat sich im Interesse des Staatswvhls zu diesen ihm durchaus widerstrebenden Maßnahmen bequemen müssen. Persönliche Furcht kennt er nicht. Davon, wie von bemerkenswerter Geistesgegenwart, hat er mehrfach Proben abgelegt. So z. B. als er auf dem Fort Tiburtino bei der Sprengung von Dyuamitbüchsen verletzt wurde; seiue Umgebung erkannte das erst, als nach seinem Weggehn dort, wo er gestanden hatte, Blutspuren sichtbar wurden. Er hatte kein Wort davon gesagt und ließ sich erst im Quirinal untersuchen. Ferner sei daran erinnert, wie fast er allein bei der Panik, die bei der Beisetzung seines hohen Vaters in Rom an einer Stelle entstand — es war ein Gerüst zusammengebrochen, und mau vermutete einen neuen anarchistischen Anschlag —, die Ruhe behielt und dadurch schlimmeren Unheil vorbeugte, und wie er bei dein schweren Eisenbahnunglück in Rom gleich nach dem Leichen¬ begängnis, da das Bespannen eines Hofwagens Zeitverlust nach sich gezogen hätte, mit der Königin zu Fuße den Quirinal verließ, in die erste beste Droschke stieg und so nach dem Uufallsorte eilte. Noch ein Wort über die Liebhabereien des jungen Königs. Allen voran steht das Münzensainmcln. Ganz aus sich heraus hat der Knabe damit be¬ gonnen: ein Soldo Pius des Neunten, der zufällig in seine Hände fiel, gab den ersten Anstoß. Durch bald schon planmäßiges Sammeln wurden bis 1900 nicht weniger als 22000 zum Teil recht seltne Münzen zusammengebracht, und aus dem sammelnden Knaben wurde der erste Münzenkenner Italiens, unter dessen Auspizien ein gewaltiges Werk zur Münzenkunde: das oorxus aummoruin it^lloorcmr, begonnen wurde. Für Dichtung und Musik soll Viktor Emanuel keine besondre Neigung haben. In der Dichtung zieht der viel Lesende das Ernste, Gedankenvolle vor, sodaß Dante sein Lieblingsdichter werden mußte. Im Klavierspiel hat er es so weit gebracht, daß er nicht zu schwere Stücke von Schumann und Schubert vom Blatte zu spielen verstand.^) Stärker machte sich sein Talent für das Malen geltend; seinen Lehrern und Freunden schenkte er gelegentlich selbst cnt- worfne und trefflich ausgeführte Landschaftsbilder. Gleich seinen Ahnen ist er auch ein leidenschaftlicher Jäger, und jetzt im August wird er mitsamt der gleichfalls jagdfrohen Königin im Aostathal dem 8t-unvo<zon> (Steinbock) nachstellen. Rührend war das Verhältnis des Prinzen zu seinen Eltern: dem Vater begegnete er jederzeit mit der größten Ehrfurcht, aber die Mutter war sein alles. Das Tagebuch, das er vom Knabenalter an bis zur Verheiratung gewissenhaft Der Vater und der Großvater waren gänzlich unmusikalisch. Der Großvater sagte einmal beim Kanonendonner der Schlacht! Kop» in, mu»i<Ä t-Jip lo vvinpi'Wäo.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/340
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/340>, abgerufen am 23.05.2024.