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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hypothckarkredit

Sparkasse sämtliche Hypotheken im Betrage von fast einer halben Million ans
einmal gekündigt, weil die städtische Sparkasse ihrer Stadt Gelder zum Ball
einer Kleinbahn oder einer Zuckerfabrik vorzuschießen hatte. Jetzt wo der
Zinsfuß gestiegen ist, zeigt sich für den Grundbesitzer, der eine Sparkassen-
Hypothek schuldet, ganz empfindlich der Nachteil, daß diese nur so gut wie un¬
kündbar ist. Sie wird ihm nämlich jetzt ohne weiteres gekündigt, wenn er sich
nicht bereit erklärt, fortan einen höhern Zinsfuß zu zahlen. In der That
kann eine Gemeinde nicht dauernd den Hypothekenschnldnern auf Kosten der
übrigen Steuerzahler Vorteile zuwenden. Wenn der Zinsfuß dauernd steigt,
so wird sie sich früher oder später zur Kündigung der Sparkassenhypotheken
oder zur Erhöhung des Zinsfußes genötigt sehen. Der Grundeigentümer, der
ein Hans gekauft hatte, als die Sparkassenhypothek einen niedrigen Zinsfuß
hatte, hat sich allerdings verrechnet. Aber was haben sich die Gemeinde-
sparkassen um ihre Grundbesitzer zu kümmern! Wir brauchen gar nicht immer
auf einen Krieg zu verweisen, die Sparkassenhypotheken sind auch in Friedens-
zeiten kundbar und werden bei steigendem Zinsfuß dem Hypothekenschuldner
zu dessen Nachteil gekündigt.

Amortisationsbciträge pflegen von Sparkassen in gewissen Fällen sogar
verlangt zu werden, es werden dann die gezahlte" Amortisationsbeitrüge auf
ein Sparkassenbuch gebucht. Wenn man also zugeben muß, daß Sparkassen
Gelder auch auf Amortisationshypothekcn leihen, so sind dies doch keine un¬
kündbaren Amvrtisationshypotheken, sie sind kundbar wie andre Sparkassen-
Hypotheken. Sie haben alle Nachteile der Amortisntionshypvthcken, aber nicht
deren Vorteil, daß der Gläubiger sie nicht kündigen kann. Für solche Amor-
tisationshypotheten bedankt sich der Schuldner besser. Sie tragen mit dazu
bei, die Amortisativnshypotheken noch unbeliebter zu machen, als sie sowieso
schon sind.

So haben wir denn gesehen, daß vom Standpunkt des Hypotheken¬
schuldners aus das Beleihen von Hypotheken dnrch die Sparkassen etwas Uu-
vollkommnes ja Fehlerhaftes ist. Es ist nicht bloß für den Grundbesitzer ge¬
fährlich, sondern es birgt auch für die Gemeinde, ja für den ganzen Staat
eine große Gefahr. Je größer der Umfang ist, den die Sparkassen annehmen,
"in so größer wird die Gefahr für den Staat. Diese gefährliche Einrichtung
stellt in Verbindung mit der noch gefährlichern der Hypothekenbanken den Er¬
folg unsrer Kriegsrüstungen in Frage.

Das Volk wird schließlich in einem Kampf um Sein oder Nichtsein den
Sieg davon tragen, das nicht bloß gute Waffen geschmiedet, sondern seine
Volkswirtschaft so eingerichtet hat, daß es am längsten den Krieg aushalten
kann. Mau kann und darf deshalb den Jmmobiliar- oder Hypothekarkredit
nicht als reine Privatsache betrachten und behandeln, die den Staat gar nichts
angehe. Allerdings darf der Staat weder diesen Kredit noch den der Hypo¬
thekenbanken verstaatlichen, denn das wäre noch gefährlicher; aber er muß ihm


Grenzboten III 190t 4S
Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hypothckarkredit

Sparkasse sämtliche Hypotheken im Betrage von fast einer halben Million ans
einmal gekündigt, weil die städtische Sparkasse ihrer Stadt Gelder zum Ball
einer Kleinbahn oder einer Zuckerfabrik vorzuschießen hatte. Jetzt wo der
Zinsfuß gestiegen ist, zeigt sich für den Grundbesitzer, der eine Sparkassen-
Hypothek schuldet, ganz empfindlich der Nachteil, daß diese nur so gut wie un¬
kündbar ist. Sie wird ihm nämlich jetzt ohne weiteres gekündigt, wenn er sich
nicht bereit erklärt, fortan einen höhern Zinsfuß zu zahlen. In der That
kann eine Gemeinde nicht dauernd den Hypothekenschnldnern auf Kosten der
übrigen Steuerzahler Vorteile zuwenden. Wenn der Zinsfuß dauernd steigt,
so wird sie sich früher oder später zur Kündigung der Sparkassenhypotheken
oder zur Erhöhung des Zinsfußes genötigt sehen. Der Grundeigentümer, der
ein Hans gekauft hatte, als die Sparkassenhypothek einen niedrigen Zinsfuß
hatte, hat sich allerdings verrechnet. Aber was haben sich die Gemeinde-
sparkassen um ihre Grundbesitzer zu kümmern! Wir brauchen gar nicht immer
auf einen Krieg zu verweisen, die Sparkassenhypotheken sind auch in Friedens-
zeiten kundbar und werden bei steigendem Zinsfuß dem Hypothekenschuldner
zu dessen Nachteil gekündigt.

Amortisationsbciträge pflegen von Sparkassen in gewissen Fällen sogar
verlangt zu werden, es werden dann die gezahlte» Amortisationsbeitrüge auf
ein Sparkassenbuch gebucht. Wenn man also zugeben muß, daß Sparkassen
Gelder auch auf Amortisationshypothekcn leihen, so sind dies doch keine un¬
kündbaren Amvrtisationshypotheken, sie sind kundbar wie andre Sparkassen-
Hypotheken. Sie haben alle Nachteile der Amortisntionshypvthcken, aber nicht
deren Vorteil, daß der Gläubiger sie nicht kündigen kann. Für solche Amor-
tisationshypotheten bedankt sich der Schuldner besser. Sie tragen mit dazu
bei, die Amortisativnshypotheken noch unbeliebter zu machen, als sie sowieso
schon sind.

So haben wir denn gesehen, daß vom Standpunkt des Hypotheken¬
schuldners aus das Beleihen von Hypotheken dnrch die Sparkassen etwas Uu-
vollkommnes ja Fehlerhaftes ist. Es ist nicht bloß für den Grundbesitzer ge¬
fährlich, sondern es birgt auch für die Gemeinde, ja für den ganzen Staat
eine große Gefahr. Je größer der Umfang ist, den die Sparkassen annehmen,
»in so größer wird die Gefahr für den Staat. Diese gefährliche Einrichtung
stellt in Verbindung mit der noch gefährlichern der Hypothekenbanken den Er¬
folg unsrer Kriegsrüstungen in Frage.

Das Volk wird schließlich in einem Kampf um Sein oder Nichtsein den
Sieg davon tragen, das nicht bloß gute Waffen geschmiedet, sondern seine
Volkswirtschaft so eingerichtet hat, daß es am längsten den Krieg aushalten
kann. Mau kann und darf deshalb den Jmmobiliar- oder Hypothekarkredit
nicht als reine Privatsache betrachten und behandeln, die den Staat gar nichts
angehe. Allerdings darf der Staat weder diesen Kredit noch den der Hypo¬
thekenbanken verstaatlichen, denn das wäre noch gefährlicher; aber er muß ihm


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[0361] Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hypothckarkredit Sparkasse sämtliche Hypotheken im Betrage von fast einer halben Million ans einmal gekündigt, weil die städtische Sparkasse ihrer Stadt Gelder zum Ball einer Kleinbahn oder einer Zuckerfabrik vorzuschießen hatte. Jetzt wo der Zinsfuß gestiegen ist, zeigt sich für den Grundbesitzer, der eine Sparkassen- Hypothek schuldet, ganz empfindlich der Nachteil, daß diese nur so gut wie un¬ kündbar ist. Sie wird ihm nämlich jetzt ohne weiteres gekündigt, wenn er sich nicht bereit erklärt, fortan einen höhern Zinsfuß zu zahlen. In der That kann eine Gemeinde nicht dauernd den Hypothekenschnldnern auf Kosten der übrigen Steuerzahler Vorteile zuwenden. Wenn der Zinsfuß dauernd steigt, so wird sie sich früher oder später zur Kündigung der Sparkassenhypotheken oder zur Erhöhung des Zinsfußes genötigt sehen. Der Grundeigentümer, der ein Hans gekauft hatte, als die Sparkassenhypothek einen niedrigen Zinsfuß hatte, hat sich allerdings verrechnet. Aber was haben sich die Gemeinde- sparkassen um ihre Grundbesitzer zu kümmern! Wir brauchen gar nicht immer auf einen Krieg zu verweisen, die Sparkassenhypotheken sind auch in Friedens- zeiten kundbar und werden bei steigendem Zinsfuß dem Hypothekenschuldner zu dessen Nachteil gekündigt. Amortisationsbciträge pflegen von Sparkassen in gewissen Fällen sogar verlangt zu werden, es werden dann die gezahlte» Amortisationsbeitrüge auf ein Sparkassenbuch gebucht. Wenn man also zugeben muß, daß Sparkassen Gelder auch auf Amortisationshypothekcn leihen, so sind dies doch keine un¬ kündbaren Amvrtisationshypotheken, sie sind kundbar wie andre Sparkassen- Hypotheken. Sie haben alle Nachteile der Amortisntionshypvthcken, aber nicht deren Vorteil, daß der Gläubiger sie nicht kündigen kann. Für solche Amor- tisationshypotheten bedankt sich der Schuldner besser. Sie tragen mit dazu bei, die Amortisativnshypotheken noch unbeliebter zu machen, als sie sowieso schon sind. So haben wir denn gesehen, daß vom Standpunkt des Hypotheken¬ schuldners aus das Beleihen von Hypotheken dnrch die Sparkassen etwas Uu- vollkommnes ja Fehlerhaftes ist. Es ist nicht bloß für den Grundbesitzer ge¬ fährlich, sondern es birgt auch für die Gemeinde, ja für den ganzen Staat eine große Gefahr. Je größer der Umfang ist, den die Sparkassen annehmen, »in so größer wird die Gefahr für den Staat. Diese gefährliche Einrichtung stellt in Verbindung mit der noch gefährlichern der Hypothekenbanken den Er¬ folg unsrer Kriegsrüstungen in Frage. Das Volk wird schließlich in einem Kampf um Sein oder Nichtsein den Sieg davon tragen, das nicht bloß gute Waffen geschmiedet, sondern seine Volkswirtschaft so eingerichtet hat, daß es am längsten den Krieg aushalten kann. Mau kann und darf deshalb den Jmmobiliar- oder Hypothekarkredit nicht als reine Privatsache betrachten und behandeln, die den Staat gar nichts angehe. Allerdings darf der Staat weder diesen Kredit noch den der Hypo¬ thekenbanken verstaatlichen, denn das wäre noch gefährlicher; aber er muß ihm Grenzboten III 190t 4S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/361>, abgerufen am 13.05.2024.